Videoproduktionsraum

In einem Videoproduktionsraum können Lehrende eigene Lernvideos aufnehmen. Neben der Gestaltung und Ausstattung des Raums für eine möglichst optimale Qualität der Audio- und Videoaufnahme können Produktionsräume auch unterschiedliche Präsentationsmedien wie Whiteboards, interaktive Displays, Grafik- und Schreibtabletts, Lightboards, Dokumentenkameras oder Präsentationstische bereithalten.

Kontext

Viele Lehrveranstaltungen werden durch Lernvideos unterstützt. Insbesondere die Wissensaneignung durch darbietende Lehrformen kann durch Videos individualisiert und flexibilisiert werden. So können die Studierenden zu für sie passenden Zeitpunkten auf die Lernvideos zugreifen, die Wiedergabegeschwindigkeit anpassen und einzelne Abschnitte wiederholt anschauen. In dieser Form werden Lernvideos etwa im Kontext von Flipped-Classroom-Veranstaltungen eingesetzt. Durch das Angebot von Lernvideos als offene Bildungsressourcen (Open Educational Resources, kurz OER) können Studierende und Dozierende zudem auf Lernvideos anderer Hochschulen zugreifen. Lernvideos sind auch ein grundlegendes Element von kontextualisierten Bildungsangeboten – etwa indem sie zur Bearbeitung einer aktuell anstehenden Aufgabe angeschaut werden, z.B. zum Aufbau einer Versuchsanordnung im Labor. Angesichts der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Lernvideos, der zunehmenden Digitalisierung der Lehre und des stetigen technischen Fortschritts steigen auch die Ansprüche an die Qualität der Videos fortlaufend an. 

Problem

Im Büro oder Homeoffice aufgenommene Lernvideos sind oftmals von geringer Qualität, da das Setup für gute Audio- und Videoaufnahmen aufwändig ist und entsprechend als Präsentationsmedium häufig nur auf Vortragsfolien oder die Bildschirmaufzeichnung zurückgegriffen wird. Somit schränken diese Produktionsumgebungen den Handlungsspielraum der Dozierenden ein und ermöglichen keine vielfältigen Darbietungsformen.

Rahmenbedingungen

  • Audio: Der Audiokanal ist für die Wissensvermittlung besonders wichtig. Aufgenommene Störgeräusche im Hintergrund oder ein unangenehmer Raumklang (Hall) können das Lernen mit Videos beeinträchtigen. Doch das Setup mit professionellen Mikrofonen und die Auswahl des passenden Mikrofons sind aufwändig. Zudem verfügen nicht alle Dozierenden über die benötigte Ausstattung. Bei der Aufnahme kann es schnell passieren, dass aus Versehen die falsche Audioquelle gewählt wird und nur mit dem eingebauten Mikrofon des Arbeitsrechners aufgenommen wird.
  • Video: Neben der Darbietung von Lerninhalten kann es gewünscht sein, dass auch die Lehrperson im Video zu sehen ist. Teilweise sollen den Lernenden im Video zudem Objekte und Experimente gezeigt oder Bewegungsabläufe verdeutlicht werden. Für eine professionelle Aufnahme bedarf es dabei einer guten Ausleuchtung und gegebenenfalls einer gleichzeitigen Bildaufzeichnung aus unterschiedlichen Perspektiven.
  • Guter Hintergrund: Bei der Aufnahme sollte ein neutraler Hintergrund verwendet werden, der nicht ablenkt. Zwar kann ein unruhiger Hintergrund mit Videosystemen automatisch verschwommen dargestellt oder durch einen beliebig auswählbaren Hintergrund ersetzt werden, doch führt dies oft zu unprofessionellen Artefakten in der Aufnahme. Ein ordentlicher Hintergrund kann auch durch einen Aufsteller oder Vorhang erreicht werden, doch dieser muss zunächst angeschafft werden und verbraucht bspw. im Büro zusätzlich Platz.
  • Greenscreen: Für das Einblenden von Folien hinter der vortragenden Person ist es erforderlich, dass ein einfarbiger Hintergrund vorhanden ist, der dann durch ein weiteres Videobild (in der Regel die Präsentationsfolie) ersetzt wird. Hierfür wird meist ein grüner Hintergrund verwendet. Ein solcher Greenscreen findet sich jedoch kaum im Büro oder Homeoffice.
  • Präsentationsvielfalt: Eine Videoaufnahme der vortragenden Person in Kombination mit der Anzeige von Folien ist ebenso wie die Verwendung von Screencasts (also Bildschirmvideos) eine einfache und entsprechend gängige Darstellungsform in Lernvideos. Diese Art der Präsentation wird jedoch schnell eintönig und senkt die Konzentrationsfähigkeit. Lernvideos mit aktiven Bildschirminhalten sowie handschriftlichen Notizen und Zeichnungen sind lebendiger und besser nachvollziehbar. Zudem müssen teilweise auch Anschauungsobjekte eingebunden werden können, die sich dynamisch verändern, wie z.B. Experimentalaufbauten. Fotoaufnahmen auf einer Folie sind dabei statisch und werden dem dynamischen Medium Video nicht gerecht. Doch die dynamische Detailaufnahme von Objekten oder Aufbauten erhöht den Produktionsaufwand zusätzlich.

Lösung

Ein Videoproduktionsraum hält eine umfassende Ausstattung für die Produktion von Lernvideos bereit. Die wichtigsten Geräte wie Mikrofone, Kameras und Präsentationsmedien sind sofort einsatzfähig und erlauben im Idealfall die Aufnahme mit einem Klick (1-Click-Recording-Studio). Hintergründe, Ausleuchtung und Akustik des Raums sind für Videoproduktionen optimiert, so dass Dozierende ungestört ein Lernvideo aufnehmen können. Der Raum erlaubt zudem durch unterschiedliche Präsentationsmedien die Darbietung vielfältiger Objekte und Medieninhalte sowie deren Einbindung ins Video.

Details

Der Videoproduktionsraum ist mit ein oder zwei Kameras ausgestattet, um die präsentierende Person aufzunehmen. Für die Audioaufnahme liegen Kragenmikrofone und Headsets bereit, die mit dem Aufnahmerechner bereits verbunden sind. Der Raum kann zudem mit Schnitt- und Regiearbeitsplätzen ausgestattet sein. Optional kann vor einer der Kameras ein Teleprompter aufgebaut sein, so dass Dozierende ein Skript ablesen können. Dabei bevorzugen einige Dozierende das freie Sprechen anhand einzelner Stichpunkte, andere Dozierende können ein ausformuliertes Skript vorlesen. Durch den Teleprompter können die Dozierenden in beiden Fällen direkt in die Kamera schauen.

Im Hintergrund des Raumes sollten sich ein Greenscreen und verschiedene Hintergrundvorhänge befinden. Der Greenscreen wird verwendet, wenn Informationen hinter der vortragenden Person eingeblendet werden sollen. Der Hintergrundvorhang wird verwendet, wenn nur die vortragende Person dargestellt oder als Bild-in-Bild eingeblendet werden soll. Vorteilhaft ist auch ein informeller Hintergrund mit Regalen und Schränken, aus denen Objekte genommen und in die Präsentation eingebaut werden können (z.B. Herausnehmen von Arbeitsgeräten oder Materialien).

Da Dozierende unterschiedliche Formen der Präsentation und des Entwickelns von Inhalten bevorzugen, sollte der Raum eine Auswahl verschiedener Präsentationsmedien bereithalten, die sich ins Lernvideo einbinden lassen, z.B.:

  • ein klassisches Whiteboard, auf das geschrieben werden kann.
  • ein interaktives Whiteboard, auf dem Folien dargestellt und auf dem geschrieben werden kann.
  • eine Dokumentenkamera, um handschriftlich auf einem Blatt Papier zu schreiben sowie Dokumente und kleinere Objekte zu zeigen.
  • ein ausgeleuchteter Aufnahmetisch, auf den ein oder zwei weitere Kameras gerichtet sind. Auf diesem Tisch können Experimente aufgebaut oder Materialien und Dokumente präsentiert werden.
  • ein großes Grafiktablett mit Display, so dass Dozierende frei oder auf Folien schreiben und zeichnen können.
  • ein Lightboard: Dozierende schreiben an eine durchsichtige Glastafel und werden dabei frontal aufgenommen. Indem die Videoaufnahme später gespiegelt wird, sehen die Studierenden im Video sowohl den Anschrieb richtig herum als auch die präsentierende Person hinter den Inhalten. Dies ermöglicht eine besonders persönliche Ansprache, fast wie im Hörsaal.

Für einige Fächer eignen sich zudem längere Screencasts, also das Aufzeichnen von Bildschirminhalten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Einsatz von Software gezeigt wird. Für diese Fälle kann ein Aufnahmeplatz, an dem der Dozierende sitzen kann, sinnvoll sein. Auch für Lernvideos, die auf der Legetechnik basieren, kann ein Arbeitstisch mit Stuhl sinnvoll sein. Bei der Legetechnik werden Visualisierungen dynamisch aufgenommen, indem vorher erzeugte Bildschnipsel in einen Aufnahmebereich gezogen und ggf. handschriftlich ergänzt werden.

Stolpersteine

  • Da immer mehr Lernvideos produziert werden, müssen Dozierende befähigt werden, selbst oder mit Unterstützung eigener Hilfskräfte die Videos zu produzieren. Für Dozierende, die den Raum nutzen, können zu viele Bedienoptionen jedoch schnell überfordernd wirken. Deshalb sollte die Sichtbarkeit der Raumtechnik – wo immer dies möglich ist – reduziert werden. D.h. die Bedienoptionen der wichtigsten Geräte sollten mit einer reduziert gehaltenen Benutzeroberfläche auf zentrale Funktionen beschränkt sein.
  • Für die erste Nutzung des Videoproduktionsraums sowie bei anspruchsvoller gestalteten Videoaufnahmen sollten geschulte Personen bzw. Aufnahmeteams unterstützend zur Seite stehen.
  • Damit sich die Einrichtung eines Videoproduktionsraums rentiert und eine hohe Auslastung des Raumes erreicht wird, sollte ein transparentes Buchungssystem eingesetzt werden, mit dem Dozierende verlässlich ihre Aufnahmen planen können.

Vorteile

  • Der Videoproduktionsraum ermöglicht auch Dozierenden ohne viel Vorerfahrung die Produktion von Videos.
  • Der Raum bietet optimale Aufnahmebedingungen und erhöht die Videoqualität.
  • Unterschiedliche Präsentationsmedien stehen bereit. So kann die jeweils didaktisch angemessene Präsentationsform gewählt werden.
  • Viele hybride Szenarien werden durch die Produktion von Lernvideos ermöglicht bzw. unterstützt, z.B. Flipped-Classroom-Formate.
  • Die Vorbereitungszeit reduziert sich für Dozierende. Es kann ein Lernvideo aufgenommen werden, ohne dass das eigene Büro aufwändig umgebaut werden muss. 

Nachteile

  • Der Raum hat einen hohen Wartungsaufwand.
  • Ein Aufnahmeteam muss eventuell bei der Produktion und Post-Produktion (also dem Schneiden und Vertonen von Videos) unterstützen.
  • Die Aufnahme wird komplexer als am eigenen Schreibtisch.
  • Dozierende können nicht mehr jederzeit ein Video aufnehmen, sondern sind an einen Zeitplan gebunden.
  • Oftmals werden durch die leichte Umsetzung vor allem frontale Formen der Wissensvermittlung, bspw. reine Vorträge, als Videos dauerhaft festgehalten und wiederholt eingesetzt, während andere Gestaltungsmöglichkeiten weniger genutzt werden und die didaktische Vielfalt beim Einsatz von Lernvideos nicht ausgeschöpft wird.
  • Videoaufnahmen im Feld, etwa außerhalb des Campus, aber auch in speziell ausgestatteten Umgebungen, wie einem Labor mit notwendigen Sicherheitsvorkehrungen für Versuche, werden durch den Videoproduktionsraum nicht gezielt unterstützt.

Beispiele

Das CoLiLab (Cooperative Liberal Laboratory) an der Pädagogischen Hochschule Weingarten bietet mit der „Videosphäre“ einen gut ausgestatteten Raum für die Produktion von Lernvideos und digitalem Lernmaterial inklusive Bildbearbeitung und Filmschnitt. Der Raum steht sowohl Lehrenden als auch Studierenden zur Verfügung und kann über ein Raumbuchungssystem gebucht werden. Das CoLiLab ist eine aus mehreren Räumen bestehende Arbeitsumgebung, die als pädagogischer Makerspace kollaboratives und interdisziplinäres Arbeiten unterstützt.

VBOX an der Uni Göttingen
Abb. 1: VBOX in der Zentralbibliothek der Universität Göttingen (Foto: Christian Kohls)

Mit der VideoBox (VBOX) stellt die Universität Göttingen ihren Studierenden und Lehrenden eine schallgedämmte Studiokabine mit professioneller Audio- und Videotechnik (AV-Technik) für die Aufnahme und Bearbeitung von Lernvideos zur Verfügung. Die VBOX (Abb. 1) steht in der Zentralbibliothek der Universität Göttingen und kann für die individuelle Nutzung gebucht werden.

An der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt können Mitarbeitende nach einer kurzen Einführung eigenständig in einem Videostudio Lernvideos für Flipped-Classroom-Konzepte und Blended-Learning-Szenarien erstellen oder beispielsweise auch Videovorträge für wissenschaftliche Konferenzen aufzeichnen.

Die Universität Regensburg stellt Lehrenden ein Produktionsstudio bereit, in dem neben Videos auch weitere multimediale Inhalte, wie Podcasts, erstellt werden können. Der Raum bietet unter anderem die Möglichkeit, Aufnahmen vor einem Greenscreen zu machen sowie mit einem Lightboard zu arbeiten. Unterstützung bei der Entwicklung und Aufnahme von Videos erhalten Lehrende durch das Zentrum Hochschuldidaktik der Universität. 

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