Verwertungsgesellschaften

Geistiges und künstlerisches Eigentum wie Gedichte, Filme aber auch Datenbanken und Software schützt das Urheberrecht. In vielen Bereichen ist es für den einzelnen Urheber allerdings allein schon zeitlich unmöglich, seine Rechte individuell einzufordern. Für einen Komponisten z. B. wäre es eine Sisyphosarbeit, alle potentiellen Radiosender zu überwachen, die seine Songs spielen könnten und ggf. eine Honorarforderung zu stellen. Er käme nicht mehr zu seiner eigentlichen Arbeit.

Hier springen die Verwertungsgesellschaften (VG) ein. Das bekannteste Beispiel in Deutschland ist die GEMA, die ironisch auch als „Musikfinanzamt“ tituliert wird. Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte vertritt die Ansprüche von Musikschaffenden, die VG Wort die der Autoren. Mit der betreffenden VG schließt der Urheber einen Wahrnehmungsvertrag, die seine kommerziellen Rechte dann kollektiv vertritt – also verwertet. Dies trifft immer dann zu, wenn durch die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von urheberrechtlich geschützten Werken eine Kopie erstellt wird, z. B. von einem Fachartikel in einer Bibliothek. Hierfür ist dem Urheber eine angemessene Vergütung zu zahlen. Die Verwertungsgesellschaften ziehen die gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren ein und schütten sie an die Wahrnehmungsberechtigten aus. Das ist in der Regel einmal im Jahr eine pauschalisierte Summe pro Werkeinheit. Sie richtet sich nach den Gesamteinnahmen und dem Verteilungsplan der jeweiligen VG.

Einnahmequellen der VG

Die Einnahmen der Verwertungsgesellschaften speisen sich zum größten Teil aus der so genannten Pauschalabgabe. Sie wurde 1965 als Reaktion auf die neuen Vervielfältigungstechnologien wie Tonband und Kassettenrekorder eingeführt. Sie erkennt den Vergütungsanspruch der Urheber an und legalisiert die Kopie zum Privatgebrauch. Die pauschale Abgabe wird auf Reproduktionsgeräte und Leermedien ("Rohlinge") erhoben. Seit 1985 gilt die Regelung auch für diejenigen, die Ablichtungsgeräte entgeltlich zur Verfügung stellen. Neben Faxgeräten, Kopierern, Scannern sowie CD- und DVD-Brennern sollen zukünftig alle Geräte der Abgabenpflicht unterliegen, mit denen urheberrechtlich relevante Inhalte reproduziert werden können, z. B. Computer oder Multimediahandys. Die Abgabenhöhe handeln die Verwertungsgesellschaften und die Geräte- und Speichermedienhersteller untereinander aus. Weitere Einnahmen resultieren aus dem öffentlichen Abspielen, Nachdrucken in Schulbüchern, Vermieten und Verleihen von Werken, beispielsweise durch eine Arto- oder Videothek. Dies betrifft auch die Wiedergabe im Internet, soweit die Verwertungsgesellschaften hierfür über ein Tarifwerk verfügen. Da mit Fotokopien und Leermedien sowohl Wort, Musik als auch Bild vervielfältigt werden können, gibt es einen Verteilschlüssel unter den Verwertungsgesellschaften. Er basiert auf empirischen Studien über die Verwendung des kopierbaren, vermieteten Materials. Ein Teil der Tantiemen fließt in gesetzlich vorgeschriebene Sozial- und Förderfonds, aus denen z. B. Stipendien vergeben werden. Die Aufsichtsbehörde ist das Deutsche Patentamt in München. Um die Vergütungsansprüche auch international durchsetzen zu können, unterhalten die Verwertungsgesellschaften Gegenseitigkeitsverträge mit ausländischen Verwertungsgesellschaften und Inkassoorganisationen.

Vergütungsregeln und E-Learning

Das Urheberrecht schützt eigene Inhalte wie z. B. selbst verfasste Online-Lehrmodule vor der Nutzung durch Dritte bzw. fremde Materialien vor einer unerlaubten Verwendung in den eigenen E-Learning-Angeboten. Der Wissenschaftsparagraf ermöglicht jedoch den Einsatz urheberrechtlich geschützter Dokumente, ohne dass der Urheber zustimmen muss – unter bestimmten Voraussetzungen: Von einem bereits veröffentlichten Werk darf ein kleiner Teil online gestellt werden. Als Richtschnur gelten 20 Prozent des Umfangs. Eine gefestigte Rechtsprechung liegt hierfür allerdings noch nicht vor. Auf einer Seminarwebsite darf demnach beispielsweise eine bestimmte Anzahl themenbezogener Fachaufsätze oder ein Auszug eines wissenschaftlichen Lehrbuchs veröffentlicht werden. Es dürfen außerdem Werke geringen Umfangs wie Aufsätze, Gedichte, Lieder oder kleine Novellen sowie einzelne Beiträge aus Zeitungen und Zeitschriften verwendet werden. Die Grundbedingung ist, dass diese Werke ausschließlich der Veranschaulichung im Unterricht oder zu Forschungszwecken dienen. Eine kommerzielle Nutzung ist nicht gestattet. Der Adressatenkreis darf demgemäß nur aus Schulen, Hochschulen und nicht gewerblichen Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung bestehen. Er ist ferner auf einen bestimmbaren Kreis von Nutzern einzugrenzen. Dies ist durch ein Kontrollsystem wie z. B. einen passwortgeschützten Zugang zu garantieren.

Wer Lehrmaterialien in diesem Sinne auf einer E-Learning-Plattform bereitstellt, ist nach § 52a UrhGdennoch verpflichtet, eine angemessene Vergütung an die Verwertungsgesellschaften zu entrichten. Die Höhe ist von der Teilnehmerzahl abhängig. Der Anspruch kann nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden. Die Vergütung wird zurzeit auf der Basis einer pauschalierten Abgeltung von den Hochschulen gezahlt. Für andere Medien (Film- und Fernsehwerke, Musik, Fotos) gelten die gleichen Regeln.

Knackpunkte

Durch den digitalen Fortschritt können urheberrechtlich geschützte Werke immer leichter vervielfältigt und zweitgenutzt werden. Texte können z. B. im Internet durch „Copy and Paste“ ganz einfach übernommen werden. Für die Urheber setzen sich die Verwertungsgesellschaften ein, indem sie sich auftragsgemäß für deren Interessen treuhänderisch streiten und die Wahrnehmungsverträge an die erweiterten Nutzungsbedingungen anpassen. Hierbei entsteht häufig eine interne Ambivalenz, da sich die Gesellschaften auch für die Rechte der Verwertungsindustrie einsetzen, die nicht unbedingt mit den Interessen der Urheber konform gehen. Ein Beispiel: Bands, die sich durch die GEMA vertreten lassen und ihre Songs zu Marketingzwecken auf der eigenen Homepage zum Download anbieten, müssen dafür teure Gebühren entrichten. Auch ist es ihnen nicht erlaubt, ihre Werke – z. B. für Remixe – im Internet unter eine CC-Lizenz zu stellen. Viele Forderungen im Kampf um das Copyright wie die nach der Implementierung von DRM-Systemen widersprechen der ursprünglichen Idee des World Wide Webs – dem freien Fluss von Informationen. Außerdem müssen sich die Verwertungsgesellschaften immer wieder Vorwürfe in Form von mangelnder Transparenz und zu hohen Eigenverwaltungskosten gefallen lassen.
Als defizitärer Bereich zeigt sich in der Praxis allgemein die Vergabe der Online-Rechte über die Verwertungsgesellschaften. Zwar sind sie verpflichtet, jedem auf Basis angemessener Bedingungen die Nutzung eines Werkes einzuräumen, aber nur wenige VG können diese für die Online-Verwendung rein rechtlich überhaupt vergeben. Dies behindert den Lizenzerwerb für den Einsatz von Fremdmaterial in E-Learning-Veranstaltungen erheblich: Der Rechteinhaber muss zunächst einmal ausfindig gemacht werden. Bis vor kurzem half in Deutschland die sog. Clearingstelle Multimedia (CMMV) bei der Recherche, die ihre Arbeit inzwischen aber eingestellt hat. Einzelne Länder verfügen über nationale Clearingstellen. International gibt es keine zentrale Rechte-Clearingstelle.

Die Verwertungsgesellschaften im Einzelnen

  • VG Wort
    Die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) verwaltet die Rechte der Autoren von Sprachwerken aller Art und den Verlagen. Dies schließt auch die Zweitnutzungsrechte von Wortbeiträgen in Funk und Fernsehen ein. Wahrnehmungsberechtigte sind: Autoren, Übersetzer und Verleger von schöngeistigen, dramatischen, journalistischen und wissenschaftlichen Texten. Um für die Autoren von Texten im Internet eine angemessene Vergütung zu erzielen, hat die VG Wort eine eigene Abteilung geschaffen. Ziel war es, ein System zu schaffen, dass die Nutzung von Texten im Internet erfasst und belegbar nachweist. Hilfreiche Dokumentationen auf den Seiten der VG Wort erläutern das mehrschrittige Verfahren. Für 2008 wurde außerdem ein neues Meldeportal angekündigt, das Online-Texte besser berücksichtigt. 2006 betrugen die Erlöse aus der Wahrnehmung von Urheberrechten 85,9 Mio. €.
  • GEMA
    Komponisten, Textdichter, Songschreiber und Musikverleger können mit der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) einen Berechtigungsvertrag schließen. Hinter der GEMA stehen 60.000 Mitglieder. Sie vertritt außerdem das gesamte Weltrepertoire an urheberrechtlich geschützter Musik. Die Nutzung von Werken des GEMA-Repertoires im Internet oder anderen Netzen ist gebührenpflichtig. Dies betrifft den Download des Werkes auf eine Festplatte - u. a. in den Dateiformaten WAV, MIDI, AIFF, AU und MP3 – genauso wie das Anhören der Werke - das Streaming z. B. durch die RealAudio -Technik. Die GEMA-Website informiert hier über ihre Tarife.
  • VG Bild-Kunst
    Die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst (VG Bild-Kunst) nimmt die Erst- und Zweitverwertungsrechte für bildende Künstler, Fotografen, Designer, Karikaturisten, Pressezeichner und Bildagenturen, sowie Filmproduzenten, Regisseure, Kameraleute, Cutter, Szenen- und Kostümbildner und Choreografen wahr. Eine Besonderheit bei der VG Bild-Kunst ist die Wahrnehmung des Folgerechts. Es räumt dem Künstler eine prozentuale Beteiligung ein, wenn sein Werk weiterveräußert wird. Ohne das Folgerecht wäre er von den z. T. immensen Wertsteigerungen am Kunstmarkt ausgeschlossen. Für die Wiedergabe bildender Kunst am Bildschirm sowie in digitalen Medien, z. B. DVDs oder Datenbanken, verfügt die die VG Bild-Kunst über ein differenziertes Tarifwerk.
  • DMV
    Im Deutschen Musikverleger-Verband (DMV) sind rund 90 Prozent der in der Bundesrepublik Deutschland tätigen Musikverlage organisiert. Diese Interessenvertretung nimmt die Rechte der über 500 Musikverleger wahr, also die Ansprüche aus der Verwertung der Noten. Außerdem tritt sie im Sinne ihrer Mitglieder für die Verbesserung der Gesetzgebung auf Bundes- und EU-Ebene ein. Weitere Informationen zum Verband können Sie der Website des DMV entnehmen.
  • GVL
    Die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) ist die urheberrechtliche Vertretung der ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller. Unter ausübenden Künstlern werden Musiker, Sänger, Tänzer, Schauspieler und andere Werkinterpreten zusammengefasst. Als Tonträgerhersteller gelten Schallplatten- und CD-Produzenten sowie sonstige Tonträgerhersteller mit eigenem Label. Für Webcastangebote erhebt die GVL wie die GEMA Vergütungsansprüche, die z. B. bei einem Uniradio greifen würden. Die Einzelheiten können Sie bei der GVL im Internet im Abschnitt Internetradio nachlesen.
  • GÜFA
    Der Gesellschaft zur Übernahme und Wahrnehmung von Filmaufführungsrechten (GÜFA) sind überwiegend Filmproduzenten/Rechteinhaber angeschlossen, die sich mit der Herstellung erotischer, pornografischer Filme beschäftigen. Sie nimmt deren Aufführungsrechte wahr und kümmert sich um die Rechtevermittlung und Wahrnehmung in digitalen Medien, z. B. im Zusammenhang mit Download möglichkeiten via Internet oder Multimediaproduktionen. Über die Rechtslage im Internet informiert die GÜFA in ihrer Webpräsenz.
  • GWFF
    Film- und Fernsehproduzenten gründeten 1982 die Gesellschaft zur Wahrnehmung von Film- und Fernsehrechten. Sie nimmt die Ansprüche von Filmproduzenten, -urhebern, Schauspielern und Videoprogrammherstellern wahr.
  • VG Media
    Die VG Media wurde zur Verwertung der Urheber- und Leistungsschutzrechte von Medienunternehmen gegründet. In ihr sind 34 private Fernsehsendeunternehmen wie RTL, Sat1 oder Pro7 sowie 59 private Hörfunksender organisiert (Stand Ende 2007). Die Tarife dieser Verwertungsgesellschaft beziehen sich vorrangig auf die Weiterleitung von digitalen und analogen Sendesignalen, wie es z. B. in Hotels und Krankenhäusern üblich ist. Ob Ihre Angebote gegebenenfalls in diesem Sinne abgabenpflichtig werden, erfahren Sie auf der Website der VG Media.
  • VG Musikedition
    Die Verwertungsgesellschaft Musikedition nimmt im Auftrag ihrer Mitglieder – Verleger, Komponisten, Textdichter und Herausgeber – treuhänderisch verschiedene Nutzungsrechte wahr. Wenn Sie in deren Sinne genehmigungspflichtige Inhalte im Internet oder Multimediaproduktionen auf CD-ROM verwenden, fallen Gebühren an. Die Höhe regelt die Anzahl der Zugriffe bzw. der hergestellten Datenträger. Die genauen Modalitäten hat die VG Musikedition im Internet veröffentlicht.
  • VGF
    Die Wahrnehmungsberechtigten der Verwertungsgesellschaft für Nutzungsrechte (VGF) an Filmwerken sind die Produzenten von Spielfilmen und kürzerer Kinofilme.
  • VVF
    Verwertungsgesellschaft der Film- und Fernsehproduzenten, Verwertungsgesellschaft im Bereich der Filmproduzenten von Eigen- und Auftragsproduktionen
  • AGICOA
    AGICOA steht als Kürzel für den Verband für die Internationale Kollektive Wahrnehmung für audiovisuelle Werke : Association de Gestion Internationale Collective des Oeuvres Audiovisuelles. Er repräsentiert 6.000 in- und ausländische Filmhersteller bzw. Rechteinhaber und nimmt die Produzentenrechte der Kabelweitersendung von TV-Programmen wahr.
  • Internationale Dachverbände
    Um Urheberinteressen grenzübergreifend vertreten zu können, haben sich die Verwertungsgesellschaften zu europäischen und internationalen Vereinigungen zusammengeschlossen. Der Dachverband aller VG ist The International Confederation of Authors and Composers Societies (CISAC). Ihr gehören mehr als 200 Gesellschaften aus 100 Ländern an. Das Bureau International des Sociétés gérant les Droits d‘Enregistrementet de Reproduction Mécanique (BIEM) vertritt Musikschaffende im mechanischen Recht. So vereinbarte das BIEM z. B. mit dem internationalen Verband der Plattenindustrie IFPI, das 9,009 Prozent des Händlerabgabepreises als Gebühren abzuführen sind. Weitere Dachverbände sind die Organisationen Groupement Européen des Sociétésd‘Auteurs et Compositeurs (GESAC) und die European Visual Artists (EVA).

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Letzte Änderung: 16.06.2015