Pop-up-Bildungsraum

Ein Pop-up-Bildungsraum ermöglicht die zeitlich begrenzte Darstellung von Forschung und Lehre sowie die Durchführung von Bildungsveranstaltungen außerhalb des Hochschulcampus. Die Hochschule öffnet sich für eine breite Öffentlichkeit und präsentiert sich niedrigschwellig an gut frequentierten Orten.

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Foto: Christian Hahn (TH Köln)

Kontext

Hochschulen verstehen sich als offene Institutionen, die transdisziplinär mit externen Partnern und einer interessierten Öffentlichkeit zusammenarbeiten möchten. Forschung und Lehre sollen nicht nur im Elfenbeinturm, sondern auch in der Mitte der Gesellschaft stattfinden. Hochschulfremden Personen ist allerdings oft nicht bewusst, dass Hochschulen öffentliche und freizugängliche Gebäude sind und es gibt Personengruppen, für die die Hochschulwelt so fremd ist, dass sie mit öffentlichen Veranstaltungen in diesem Kontext nicht in Kontakt kommen.

Problem

Für das produktive Zusammenwirken zwischen Gesellschaft, Wirtschaft und Hochschule bedarf es vielfältiger Anlässe, um sich zu treffen, kennenzulernen und zu vernetzen. Allerdings fehlen für den Wissenstransfer von der Hochschule in die Breite der Gesellschaft und aus der Gesellschaft in die Hochschule hinein oft niedrigschwellige Anknüpfungspunkte, um sich gegenseitig zu erreichen. 

Rahmenbedingungen

  • Wissenstransfer: Forschungs- und Projektergebnisse sollten für ein breites Publikum und Menschen mit unterschiedlichen Interessen und Hintergründen verfügbar sein. Gleichzeitig sollten Hochschulen aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen und Problemstellungen aus der Wirtschaft kennen und in anwendungsorientierter Forschung aufgreifen, um gemeinsam und ko-kreativ an Lösungen zu arbeiten.
  • Gemeinsam gestalten: In der anwendungsorientierten Forschung sollten neue Konzepte oder Produkte auch gemeinsam mit den Zielgruppen der jeweiligen Entwicklungen gestaltet, erprobt und weiterentwickelt werden. In interdisziplinären Teams sollten möglichst viele Personen mit unterschiedlichen Erfahrungshintergründen an Designprozessen beteiligt werden.
  • Offenheit: Forschung und Hochschullehre sollen für interessierte Bürgerinnen und Bürger erfahrbar sein. Sie können auch unmittelbar in den Forschungsprozess einbezogen werden (beispielsweise im Rahmen von Citizen-Science-Projekten). Insbesondere für die Qualität von anwendungsorientierter Forschung ist der Austausch mit Personen aus dem Praxisfeld, zu dem geforscht wird, von entscheidender Bedeutung, denn nur so kann die tatsächliche Relevanz von neuen Konzepten und Produkten angemessen beurteilt werden. Es ist jedoch oft sehr schwer, eine vielfältige, interessierte Öffentlichkeit zu erreichen. Und zugleich gibt es für große Teile der Bevölkerung keine geeigneten Anlässe, mit Forschenden in Kontakt zu kommen. 
  • Freie Flächen: Auf dem Campus gibt es einerseits häufig nicht ausreichend freie Flächen für Ausstellungen oder zur Präsentation von Forschungsergebnissen. Andererseits gibt es in vielen Innenstädten ungenutzte Flächen oder Räume (z. B. in Einkaufszentren). Die Vermarktungsgesellschaften von Innenstädten oder Einkaufszentren sind stets auf der Suche nach Mieterinnen und Mietern bzw. geeigneten Publikumsmagneten. 
  • Motivation: Studentische Arbeiten können sehr aufwendig erarbeitet und kreativ in der Präsentation sein. Wenn die Ergebnisse von z. B. Projektgruppen allerdings nur der Lehrperson und einigen Kommilitoninnen und Kommilitonen vorgestellt werden, kann sich dies negativ auf die Motivation der Beteiligten auswirken. Anders verhält es sich, wenn es einen Anreiz gibt, die Projektergebnisse für eine breitere Öffentlichkeit aufzubereiten, was auch eine zusätzliche Reflexion der betreffenden Inhalte bedeutet.
  • Feedback: In vielen design-orientierten Studiengängen müssen Studierende für ihre Abschlussarbeiten Entscheidungen zwischen alternativen Produkten, Eigenschaften oder Bildschirmlayouts treffen. Zudem müssen sie Annahmen über Kundinnen und Kunden bzw. Nutzerinnen und Nutzer überprüfen. Sie entwickeln viele Ideen, Prototypen und Konzepte und benötigen hierfür ein Feedback von unterschiedlichen potenziellen Nutzerinnen und Nutzern.

Lösung

Ein Pop-up-Bildungsraum bietet die Möglichkeit, für einen begrenzten Zeitraum Hochschulveranstaltungen in einem niedrigschwellig zugänglichen öffentlichen Raum durchzuführen. Hierfür wird temporär ein Raum in einem von Passantinnen und Passanten stark frequentierten Bereich der Stadt (z. B. einer Einkaufsstraße) oder Gebäude (z. B. einem Einkaufszentrum) angemietet.

Details

Einkaufsstraßen und Einkaufszentren haben den Vorteil, dass Ladenlokale mit Schaufenstern und Präsentationsflächen ausgestattet sind. Zudem ist das Prinzip von Pop-up-Stores, mit einer temporären Anmietung von Räumen, hier bereits etabliert. Prinzipiell können aber auch an anderen öffentlich zugänglichen und hoch frequentierten Orten Pop-up-Bildungsräume realisiert werden – etwa in Theater-Foyers oder Bürgerämtern. Hierfür können gegebenenfalls lokale Kooperationen genutzt werden.  

Ein Pop-up-Bildungsraum eignet sich besonders für kreative Formen der Wissenschaftskommunikation, wie Science Slams oder Forschungs-Speeddatings, für Ausstellungen, hybride Podiumsdiskussionen oder hybride Gastvorträge, auch für künstlerischen Aktionen oder Workshops für bestimmte Zielgruppen (z. B. Schulklassen oder Praktikerinnen und Praktiker aus einem für die im Pop-up-Bildungsraum präsentierte Forschung relevanten Arbeitsfeld). Hier können aber auch reguläre Seminare stattfinden oder Projektarbeiten von Studierenden umgesetzt werden. Je nach fachlicher Schwerpunktsetzung bietet es sich an, im Pop-up-Bildungsraum – gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus den betreffenden Praxisfeldern – Design-Workshops oder Umfragen zu neuen Entwicklungen durchzuführen. Durch solche Angebote kann sich die Hochschule öffnen, sodass Wissenschaft und Zivilgesellschaft voneinander lernen und gegebenenfalls auch in Ko-Kreationsprozessen gemeinsam an Projekten arbeiten.

Präsentations- und Austauschformate im Pop-up-Bildungsraum können auch einen interessanten Rahmen für die Sichtbarkeit von studentischen Projektergebnissen bieten. Zugleich kann das Feedback hochschulferner Personen genutzt werden, um aus neuen Blickwinkeln über die präsentierten Inhalte und die gewählten Darstellungsformen zu reflektieren.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können den Pop-up-Bildungsraum nutzen, um ihre Forschung einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren und mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern oder auch mit Personen aus dem für ihre Forschung relevanten Praxisfeld in einen Austausch zu treten.

Ziel eines offenen Pop-up-Bildungsraums ist der Dialog auch mit hochschulfernen Bürgerinnen und Bürgern. Daher sollten komplexe Zusammenhänge einerseits niedrigschwellig zugänglich und allgemeinverständlich formuliert und andererseits nicht unzulässig simplifiziert werden.

Damit das Konzept funktioniert, sollte es für die interessierten Bürgerinnen und Bürger außerdem angemessene Erklärungen zum Konzept des Pop-up-Bildungsraums und den dortigen Angeboten und Veranstaltungen geben. Neben Postern, (interaktiven) Displays und Aushängen sollte auch eine Webseite aufgebaut werden, die über Anliegen und anstehende Projekte, Workshops und Aktivitäten informiert.

Stolpersteine

  • Die Präsentation von studentischen Arbeitsergebnissen im Pop-up-Bildungsraum kann einerseits motivieren, andererseits aber auch einen größeren Druck bewirken, da der geschützte Bereich der Hochschule verlassen wird. Hier sollte eine spielerische, experimentierfreudige Herangehensweise gewählt werden. Neue Formate für die Hochschullehre können erprobt und Gelingensbedingungen identifiziert werden.
  • Nicht jede Thematik eignet sich für einen Pop-up-Space. Frühe Ideen oder in Kooperationen erarbeitete Ergebnisse, die der Geheimhaltung unterliegen, lassen sich beispielsweise nicht ausstellen. Insofern muss stets darauf geachtet werden, welche Daten und Informationen in einem solchen Rahmen öffentlich präsentiert werden dürfen und sollten.

Vorteile

  • Der Pop-up-Bildungsraum kann auch Studieninteressierten Einblicke in das Forschungsprofil und die Aktivitäten der Hochschule bieten, die sich in diesem Rahmen präsentiert.
  • Es lassen sich Pop-up-Ausstellungen umsetzen, die für wenige Tage ein Themengebiet aufbereiten. Auch aktuelle Forschungs- und Entwicklungsergebnisse der Hochschule können hier einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden.
  • Der öffentliche Raum lässt sich für Hackathons und Design Thinking nutzen. Forschende, Studierende und interessierte Bürgerinnen und Bürger können gemeinsam an neuen Technologien und Apps basteln, Konzepte entwickeln, Roboter oder Spiele programmieren und Experimente auswerten. Im Sinne eines Living Lab wird ein experimentelles Umfeld geschaffen, in dem Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammen an neuen Lösungen, sozio-technischen Innovationen und praktischen Anwendungen arbeiten können. Lehre, Forschung und Entwicklung können live erlebt werden.
  • Ein offener Forschungsraum bietet die Möglichkeit direkt auf ein breites Spektrum von potenziellen Teilnehmenden für wissenschaftliche Studien zuzugehen. Studierende können Besucherinnen und Besucher des Einkaufzentrums in Evaluationsprozesse oder erste eigene Forschungsarbeiten einbeziehen, z. B. durch Umfragen, Interviews oder Feedbackgespräche zu neuen Systemen und Prototypen. 

Nachteile

  • Der Organisationsaufwand ist sehr hoch und erfordert neben den Mietkosten und der Ausstattung einen sehr hohen Einsatz von Personal. Die Planung und Umsetzung sind zeitintensiv. Daher ist es wichtig, alle Stakeholder frühzeitig an Bord zu holen. Dies fängt bei der Ausstattung der Netzwerktechnik an und betrifft auch die Wartung der Systeme. Auch die Planung des laufenden Betriebs ist aufwändig. Während man im Hochschulgebäude ungenutzte Räume einfach abschließen oder den Studierenden zur Nutzung überlassen kann, gelten z. B. für die Nutzung von Räumlichkeiten in einem Einkaufszentrum besondere Regelungen hinsichtlich der Öffnungszeiten. Im Prinzip muss eine Betreuung während der regulären Öffnungszeiten stets gewährleistet sein.
  • Je nach Konzept kann es sich als schwierig erweisen, die passenden Räumlichkeiten für den Pop-up-Bildungsraum zu finden. So gibt es beispielsweise freie Ladenlokale in Einkaufszentren, die sich gut eignen, um interessante Angebote vor Ort zu gestalten, die aber eine zu schlechte Internetversorgung haben, um auch hybride Angebote mit online zugeschalteten Teilnehmenden zu ermöglichen.

Beispiele

Drei Personen arbeiten im Pop-up-Bildungsraum
Pop-up-Bildungsraum der TH Köln im „Forum Gummersbach“ (Foto: Christian Hahn)

Im Frühjahr 2018 startete eine Initiative des Campus Gummersbach der Technischen Hochschule Köln bei der im Einkaufszentrum „Forum Gummersbach“ temporär ein „Offener Bildungsraum“ eingerichtet wurde. Die Angebote in diesem Pop-up-Space wurden sowohl von Forschenden als auch von Studierenden gestaltet.

Ein offenes Lehr- und Lernlabor der Berliner Wissenschaft konnte von Dezember 2021 bis Juni 2022 im Charlottenburger Einkaufszentrum „WILMA Shoppen“ besucht werden. Das Projekt „Mall Anders“ wurde durch die TU Berlin initiiert und vom Berliner Exzellenzverbund „Berlin University Alliance“ gemeinsam durchgeführt. In diesem Rahmen wurden über 250 Veranstaltungen angeboten – unter anderem Vorträge, Ausstellungen, Panel-Diskussionen, Science-Slams, Workshops und künstlerische Interventionen.

An der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen gibt es ein Social Innovation Lab, das in der Ludwigshafener Fußgängerzone seit dem Sommersemester 2020 einen „Creative Space“ betreut. Dieser Raum wird u. a. für Lehrveranstaltungen genutzt, in denen Kreativmethoden zum Einsatz kommen oder Befragungen von Passantinnen und Passanten durchgeführt werden.

An der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg gab es ein ähnlich gelagertes Projekt bereits im Jahr 1999. Im Magdeburger „Allee-Center“ wurden unter dem Motto „UNI live“  neben einer ständigen Ausstellung von Ergebnissen aus Lehre und Wissenschaft, Vorträge veranstaltet und Informationsstände von Seiten der Studienberatung und des Studentenwerks betreut.

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