Hybride Streaming-Vorlesung

Mit einer hybriden Streaming-Vorlesung erreichen Lehrende nicht nur Studierende vor Ort an der Hochschule, sondern auch ortsflexibel alle Studierenden, die auf Grund von verschiedenen Hindernissen nicht an der Präsenzlehre teilnehmen können.

Kontext

Ein erfolgreicher Lernprozess kann bei Studierenden einsetzen, wenn sie die Möglichkeit haben, sich aktiv mit den Lerninhalten auseinanderzusetzen und Fragen zu stellen. Präsenzlehre ermöglicht dies in der sozialen Interaktion und im akademischen Diskurs. Dies gilt auch für die Vorlesung als eine typische Form der Hochschullehre, die gewöhnlich als Präsenzveranstaltung auf physisch anwesende Personen zugeschnitten ist. Die Lehrperson präsentiert dabei einer zumeist großen Anzahl Studierender Lerninhalte zu einem bestimmten Thema. Die Studierenden können sich in der Regel mit Fragen und Wortbeiträgen einbringen und das Präsentierte diskutieren. 

Problem

Die Präsenzvorlesung erfordert die Anwesenheit der Lehrperson und aller Studierenden in einem Hörsaal der Hochschule, sodass manche Studierende aus organisatorischen oder persönlichen Gründen nicht an der Lehrveranstaltung teilnehmen können. Diese Studierenden müssen die verpassten Lerninhalte meist selbstständig aufarbeiten und verlieren häufig den Anschluss an den intendierten Lernprozess. Aufzeichnungen der Vorlesungen können dieses Problem zwar in gewisser Weise auffangen, bieten aber keinen Rückkanal für Fragen oder Anmerkungen. 

Rahmenbedingungen

  • Inklusion und Barrierefreiheit: Studierende, die aus persönlichen Gründen (Krankheit, Behinderung, Pflegeverpflichtung, etc.) nicht vor Ort an der Vorlesung teilnehmen können, werden durch eine reine Präsenz-Lehrveranstaltung ausgeschlossen und müssen die Lerninhalte in der Regel selbstständig nachholen. Für diese Studierenden sind flexiblere Teilnahmemöglichkeiten erforderlich.
  • Weite Anreise zur Hochschule: Die Teilnahme an der Präsenzveranstaltung kann mit einer weiten Anreise der Studierenden und der Lehrperson verbunden sein. Kooperationen mit internationalen Studierenden oder Dozierenden sind schwer umzusetzen.
  • Grenzen der Vorlesungsaufzeichnung: Aufzeichnungen von Präsenz-Vorlesungen können eine sinnvolle Ergänzung auch für abwesende Studierende darstellen, bieten aber keine Gelegenheiten für direkte Nachfragen oder für Anmerkungen. Diese Interaktionsmöglichkeiten sollten aber auch für Studierende, die nicht vor Ort teilnehmen können, angeboten werden.
  • Grenzen einer Online-Vorlesung: Viele Studierende wünschen sich im Studium alltägliche soziale Interaktionen, die bei reinen Online-Veranstaltungen oft zu kurz kommen. Es sollten daher sowohl eine flexible Teilnahme als auch Peer-Kommunikation im Kontext der Lehrveranstaltung ermöglicht werden.
  • Strukturierung des Studienalltags: Präsenzangebote bieten vielen Studierenden – anders als reine Online-Lehrveranstaltungen – auch eine soziale und räumliche Strukturierungshilfe für ihren Hochschulalltag. 

Lösung

Um Studierenden auch außerhalb der Hochschule eine aktive Teilnahme an der Vorlesung – inklusive der Gelegenheit, Fragen zu stellen – zu ermöglichen, erweist sich eine Kombination von digitalen und physischen Elementen in einer hybriden Streaming-Vorlesung als sinnvoll. Studierende können entweder vor Ort im Hörsaal teilnehmen oder sich per Videokonferenzsystem von einem beliebigen Ort aus zuschalten. Die Lehrperson befindet sich mit einem Teil der Studierenden in der Hochschule und bietet eine hybride Streaming-Vorlesung an, bei der Bild und Ton der Lehrperson mit den online zugeschalteten Studierenden mittels eines Videokonferenztools geteilt werden. Dabei werden Präsentation, Skizzen, Mitschriften oder Ähnliches im Videokonferenztool per Bildschirmfreigabe zugänglich gemacht. Gleichzeitig wird das Bildschirmbild per Beamer oder großem Monitor vor Ort in der Hochschule geteilt.

Online zugeschaltete Studierende erhalten die Möglichkeit, ihre Fragen schriftlich in einem Chat zu stellen, der von allen Studierenden sowie der Lehrperson gelesen werden kann. Die Lehrperson oder eine unterstützende Hilfskraft liest diese Fragen vor und beantwortet sie für alle Studierenden. In der Hochschule anwesende Studierende können ihre Fragen ebenfalls im Chat stellen oder mündlich in der Vorlesung, wobei im zweiten Fall die Frage gut verständlich von der Lehrperson für die online zugeschalteten Studierenden wiederholt werden sollte. 

Für die hybride Streaming-Vorlesung steht der Lehrperson idealerweise ein technisch entsprechend ausgestatteter Vorlesungssaal zur Verfügung. 

Details

Digitale Ausstattung vorbereiten:

  • Bild- und Tontechnik sollten im Vorfeld getestet werden und von der Lehrperson während der Veranstaltung problemlos bedient werden können.
  • Materialien zur Vorlesung sollten sowohl für die Studierenden vor Ort als auch für die online teilnehmenden Studierenden digital zur Verfügung stehen, beispielsweise über ein Lernmanagementsystem wie etwa ILIAS.
  • Die Studierenden müssen vorab informiert werden, welche digitale Ausstattung (z. B. Laptop oder Smartphone für die Nutzung des Chats) sie für eine Teilnahme vor Ort (bring your own device) oder von außerhalb des Campus benötigen.
  • Tools wie Audience-Response-Systeme, kollaborative Whiteboards oder Ähnliches sollten im Vorfeld durch die Lehrperson ausgewählt und getestet werden. 

Streaming-Vorlesung umsetzen:

  • Bild und Tonübertragung der Lehrperson müssen immer deutlich für alle Beteiligten zu sehen und zu verstehen sein.
  • In der ersten Sitzung sollten didaktische Methoden und Verhaltensregeln sowie häufig verwendete Tools, wie beispielsweise Audience-Response-Systeme, eingeführt werden.
  • Alle notwendigen Informationen, wie (Prüfungs-)Termine oder (Prüfungs-)Richtlinien, müssen grundsätzlich an zentraler Stelle digital dokumentiert werden, damit alle Studierenden jederzeit Zugriff darauf haben. Dies kann ein Lernmanagementsystem (z. B. ILIAS) ermöglichen.
  • Neben dem Streaming der Vorlesung kann zusätzlich eine Videoaufzeichnung angeboten werden, sodass alle Inhalte und Informationen nachgeschaut werden können.

Fragen stellen / Anmerkungen teilen:

  • Im Hörsaal anwesende Studierende und online zugeschaltete Studierende sollten gleichermaßen Fragen stellen und Anmerkungen teilen können.
  • Fragen zur Vorlesung können per Chat gestellt werden. Diese Fragen müssen für alle lesbar sein. Die Lehrperson sollte die Fragen vorlesen und beantworten.
    • Alternative 1: Auch Hilfskräfte können die Fragen vorlesen, sodass sie sowohl von den Studierenden im Hörsaal als auch von den online zugeschalteten Studierenden gehört werden.
    • Alternative 2: Die Lehrperson kann mit Hilfe einer interaktiven Präsentation (z. B. Mentimeter, Slido, Google Slides, etc.) direkt Präsentationsseiten für Fragen zur Verfügung stellen. Die Studierenden können ihre Fragen für alle sichtbar per eigenem Endgerät eingeben. Die Lehrperson kann diese Fragen vorlesen und beantworten.
  • Sollten Studierende vor Ort mündlich Fragen stellen, sollte die Lehrperson diese wiederholen, sodass sie auch für die online zugeschalteten Studierenden verständlich sind.

Stolpersteine

  • Technische Ausstattung vor Ort: Die Umsetzung steht und fällt mit der vorhandenen Technik. Es sollte im Vorfeld genau analysiert werden, welche technischen Hilfsmittel notwendig sind und wie sich diese kombinieren lassen. Um Kosten und individuellen Aufwand zu minimieren, können hochschulweite Lösungen zur Verfügung gestellt werden – beispielsweise ein Hybrider Seminarraum  oder eine Mobile Videokonferenzanlage.
  • Technische Vorbereitung: Für hybride Streaming-Vorlesungen muss gegebenenfalls neue Technik beschafft und in die bestehende Ausstattung integriert werden. Der Umgang mit der neuen Technik kann zunächst herausfordernd sein. Die Lehrpersonen sollten sich mithilfe eines Probelaufs auf die neue Technik und deren Funktionsweise vorbereiten, sodass Probleme im Vorfeld ersichtlich werden und nicht plötzlich während einer Veranstaltung auftreten.
  • Ausstattung der Studierenden: Die Studierenden benötigen bei einer Online-Teilnahme eine funktionierende Ausstattung. Darüber sollte die Lehrperson vorab informieren. Außerdem sollte geprüft werden, ob die Hochschule in Einzelfällen auch Ausstattung verleihen kann.
  • Mental Load: Die Lehrperson muss mit einem hohen didaktischen Aufwand rechnen, um Studierende vor Ort und Online-Studierende gleichwertig zu behandeln. Studentische Hilfskräfte können hier gezielt zur Unterstützung eingesetzt werden, beispielweise bei der Moderation von Fragen.

Vorteile

  • Interaktionsmöglichkeiten: Die direkten Interaktionsmöglichkeiten einer Präsenz-Vorlesung und der Rückkanal für Fragen und Anmerkungen bleiben im hybriden Streaming-Format erhalten. 
  • Bedürfnisorientiert Lernen: Die hybride Streaming-Vorlesung bietet den Studierenden ein hohes Maß an Flexibilität und gleichzeitig kann der Wunsch nach sozialer Interaktion, Gemeinschaft und Strukturierung des Studienalltags berücksichtigt werden.
  • Inklusion: Die hybride Streaming-Vorlesung kann Inklusion an der Hochschule unterstützen, indem einer größeren Zahl an Studierenden unabhängig von ihren persönlichen Lebensumständen oder ihrem Aufenthaltsort eine Teilnahme ermöglicht wird. Die Digitalisierung von Lernkontexten kann auf diese Weise die Inklusion fördern (König & Elsner, 2020).
  • Internationalisierung: Im Sinne der Globalisierung sollten auch internationale Blickwinkel auf Lerninhalte beleuchtet werden. Interkultureller und interdisziplinärer Austausch kann durch ein hybrides Format gefördert werden, beispielsweise durch das Zuschalten von internationalen Expertinnen und Experten. Auch internationalen Studierenden kann so die Teilnahme an Vorlesungen ermöglicht werden. Virtuelle und hybride Mobilität stellt somit eine Internationalisierungsmöglichkeit dar (Kiesler et al., 2021; Aldaghamin et al., 2021).
  • Vernetzung: Hochschulen können durch hybride Vorlesungen in Kooperation mit anderen Hochschulen ihr Angebotsspektrum erweitern und gleichzeitig einen fachlichen Austausch zwischen Studierenden unterschiedlicher Hochschulen fördern.
  • Employability: Die hybride Streaming-Vorlesung bietet die Möglichkeit, Studierende auf die digitale Arbeitswelt vorzubereiten und ihnen wichtige digitale Kompetenzen, wie sie beispielsweise im Europäischen Referenzrahmen für digitale Kompetenzen genannt werden (DigComp), zu vermitteln. Digitale und hybride Arbeitsweisen spielen im Erwerbserleben eine immer wichtigere Rolle (Mierich, 2020; Hirsch-Kreinsen, 2019), weshalb es notwendig ist, dafür bestimmte Kompetenzen zu erwerben (Kluzer, Centeno & O´Keeffe, 2020).

Nachteile

  • Die Hochschule muss einmalig die Kosten für die Anschaffung der technischen Ausstattung aufbringen und die fortlaufende Wartung sicherstellen.
  • Da die Teilnahme von zuhause (oder ggf. anderen Orten) aus für die Studierenden mit einem geringeren Aufwand verbunden ist, finden sich möglicherweise nur noch wenige Personen im Vorlesungsraum ein, sodass sich die Veranstaltung unter Umständen eher in Richtung einer rein digitalen Vorlesung entwickeln könnte.
  • Die soziale Einbindung der online zugeschalteten Studierenden kann u. a. aufgrund räumlicher Distanz und technischer Herausforderungen schwieriger als in einer reinen Präsenz-Veranstaltung oder auch einer reinen Online-Veranstaltung sein. 

Werkzeuge

Technische Ausstattung im Hörsaal:

  • Beamer/großer Bildschirm
  • LAN-Anschluss
  • weiterer Bildschirm am Redepult/Sitzplatz für die Lehrperson
  • Steckdosenanschlüsse
  • Visualizer (z. B. Tablet)

Technische Ausstattung der Lehrperson:

  • Laptop
  • hochauflösende Webcam 
  • Adapter oder USB-Hub (z. B. zum Anschließen von LAN-Kabel, Beamer/Bildschirm, PC-Maus, Webcam)
  • portables Mikrofon
  • bei Bedarf: PC-Maus

Technische Ausstattung der vor Ort im Hörsaal teilnehmenden Studierenden:

  • Endgerät mit Zugriff auf WLAN, Browser und Chat

Technische Ausstattung der online teilnehmenden Studierenden:

  • Laptop mit funktionsfähigen Tonausgang
  • stabile Internetverbindung
  • bei Bedarf: Kopfhörer

Tools für die Interaktion:

  • Videokonferenzsystem 
  • Lernmanagementsystem zur Datenablage, für Übungen, Aufgabenabgaben, Selbsttests, E-Assessment usw.
  • Präsentationssoftware 
  • ggf. interaktive Präsentations-Tools (z. B. Mentimeter)

Beispiele

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) unterstützt auf seinem Campus ein hybrides Vorlesungsszenario mit Präsentation und Visualizer. Auf den Seiten des Zentrums für Mediales Lernen wird das Szenario ausführlich beschrieben und durch konkrete Anleitungen ergänzt.

Die Universität Bonn ermöglicht ihren Lehrenden die Durchführung hybrider Vorlesungen mit Livestream und Aufzeichnung (PDF). Dafür wurden Informationen zu methodisch-didaktischen Fragen, zur technischen Dimension, zur Aufzeichnung, zum Datenschutz und zum Urheberrecht in einer Anleitung zusammengestellt.

Die Universität Leipzig bietet ein Handout für die Durchführung hybrider Lehrveranstaltungen (PDF), das sich mit technischen, didaktischen sowie datenschutzrechtlichen Aspekten auseinandersetzt.

Die Universität Halle-Wittenberg stellt ebenfalls eine Handreichung für die Durchführung hybrider Lehrveranstaltungen zur Verfügung. Hier finden sich Hinweise zu unterschiedlichen didaktischen Szenarien, der erforderlichen technischen Ausstattung und organisatorischen Aspekten.