Förderung von Videolehre: „Die beste Methode ist der Dialog“

08.12.2015: Das Lernen mit Videos kann aktivieren und für eine Verbindung zwischen Selbst- und Präsenzstudium sorgen. Was es bei der Umsetzung zu beachten gibt und wie man neue Lehrende für die Methode gewinnt, darüber berichtete uns Michael Canz vom Informationszentrum der Hochschule Offenburg im Telefoninterview.

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Im Interview: Diplom-Pädagoge Michael Canz von der Hochschule Offenburg

Michael Canz studierte Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt „Berufliche Weiterbildung“ an der PH Freiburg. Ab 2004 war er als freiberuflicher Lernberater und Schulbegleiter in Kooperation mit Jugendämtern aktiv. Seit 2008 ist er akademischer Angestellter an der Hochschule Offenburg. Seine Tätigkeitsschwerpunkte umfassen die Konzeptionierung und Durchführung von Weiterbildungsveranstaltungen für Lehrende und Studierende sowohl im Präsenz- als auch im Onlinebereich, die hochschuldidaktische Prozessberatung von Lehrenden, deren Begleitung bei der Konzeption und Umsetzung von Lehrinnovationen, die Erforschung von Lehrinnovationsprojekten sowie der Ausbau von Programmen zur Unterstützung der Kompetenzentwicklung von Studierenden in der Übergangsphase an die Hochschule.

Zur Audio-Version des Interviews im e-teaching.org-Podcast


Das Interview in voller Länge:

Herr Michael Canz, angenommen ich bin ein Lehrender, der Videos in seinen Seminaren oder Vorlesungen einsetzen möchte. Was für Unterstützungsangebote bietet mir die Hochschule Offenburg?

Michael Canz: Wir bieten vielfältige Unterstützungsmöglichkeiten. Wir können entweder selbständig Videos produzieren, immer im Dialog und in Absprache mit den Lehrenden. Wir können das aber auch im Auftrag übernehmen, wenn ein Lehrender sagt, er hätte gerne zu diesem oder jenem Themengebiet ein Video. Das kann ein reales Video sein, das kann aber auch eine Animation sein und die setzen wir dann um, sodass er oder sie sie dann in seinen oder ihren Vorlesungen und Lehrveranstaltungen einsetzen kann.

Welche Formate werden bei Ihnen produziert?

Canz: Wir haben angefangen mit klassischen Vorlesungsaufzeichnungen und sind dann dazu übergegangen kleinere Podcasts zu erstellen, zum Teil auch zusammen mit Studierenden, die tutoriellen Charakter hatten. Animation hatte ich ja schon erwähnt. Diese ganze Bandbreite bieten wir an.

Wo drehen Sie dann mit den Lehrenden? Ist das auch außerhalb der Universität oder der Hörsäle?

Canz: Ja, prinzipiell ist das möglich. Wir hatten beispielsweise mit einem Professor seine ehemalige Firma aufgesucht, um einen gewissen Praxisbezug herzustellen,  und da wiederum mit ehemaligen Kollegen Interviews geführt. Dazu sind wir in die Nähe von Frankfurt gefahren. Das ist aber eher selten, weil der Aufwand eben relativ hoch ist. Meistens kommen wir zu den Lehrenden in ihre Lehrveranstaltungen, oder wir finden einen Platz hier an der Hochschule, um die Videos zu drehen.

Um das mal ein bisschen einordnen zu können: Wie viele Videos produzieren Sie oder wie viele Mitarbeiter arbeiten bei Ihnen?

Canz: Ich mache das zusammen mit einer Kollegin. Sie ist eher für das technische Prozedere zuständig, also für die Nachbereitung des aufgenommenen Videorohmaterials, und wir kümmern uns zusammen um die Konzeption und dann auch um die Umsetzung der verschiedenen Formate.

Was bieten Sie den Lehrenden im Bereich Schnitt und Postproduktion an?

Canz: Der Schnitt wird meistens komplett übernommen. Da gibt es lediglich einen Lehrenden, der mittlerweile einen sehr umfangreichen YouTube-Kanal im Bereich Statistik erstellt hat, der vom Dreh über die Nachbereitung alles selbst macht. Das ist aber die Ausnahme. Wir machen prinzipiell den gesamten Schnitt. Wir erstellen zusätzliche Trailer, machen Beschriftungen innerhalb der Videos und stellen zusätzliche Materialien zur Verfügung. Diese ganzen Aufgaben übernehmen wir komplett im Informationszentrum.

Kann ich meine Videos dann auch in Kapitel unterteilen oder annotieren lassen?

Canz: Ja, Kapitelunterteilungen haben wir gemacht, weil wir gemerkt hatten, dass die Studenten uns rückgemeldet hatten, dass dieser „Berg“ von anderthalb Stunden Videos schlecht zu unterteilen ist. Dann haben wir angefangen sie in Kapitel zu unterteilen, was sehr gut ankam. Wir haben auch in Moodle ein eigenes Format entwickelt, oder besser gesagt ein Plug-In, das Videos in Galerien anzeigt, wo sie dann über ein Editorfeld mit zusätzlichen Hinweisen ausgestattet werden können. Meine Idee ist es, dies weiterzuentwickeln, damit Studierende Anmerkungen direkt in die Videos schreiben können, so dass es eben eine integrative Lösung darstellt. Man könnte sich natürlich vorstellen, dass die Studierenden mit einem Blatt vor den Videos sitzen und sich darauf Notizen machen, aber das Blatt kann verschwinden oder man weiß beim nächsten Mal nicht mehr, wo sich das Blatt befindet. Die Möglichkeit, direkt in den Videos Anmerkungen zu erstellen, finde ich besser, da sie integrativer ist.

Wie wichtig ist Ihrer Ansicht nach die Bildqualität beim Lernen mit Videos?

Canz: Die Bildqualität ist mit Sicherheit von entscheidender Bedeutung. Wenn Sie beispielsweise Tafelaufschriebe abfilmen, dann muss das in einer relativen hohen Auflösung passieren. Was aber aus meiner oder aus unserer Erfahrung  viel wesentlicher ist, ist die Qualität des Tons. Mir scheint, dass dieser Sinneskanal noch sensibler ist als der visuelle Eindruck. Wenn es über das Mikrofon Störgeräusche gibt, dann ist das annähernd unerträglich. Sie haben vielleicht auch schon dieselbe Erfahrung gemacht. Das ist ein relativ wichtiger Hinweis aus unserer Sicht.

Wie werden die Videos dann an die Studierenden verbreitet, sowohl lokal bei Ihnen an der Hochschule oder auch weltweit?

Canz: Wir haben in Kooperation mit der Uni Freiburg und der Hochschule Furtwangen eine Mediathek entwickelt, die dafür sorgt, dass die Videos über die Lernplattform Moodle an die Studierenden verbreitet werden, weil es für die Lehrenden doch meistens sehr wichtig ist, dass es nur einen eingeschränkten Nutzerkreis gibt, der auf die Videos Zugriff hat. Sie möchten auf keinen Fall, dass die Videos in irgendeiner Form im Netz kursieren, weil es ja auch quasi ein Einblick in „private“ Umstände ist. Das ist für die allermeisten Lehrenden eine Bedingung, um überhaupt Vorlesungen aufzuzeichnen oder Videos zu produzieren.

Und was erhoffen sich die Lehrenden von den Videos?

Canz: Die allermeisten erhoffen sich, dass die Lernenden dadurch aktiviert werden, sich stärker mit den Inhalten auseinanderzusetzen. Videos sind aus meiner Sicht auch eine gute Methode, um die Präsenzstudienphasen und die Selbststudienphasen miteinander zu verbinden. Man hat die Möglichkeit beispielsweise in einer Vorlesungsaufzeichnung die Vorlesung anzuhalten und nochmal näher darauf einzugehen. „Habe ich da etwas verstanden? Was habe ich eventuell nicht verstanden?“ Man kann noch einmal zurückspulen. Man kann beispielsweise über ein Forum innerhalb der Lehrveranstaltung mit dem Lehrenden oder mit den Mitstudenten Kontakt aufnehmen und posten: „Ich hab dieses oder jenes immer noch nicht verstanden. Kannst du dir vielleicht nochmal das Video angucken und mir Hinweise geben, wie ich da zur Lösung komme?“ Diese ganzen Vorgehensweisen werden durch Video erleichtert und sollen zum Ziel haben, dass sich die Studierenden intensiver mit den Inhalten auseinandersetzen.

Jetzt ist es aber so, dass Sie nicht nur für die Lehrenden produzieren, sondern sie auch weiterbilden, damit sie selbst auch Videos machen können. Welche Weiterqualifizierung bieten Sie in dem Bereich an?

Canz: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die beste Methode der Dialog ist. Wir sprechen seit 2009 die Lehrenden, die neu berufen sind, am Anfang des ersten Semesters an und weisen sie darauf hin, dass es verschiedene Unterstützungsangebote im Informationszentrum gibt. Das wird sehr gut angenommen. Prinzipiell sind alle Videos in der Nachfolge dieses Erstkontaktes entstanden. Die Lehrenden nehmen es als sehr positiv wahr, dass es dieses Angebot durch das Informationszentrum gibt. Diese weitere Beschäftigung beispielsweise mit der Methode Video wird aus meiner Sicht am allerbesten in dialogischer Form umgesetzt.

Was lässt sich dann auch als blutiger Anfänger mit wenig Aufwand umsetzen?

Canz: Relativ unaufwändig sind beispielsweise Screen-Recordings. Wir haben zwei Neubauten hier an der Hochschule, die alle mit Smartboards ausgestattet sind. Und da ist es relativ einfach Vorträge oder Lehrveranstaltungen, die auf Folienbasis ablaufen, mitzuschneiden. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es nicht notwendig ist, irgendwo klein das Bild des Dozenten im Video zu haben, sondern das eher ablenkt, weil die Studierenden hier den Dozenten ja kennen. Das ist anders als bei MOOCs, wo man diesen inhaltlichen Anker, dass ein Professor dauerhaft im Bild zu sehen ist, vielleicht braucht. Aber hier ist es relativ einfach mit Hilfe dieser Hardware, aber auch der zugehörigen Software, die die Lehrenden problemlos auf ihren Rechnern installieren können, diese Sachen mitzuschneiden und dann den Studenten zur Verfügung zu stellen, um beispielsweise Formate wie Inverted Classroom, was hier verschiedene Lehrenden schon ausprobiert haben, einfach mit dem Videomaterial zu unterstützen.

Wie gehen Sie vor, um neue Lehrende für den Videoeinsatz zu motivieren?

Canz: Wir haben diesen Erstkontakt ganz am Anfang der Lehrtätigkeit und daraus entwickelt sich im Prinzip jeder weitere Kontakt. Zum Teil sprechen Lehrende uns an und sagen, „Wir möchten etwas im Videobereich machen, was haben wir denn da für Möglichkeiten?“, dann erklären wir sie ihnen. Es gibt aber auch die andere Vorgehensweise, dass wir Lehrende direkt ansprechen, wenn wir irgendwelche Ideen haben. Wir suchen uns dann die „passenden“ Lehrenden, von denen wir ohnehin wissen, dass sie in diesem Bereich aufgeschlossen sind.

Was ist beim Erstkontakt am günstigsten? Eine E-Mail schreiben, anrufen oder sogar beim Büro vorbeigehen?

Canz: Genau, das letztere. Ich habe bislang bis auf einen Kontakt nie schlechte Erfahrungen gemacht. Aber sonst habe ich den Eindruck, dass die Lehrenden bei uns an der Hochschule sehr aufgeschlossen sind. Und tatsächlich ist der persönliche Kontakt und im Büro vorbeizugehen aus meiner Sicht das erfolgversprechendste.

Das Interview führte e-teaching.org-Redakteur Philip Meyer am 3. Dezember 2015.