Krankenversorgung

Anforderungen
Die Universitätsmedizin steht vor enormen Herausforderungen in den kommenden Jahren, die sie nur mit einem möglichst effizienten Einsatz von Informationstechnologie (IT) lösen kann. Wichtigste Faktoren sind die Einführung pauschalierter Abrechnungssysteme, sektorübergreifender Versorgungsformen, die Auswirkungen der genomischen Medizin auf Krankenversorgung, Forschung und Lehre, der Bologna-Prozess und der Exzellenzwettbewerb bei gleichzeitig sinkenden öffentlichen Zuschüssen.

Die informationsintensive Universitätsmedizin und das Gesundheitswesen insgesamt sind bezüglich der Optimierung ihrer Arbeitsprozesse durch IT-Einsatz um Jahrzehnte hinter anderen Branchen zurück. Diese Lücke soll durch die neue Infrastruktur hinter der elektronischen Gesundheitskarte und dem Heilberufeausweis innerhalb eines Jahrzehntes geschlossen werden.

Vor diesem Hintergrund hat die Universitätsmedizin in Göttingen bereits seit mehreren Jahren einen Entwicklungsprozess angestoßen, der aufs engste mit Change Management und Prozess-Reengineering gekoppelt ist.

Strategiebildung
Die IT-Strategie der Universitätsmedizin in Göttingen betrachtet Forschung, Lehre und Krankenversorgung in einem integrierten Ansatz. Sie lehnt sich damit an die Ansätze ausgewiesener amerikanischer Forschungsstätten wie etwa Hopkins und Mayo an. Die Strategie setzt die Empfehlungen der DFG für die Jahre 2006 bis 2010 für Göttingen um. Konkretisiert wird diese Strategie in 5-Jahresplänen, die einen Handlungskorridor für alle Einzelaktivitäten aufzeigen und die Grundlage für Rahmenplananmeldungen und HBFG-Anträge darstellen. Die IT-Strategie der Universitätsmedizin Göttingen wird von der Stabsstelle IT-Strategie des Vorstandes vorbereitet und bezüglich ihrer Umsetzung verfolgt.

Die IT-Strategie greift die Anforderungen der Nutzergremien auf und bindet diese zusammen mit den drei Ressorts des Vorstandes (F & L, Krankenversorgung; Wirtschaftsführung) in einen Gesamtplan ein. Dieser wiederum bildet die Grundlage korrespondierender Zielvereinbarungen mit dem Land sowie den Abteilungen.

Der Querschluss in der Uni zu den anderen Fakultäten findet in einem von Präsidium und Vorstand gemeinsam eingesetzten IT-Leitungsausschuss sowie in der Senatskommission für Informationsmanagement statt.

Der Begriff „Informationstechnologie“ wird in Göttingen einheitlich für alle Technologien und Techniken verwandt, die durch Computer geleistet, unterstützt oder erst ermöglicht werden. Von der zunehmenden Zahl dieser Systeme werden besonders jene beachtet, die in einem größeren Verbund miteinander zusammenwirken müssen. Dies betrifft nicht nur die verschiedenen Formen der Kommunikationstechnik (Computernetze, Telefonie, Pieper, Schwesternruf etc.) sondern vor allem auch die Anwendungssysteme, deren pragmatische, syntaktische und semantische Interoperabilität lebenswichtig für die Universitätsmedizin sind.

Wichtige Besonderheiten des IT-Einsatzes in der Universitätsmedizin
Die universitäre klinische Medizin wird zunehmend nur mit IT-Unterstützung betrieben werden können. In den kommenden Jahrzehnten wird wegen des Einbezugs molekularer und biosensorischer Verlaufsdaten eine weitgehende Umgestaltung der Arbeits- und Entscheidungsprozesse in der ärztlichen Tätigkeit erfolgen. Dies führt zu einem Neudesign nicht nur der klinischen Prozesse einschließlich der gesamten Infrastruktur sondern auch zu Umgestaltungen der ärztlichen Ausbildung und der Forschung.
 
Um dieser Herausforderung gerecht zu werden, müssen über mehrere Jahrzehnte die vorhandenen Strukturen und Prozesse umgestaltet werden. Die Kosten dieser Umwandlung einschließlich der Personalentwicklung sind gewaltig und nur im Rahmen einer langfristigen Strategie bewältigbar. Der Anteil der IT-Kosten an den Gesamtkosten wird langfristig auf ein Vielfaches des momentanen Niveaus steigen.

Da die Funktionsfähigkeit der entstehenden Universitätsmedizin unmittelbar auf IT-Verfahren aufbaut, ist deren umfassende strategische Entwicklung eine conditio sine qua non im Wettbewerb um das Überleben.

Gemeinsamkeiten mit anderen Fakultäten
In Bezug auf Forschung und Lehre verfügen die medizinischen Fakultäten allein nicht über genügend methodisches Wissen, um in vielen aktuellen Forschungsthemen international kompetitiv mithalten zu können. Dies betrifft je nach Forschungsschwerpunkt unterschiedliche Fächer und Themen. Betroffen sind auch der Bereich der Entwicklung neuer Therapien und nicht nur klassische Laborverfahren, sondern zunehmend Methoden der Computational Science. Deshalb sind IT-Systeme so zu gestalten, dass sie den methodischen Wissensstand anderer Branchen für die Medizin nutzbar machen können.
 
Kooperationen mit anderen Universitätsklinika und Versorgungspartnern
Die meisten deutschen Universitätsklinika und medizinischen Fakultäten sind viel zu klein, um das ganze Spektrum der modernen Medizin abbilden zu können. Hieraus ergibt sich eine wissenschaftliche und klinische Schwerpunktsetzung, die die IT-Strategie reflektieren muss. Deshalb hat das Göttinger Universitätsklinikum bereits 2001 erste Konzepte mit zwei weiteren Universitätsklinika zu einer IT-Kooperation entwickelt. Auf Basis der inzwischen erheblich gestiegenen Anforderungen (s. o.) wird gegenwärtig eruiert, ob es möglich ist, durch überregionale Kooperationen die IT-Versorgung effizienter organisieren zu können.

Erhebliche Investitionen und Prozessverbesserungen wird die Einführung der elektronischen Patientenkarte mit sich bringen. Deshalb ist 2005 eine Arbeitsgruppe zur Vorbereitung dieser für 2007 erwarteten großen Umstellung etabliert worden. Auf der Basis der dann verfügbaren Infrastruktur soll die elektronische Kommunikation zu den niedergelassenen Ärzten und kooperierenden Krankenhäusern ausgebaut werden.

In den vergangenen zehn Jahren sind anwendungsreife technische Verfahren für Telemedizin und Telemonitoring entwickelt worden. Ein Ende der Innovationen auf diesem Gebiet ist nicht abzusehen. Einige der dabei entwickelten Arbeitsformen erlauben es, Teile des Gesundheitswesens anders als bisher zu organisieren. Diese Ansätze werden häufig als „ehealth“ bezeichnet – finden aber bisher in den hoch regulierten Gesundheitssystemen der westlichen Industrienationen kaum Anwendung. Das Universitätsklinikum überprüft trotzdem im Rahmen umschriebener Projekte solche Ansätze, um deren mittelfristige und langfristige Relevanz für die eigene Rolle besser einschätzen zu können.

Kooperationen in Forschungsverbünden

International werden in allen Fächern – besonders in der Arzneimittelforschung und bei der Identifikation und molekularen Charakterisierung von Erregern aufwändige Verfahren eingesetzt, die in der Regel von einzelnen Abteilungen wegen des vorzuhaltenden breiten Methoden- und Wissensspektrums nicht beherrscht werden können. Um im internationalen Wettbewerb trotzdem mithalten zu können, fördern die nationalen Regierungen und auch die Europäische Union Verbundforschungsvorhaben. Diese Vorhaben werden aber nicht nur wegen des jeweiligen Forschungsthemas gefördert, sondern vor allem auch, damit die Fakultäten lernen, welche Infrastruktur sie aufbauen müssen, um in wechselnden kollaborativen Ansätzen erfolgreich mitwirken zu können.
In den kommenden Jahren werden darüber hinaus Lösungen gefunden werden müssen, wie in den IT-Systemen mit der zunehmenden Menge dynamischer, biosensorischer und molekularbiologischer Daten umgegangen werden kann. Diese Entwicklung wird zuerst die IT-Systeme in der Forschung, dann in der Krankenversorgung der Uni-Kliniken und schließlich auch in der Lehre erfassen. Medizin ohne IT-Unterstützung wird dann auf Ebene der Tertiärversorgung kaum noch möglich sein.

Partnerschaft mit den Patienten

Da die Medizin in wenigen Jahren auf der Basis von datenintensiven Verlaufsdokumentationen, Fallvergleichen und großen Individualdatenbeständen basiert sein wird, ist die Gestaltung einer partnerschaftlichen Rolle mit den Bürgern und Patienten von herausragender Bedeutung für Klinik und Forschung. Die Einführung der deutschen elektronischen Versichertenkarte ab 2006 legt hier einen ersten Grundstein. Allein dieser eine Grundstein hat massivste Auswirkungen auf die Ausgestaltung der Abläufe und Ausstattungen der Unikliniken, da Ärzte, IT-Systeme, Räume und Mobiliar darauf eingestellt werden müssen, dass die Daten des Patienten gemeinsam am Bildschirm eingesehen und ggf. bearbeitet werden können.

Patientensicherheit und Qualitätsmanagement
Beide Aspekte spielen in anderen Ländern – etwa den USA – inzwischen eine der wichtigsten Rollen beim Einsatz von IT-Systemen und werden regelmäßig über die kurzfristige Wirtschaftlichkeitsbetrachtung priorisiert. Hierzu werden u. a. auch lückenlose Prozessketten z. B. in der Arzneimittelversorgung oder im OP-Management gerechnet. Hier müssen die deutschen Uni-Kliniken in den kommenden Jahren klinische Arbeitsplatzsysteme implementieren, deren Auswirkungen auf die täglichen Abläufe erheblich sind.

Ressourcenschonung am Standort – Integriertes Informationsmanagement
Die Stabstelle IT-Strategie des Vorstandes muss bezüglich der angesprochenen Entwicklungen mit allen Abteilungen des Universitätsklinikums, mit der Universität und anderen Partnern zusammenarbeiten, um die IT-Infrastruktur für diese geänderten Anforderungen zu definieren und das Umfeld entsprechend auszugestalten. Gegenwärtig findet dies z. B. im Hinblick auf einen Neubau von OP-Kapazitäten statt.
Der wirtschaftliche Ausbau der IT wird im kommenden Jahrzehnt in Göttingen im Rahmen der strategischen Planung vorangetrieben. Dabei werden entsprechend der DFG Empfehlungen alle Möglichkeiten der Rationalisierung ausgeschöpft. Der Erwerb von Software richtet sich nach den Vorteilen, die diese für die Reorganisation der Prozesse in Forschung, Lehre und Krankenversorgung entsprechend den aktuellen Anforderungen bietet. Um die jährlich steigenden IT-Ausgaben in Abstimmung mit den Nutzergremien möglichst effizient zu nutzen, soll ein IT-Controlling etabliert werden. Für all diese Prozesse ist ein schrittweises Vorgehen vorgesehen, das sehr viel Personalentwicklung und Change Management erfordert.

Wichtig erscheint auch, dass der bisherige getrennte technische Betrieb vieler Dienstleister einschließlich der Bibliotheken, die IT nutzen, zusammengelegt werden soll. Am Wissenschaftsstandort wurde dazu mit allen kooperationswilligen Einrichtungen das Projekt GÖ* betrieben. In Zukunft sollen Server-Hosting und der Betrieb der Netze in einer standortübergreifenden Einrichtung zusammengefasst werden. Gleichzeitig sollen die verschiedenen Anwendungsbereiche sich stärker auf die Bedürfnisse ihrer Nutzer-Communities fokussieren.

IT-Betrieb
Der Betrieb der verschiedensten IT-Systeme wird - soweit zweckmäßig - zentralisiert und in einem zentralen Servicebetrieb zusammengefasst. Dieser beinhaltet technische Basisdienste für Netzbetrieb, Sicherheit und Server-Hosting. Dazu kommen Applikationsgruppen für Forschung und Lehre, Krankenversorgung und Administration von etwa gleicher personeller Stärke (jeweils größer 10 MA). Die Betreuung der Peripherie erfolgt in einer sechsten Gruppe, die aufs engste mit dem Einkauf zusammenarbeitet. Die Leitung des Servicebetriebs ist auf möglichst hohe Performance im Tagesgeschäft ausgerichtet.

Die Kliniken geben inzwischen immer mehr Server an den zentralen Servicebetrieb ab, da sie selbst nicht mehr in der Lage sind, Betriebssicherheit zu garantieren. Gegenwärtig beginnt die Integration der traditionellen Kommunikationsdienste mit der Netzgruppe des Servicezentrums.

Personalentwicklung

Als einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren der Stabsstelle IT-Strategie, des IT-Servicezentrums und der IT in den Kliniken hat sich das Vorhandensein von erfahrenen Medizin-Informatikern herausgestellt. Deshalb fördert die Universitätsmedizin die Einstellung von Absolventen entsprechender Studiengänge bzw. die Fortbildung zur ärztlichen Bereichsbezeichnung bzw. zum Zertifikat Medizinischer Informatiker.
Die Abteilung Medizinische Informatik unterstützt diese Personalentwicklung. Ihre Hauptaufgabe ist eigene Forschung und Lehre sowie die Unterstützung der Forschung der anderen Abteilungen – schwerpunktmäßig beim Aufbau der IT-Infrastruktur von Forschungsverbünden.

Letzte Änderung: 08.04.2015