Die Stiftung Innovation in der Hochschullehre: Kleine Impulse fördern, große Wirkung ermöglichen
21.07.2021: Mit Beginn des Jahres 2021 hat die Stiftung Innovation in der Hochschullehre offiziell ihre Arbeit aufgenommen. Bereits ab August 2021 werden mit dem ersten Förderprogramm „Hochschullehre durch Digitalisierung stärken“ zahlreiche Projekte einzelner Hochschulen sowie von Hochschulverbünden gefördert, um Innovation in Studium und Lehre zu stärken. Im e‑teaching.org-Interview haben wir die Vorstandsmitglieder Dr. Cornelia Raue und Dr. Antje Mansbrügge u.a. nach dem Selbstverständnis und den Zielen der Stiftung gefragt.
Im Interview geben Dr. Cornelia Raue, geschäftsführende Vorständin, und Dr. Antje Mansbrügge, Vorständin Innovation, einen Einblick in die Arbeit der Stiftung Innovation in der Hochschullehre. Sie erläutern, mit welchen Maßnahmen die Stiftung in den kommenden Jahren ihre Ziele erreichen möchte und berichten von ihren Erfahrungen mit der ersten Förderbekanntmachung.
Die erste Förderbekanntmachung „Hochschullehre durch Digitalisierung stärken“ ist auch das Thema eines weiteren Interviews auf e-teaching.org. Komplementär zum nachfolgenden Interview mit Cornelia Raue und Antje Mansbrügge haben wir in einem Audio-Interview mit Prof. Dr. Ulrike Cress, der Direktorin des Leibniz-Instituts für Wissensmedien in Tübingen, gesprochen. Sie war als Mitglied des Auswahlgremiums an der Bewertung und der Auswahl der Projektvorhaben für die erste Förderung der Stiftung Innovation in der Hochschulehre beteiligt und schildert im e-teaching.org-Podcast, welche Erkenntnisse sie bei der Projektbegutachtung und -auswahl gewonnen hat.
Interview
Die Stiftung Innovation in der Hochschullehre hat offiziell im Januar 2021 ihre Arbeit mit dem Ziel begonnen, Innovationen in Studium und Lehre zu fördern, Akteure zu vernetzen und den Wissenstransfer zu unterstützen. Mit welchen Maßnahmen möchten Sie diese Ziele erreichen?
Cornelia Raue: Der Fokus unserer Maßnahmen liegt auf der Förderung von qualitätsverbessernden und innovativen Projekten in der Hochschullehre. Dieser Schwerpunkt wurde bereits in der Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern vom 6. Juni 2019 festgelegt, d.h. in diesem Bereich werden wir den Großteil der Mittel vergeben. Unser Ziel ist es, die Hochschulen dabei zu unterstützen, Lehre und Lernen so weiterzuentwickeln, dass die Studierenden fähig sind, mit ihrem Wissen, ihren Kompetenzen und ihrer kritischen Urteilskraft unser aller Zukunft verantwortlich mitzugestalten. Dabei sind sowohl die Förderung kleinerer Formate angedacht als auch große Ausschreibungen wie unsere erste Förderbekanntmachung vom November 2020. Wir möchten unterschiedliche Ebenen und Akteure der Hochschulen adressieren. Es ist uns wichtig, eine Förderstruktur aufzubauen, die so flexibel ist, dass sie neben Projekten, welche strukturelle Impulse setzen und auf langfristige Veränderung abzielen, auch Personen und Gruppen unterstützt, die aktuelle Themen aufgreifen und mit origineller, innovativer Herangehensweise nach Lösungen suchen. Darüber hinaus werden wir Raum geben für Experimente, die auch einmal scheitern können.
Unser Auftrag ist die strategisch strukturelle Stärkung der Hochschulen in Studium und Lehre, die Förderung zu aktuellen und themenbezogenen Herausforderungen sowie die themenoffene Erprobung neuer Ideen – flankiert, verbreitet und verstärkt durch die Förderbereiche Austausch & Vernetzung und Wissenstransfer. Mit diesem in die Stiftungsarchitektur eingeschriebenen Vernetzungsansatz sind wir anders aufgestellt als andere Förderorganisationen. Der Anspruch ist: kleine Impulse fördern, große Wirkung ermöglichen. In dieser Hinsicht sind wir selbst Experiment und eine lernende Organisation.
Antje Mansbrügge: Bei unseren Angeboten im Bereich Austausch & Vernetzung sowie im Wissenstransfer ist es uns wichtig, dass alle Beteiligten mit ihren unterschiedlichen Perspektiven vom Austausch profitieren. Sie sollen lernen und ihre Ideen und Projekte weiterentwickeln können. Auch mal etwas von anderer Stelle abzugucken, Bewährtes zu übernehmen oder auf die eigenen Bedarfe anzupassen soll möglich sein. Die Hochschullehre ist zumeist eine kollaborative Angelegenheit. Auf das Lernen kommt es an. Wir wollen eine Bühne bieten, auf der Innovationen sichtbar werden, auf der darüber gesprochen wird, was warum funktioniert oder aber, was nicht gut geklappt hat – denn auch daran lässt sich vieles lernen. Transfer ist im Detail meist komplex und braucht eine ordentliche Begleitung und Ausstattung. Grundsätzlich ist es uns wichtig, dass Reputation und Bedeutung der Lehre für den akademischen Karriereweg steigen.
Mit Ihrer allerersten Förderbekanntmachung haben Sie sich ganz gezielt auf die Digitalisierung der Hochschullehre fokussiert. Welches Innovationspotential bietet gerade die Digitalisierung für Lehre und Studium?
Cornelia Raue: Mit der Förderbekanntmachung „Hochschullehre durch Digitalisierung stärken“ haben wir auf die durch die Pandemie erzeugten aktuellen Herausforderungen und Bedarfe im Bereich des digitalen Lehrens und Lernens reagiert. Das Potential der Digitalisierung besteht nicht zuletzt darin, Lehre und Lernen einmal mehr einer kritischen Reflexion zu unterziehen: Lernen ist soziale Praxis. Auch ein Präsenzstudium löst dies nicht selbstverständlich ein. Der sozio-ökonomische Kontext des Studierens erfordert zunehmend ein von Ort und Zeit unabhängiges Lernen; die Voraussetzungen und Bedarfe einer immer diverser werdenden Studierendenschaft erfordern individuellere Passung. Digitalisierung ist dabei eine Chance – keine Garantie –, auf diese Bedingungen einzugehen.
Ein erster Blick auf die von uns geförderten Projekte zeigt dann auch entsprechend, dass Interaktion, kollaboratives Arbeiten, Selbstorganisation der Studierenden und die Herstellung der technischen Voraussetzungen die Maßnahmen der Stunde sind, mit denen die Hochschulen Digitalisierung als Chance für Lehre und Lernen nutzen wollen.
Und um welche Themen soll es bei der Stiftung sonst noch gehen?
Cornelia Raue: Die Programmstruktur einschließlich der anstehenden konkreten Ausschreibungen für die nächsten Jahre erarbeiten wir gerade im Dialog mit unseren Gremien. Darin fließen auch Anregungen ein, die wir aus den Hochschulen, beispielsweise im Rahmen unserer Think Tanks, erhalten. Später werden wir Vorschläge aufgreifen, die aus der Zusammenarbeit mit den geförderten Projekten entstehen. Nicht zuletzt werden sich in unseren Ausschreibungen die großen Themen unserer Zeit – Nachhaltigkeit, Chancengerechtigkeit und Demokratiefähigkeit – als roter Faden wiederfinden.
Insgesamt wurden in Bezug auf die Förderbekanntmachung 264 Projektvorhaben eingereicht, wovon 139 als förderwürdig eingestuft wurden. Lässt sich anhand der Vorhaben ablesen, in welchen Bereichen die Hochschulen in Deutschland derzeit besonderes Innovationspotential durch digitale Medien sehen? Gibt es Themen, die besonders häufig genannt wurden? Und was zeichnet hier die förderwürdigen Projektvorhaben aus?
Cornelia Raue: Innovation ist ein Prozess. Die Anträge haben gezeigt, dass sich die Hochschulen bei der Umstellung auf digitales Lehren und Lernen in sehr unterschiedlichen Stadien befinden. Was an einer Hochschule schon längst Alltagspraxis ist (z.B. digitale Vorlesungen), ist an einem anderen Ort eine Errungenschaft. Auch darf man nicht vergessen, wie sehr Innovation von vorhandenen Bedingungen abhängt – Die beste Idee zu digitalen Formaten kann ohne technische Infrastruktur nicht umgesetzt werden. Daher wurden die Innovationsprojekte in Bezug auf ihren lokalen Kontext bewertet.
Einige Tendenzen sind jedoch bei allen Hochschultypen in Deutschland festzustellen. Ein großes Thema sind virtuell umsetzbare Prüfungsformate. In den neuen open-book-Prüfungen ist nunmehr realisiert, dass Studierende nicht alles auswendig gelernt haben müssen. Wichtiger ist die Kompetenz, Wissenselemente und Antworten online und offline finden zu können. Diese Fähigkeit wird bei den neuen Prüfungsformaten mitgemessen und fließt in die Prüfungsleistung mit ein. Ein weiterer Themenschwerpunkt ist Kooperation und Interaktion, d.h. die zwischenmenschliche Ebene, die im Fall von physischer Präsenz viel selbstverständlicher gegeben ist und nun im virtuellen Raum hergestellt werden muss. Hier braucht es nicht nur besonders viel Innovationskraft, sondern auch spezielle Kompetenzen und technisches Können der Lehrenden, damit sie Studierende auch durch Bildschirme ansprechen und motivieren können. Viele Projektanträge beinhalten daher Weiterbildungsangebote für Hochschullehrende.
Die meisten Hochschulen evaluieren die – in der Pandemie entwickelten – Ad-hoc-Lösungen im virtuellen Raum systematisch und streben an, diese durch unsere Projektförderung weiterzuentwickeln und zu verankern. Die Hochschulen sind Akteure der Digitalisierung und gestalten diese, orientiert am Bedarf des Studierens, aktiv mit.
Zwischen Fördermittelgebern und den geförderten Projekten an Hochschulen besteht oftmals ein deutlich hierarchisch geprägtes Verhältnis, Projektanträge und Vergabeverfahren werden teilweise als kompliziert und wenig durchschaubar wahrgenommen. Die Stiftung Innovation in der Hochschullehre wurde im Rahmen der ersten Förderausschreibung – u.a. von Antragstellern aus den Hochschulen – insbesondere für ihre Transparenz gelobt. Was ist Ihnen als Fördermittelgeber hier besonders wichtig?
Cornelia Raue: Wir verstehen uns als Förderer und Ermöglicher und wir haben den Anspruch zu unterstützen. In einem wissenschaftsgeleiteten Auswahlverfahren vergeben wir Steuermittel und sind damit an die Bundeshaushaltsordnung gebunden. Das sind der Raum und die Grenzen, in denen wir uns bewegen. Unsere Verfahren und Entscheidungen sollen nachvollziehbar sein. Vergabeordnung und Wissenschaftszeitvertragsgesetz gelten auch für die von uns geförderten Projekte – unabhängig vom Projektträger –, da es öffentliche Mittel sind, die verwendet werden.
Sie kommen als neue Stiftung in ein Umfeld, in dem es schon viele Player gibt: die einzelnen Hochschulen, die Initiativen auf Ebenen der Bundesländer und z.B. auch e-teaching.org oder das Hochschulforum Digitalisierung. Wie kann man Hochschullehre verändern, wenn es so viele Beteiligte gibt, die alle eine eigene Perspektive mitbringen? Wo wollen Sie hin und wie sehen Sie Ihre Aufgabe in diesem Gesamtkontext?
Antje Mansbrügge: Das ist doch das Schöne und Wichtige daran, dass es unterschiedlichste Perspektiven auf Lehren und Lernen gibt: Dass alle Beteiligten sich darin fordern, fördern und entwickeln können, Thesen haben, Praxis testen, in den Austausch gehen, besser werden. Wissenschaft eben! Verändern wird sich Hochschullehre in der Breite nur durch gemeinsames Handeln, sowohl im Wettstreit als auch im Miteinander, sowohl durch dezentrale wie auch durch zentrale Aktivitäten. Der Beitrag der Stiftung Innovation in der Hochschullehre ist es, einen dauerhaften Ort für Förderung, Austausch und Wissenstransfer zu bieten. Uns ist sehr bewusst, dass wir in ein bestehendes Feld von vielen unterschiedlichen Akteuren, Netzwerken und Institutionen treten, dass es vielfältige Interessenlagen gibt. Von Bund und den Ländern gleichermaßen initiiert, steht unsere Institution inmitten dieses Feldes. Wir sehen darin eine große Chance, weil wir als Stiftung Impulse aufnehmen und Impulse setzen können, weil wir Brücken bilden, vermitteln und verbinden können.
Mit der ersten Förderbekanntmachung, aber auch der Durchführung mehrerer Think Tanks, haben Sie die ersten Schritte als Stiftung gemacht. Welche Erkenntnisse haben Sie dabei gewonnen?
Antje Mansbrügge: In den Think Tanks ist uns viel Interesse und Vertrauen begegnet und natürlich enorme Expertise, konkrete Ideen sowie der Wunsch mitzureden und mitzugestalten. Es gibt einen echten Bedarf nach Austausch und nach gemeinsamem Entwickeln. Wir haben zahlreiche Anregungen mitgenommen. Aus den Think Tanks in der Aufbauphase 2020 konnten wir einiges direkt in unserem Aufbau und bei der Entwicklung der ersten Ausschreibung und unseren Förderabläufen in die Umsetzung bringen.
Was sind die Pläne der Stiftung Innovation in der Hochschullehre für die kommenden Monate und worauf freuen Sie sich besonders?
Antje Mansbrügge: Ehrlich gesagt freue mich besonders auf persönliche Begegnungen. Nicht nur mit unserem hervorragenden Team, welches in kürzester Zeit von 2 auf 20 gewachsen ist und noch nie in Präsenz beisammen sein konnte, sondern auch auf die persönlichen Begegnungen da draußen!
Cornelia Raue: Ich freu mich tatsächlich auf die nächsten Ausschreibungen, weil sich erst in der Gesamtschau das Profil der Stiftung entfalten kann.
Dann wünschen wir Ihnen für die Zukunft viel Erfolg und bedanken uns für das Interview!