„Was macht Lernen mit digitalen Medien erfolgreich?“: Rückblick auf das Themenspecial
Gabriele Irle fasst zusammen, was als Quintessenz des umfangreichen Themenspecials bleibt.
In Kooperation mit dem BMBF-Projekt Digital Learning Map – Erfolgsfaktoren und Vernetzungsstrategien für digitale Hochschulbildung beschäftigte sich e-teaching.org von Oktober 2017 bis März 2018 in einem Themenspecial mit der Frage Was macht Lernen mit digitalen Medien erfolgreich?
Ursprung der Themenwahl war der Eindruck, dass häufig – zu häufig – viel Herzblut und Argumentationskraft in die Diskussion darüber fließt, ob digitale Medien in der Bildung hilfreich sind oder nicht. Deutlich weniger Energie wird, so die Wahrnehmung, der Frage gewidmet, wie man Medien dort gut und lernwirksam einsetzen kann. Nur durch die Beantwortung letzterer Frage allerdings, kann man zu sinnvollem, hilfreichen, kreativen Einsatz von digitalen Medien innerhalb der Lehre an Hochschulen gelangen.
Eine erschöpfende Antwort auf die Titelfrage zu geben ist nicht möglich. Ziel des Themenspecials war es, zahlreiche Praxisbeispiele zu präsentieren, die unterschiedliche Erfolgsfaktoren in den Blick nehmen und zeigen, wie die konkrete Umsetzung in der Hochschullehre aussehen kann. Das Themenspecial bot sechs Online-Veranstaltungen, die von durchschnittlich 80 Teilnehmenden besucht wurden, und präsentierte darüber hinaus insgesamt sieben Beiträge, die e-teaching.org zu dem Thema erreichten. In Events, Texten, Podcast-Folgen und einem Videointerview berichteten Lehrende aus ganz Deutschland, wie sie soziale, kognitive oder motivationale Erfolgsfaktoren nutzen, damit es bei den Studierenden „Klick!“ macht.
Motivation als Erfolgsfaktor des Lernens mit digitalen Medien
Motivation, so wurde im entsprechenden Online-Event argumentiert, ist mehr als nur ein Mittel zum größeren Lernerfolg, sondern ein Lernziel an sich. Nur durch Motivation können Studierende zu lebenslang Lernenden werden. Ein Audio-Interview zu Digitalen Spielen in der Hochschule greift ebenfalls das Thema der Motivation auf. Carolin Wendt (Stiftung Digitale Spielekultur) erklärt darin:
„Es gibt einen ganzen großen Blumenstrauß an Dingen an digitalen Spielen, die zur Motivation beitragen können. Beispielsweise gibt es ein Autonomie- und Kompetenzerleben bei den Spielern. Vielleicht haben gerade Schülerinnen und Schüler oder Studierende, die sonst weniger Erfolge erleben, in Spielen Erfolge, die sie erleben können und bekommen sofortiges Feedback auf ihre Handlung und Entscheidung. Das ist etwas sehr Befriedigendes. Darüber hinaus kann man auch einfach Leistungen erbringen, mit anderen in den Wettbewerb steigen und wenn man dabei scheitert, ist das im Spiel etwas ganz Normales. „Trial and Error“ ist in Spielen selbstverständlich. Es gehört dazu, um sich zu verbessern. Im Gegensatz zu Prüfungssituationen, wo Scheitern ja automatisch negativ ist, kann man in Spielen aus seinen Fehlern lernen und sich immer weiter verbessern, was unheimlich motivierend ist. Darüber hinaus hat man gleichzeitig Kontrolle über das, was man tut – natürlich im Rahmen der Spielregeln. Man kann in einigen Spielen aber auch die volle Freiheit und Kreativität ausleben, was sonst auch einfach schwer fällt.“
Gründe für unmotivierte Studierende, so wurde in der Online-Veranstaltung erläutert, liegen häufig darin, dass ihnen die Relevanz des Lernstoffs nicht bewusst wird, der Beitrag einer Aktivität oder einer Aufgabe zum Studienziel unklar ist oder der Schwierigkeitsgrad des Gelernten zu hoch oder zu niedrig ist. Für Interessierte dürften die im Event erläuterten Theorien der Selbstbestimmung und der Selbstwirksamkeit von Relevanz sein. Um mit digitalen Medien die Erfolgserfahrung der Studierenden zu unterstützen, schlugen die Referentinnen beispielsweise Videoaufzeichnungen zur wiederholten Erläuterung, Online-Sprechstunden und den Einsatz von Peer-Feedback vor.
Unterstützung kognitiver Prozesse als Erfolgsfaktor des Lernens mit digitalen Medien
Im Event zu kognitiven Wirkfaktoren wurden mehrere Modelle vorgestellt, die bei der Unterstützung kognitiver Prozesse von Belang sind. Beispiele zeigten, wie Selbstregulation entweder direkt oder indirekt angeregt und optional oder fest integriert in der Lehrveranstaltung verankert werden kann. Als Anregungen, wie man die kognitive Verarbeitung fördern kann, gab es sowohl komplexere als auch leicht umsetzbare Maßnahmen, wie Prof. Dr. Per Bergamin (Fernfachhochschule Schweiz) im Folgenden erläutert:
„Haben einfache Elemente auch Wirkung? Ja, auf jeden Fall. Man kann ganz einfache Fragen vor einer Vorlesung stellen. Sie kennen vielleicht die Polling Tools, die man mit dem Handy bedienen kann. Ich habe so etwas an der Universität in Bern gesehen: Die haben dann ganz einfach vor der Veranstaltung bestimmte Fragen gestellt und die Studenten waren umso motivierter, je mehr sie gesehen haben, dass sie bestimmte Dinge wissen oder eben nicht wissen. Also die Aufmerksamkeit konnte so sehr gut gelenkt werden. Oder ein anderes Tool sind Musterlösungen, die man einfach präsentieren kann und dann die Studenten fragen, wie sie dann ihre Lösung vergleichen mit der Musterlösung und man könnte sie begründen lassen, was der Unterschied ist. So kann ich natürlich sehr viel kognitive Verarbeitungstiefe fördern. Das sind Dinge, die man sehr gut und auch sehr einfach tun kann.“
In der Podiumsdiskussion, die das Themenspecial abschloss, wurde in Bezug auf die kognitive Ebene die Frage aufgeworfen, inwieweit zu kleine Wissenseinheiten dazu führen könnten, dass das Studium gar nicht mehr an die großen Menschheitsfragen heranführt und die großen Zusammenhänge den Studierenden letztlich nicht deutlich werden.
Soziale Interaktion als Erfolgsfaktor des Lernens mit digitalen Medien
Ein praktisches Beispiel für die effektive Nutzung sozialer Wirkfaktoren veranschaulicht das Videointerview zur Lernplattform Sectio Chirurgica. Der dortige Diskurs zwischen verschiedenen medizinischen Professionen birgt große Chancen für den Lernzuwachs, wie Johannes Großer (IWM) betont:
„Wenn das Grundvorwissen, das mitgebracht wird in eine Diskussion, zu unterschiedlich ist, dann reden alle aneinander vorbei. Dann findet keine Wissenskonstruktion statt. Andererseits, wenn alle über das gleiche Wissen verfügen, werden auch keine sonderlich großen Wissenskonstruktionsprozesse angeregt. Das Wissen in der Gruppe bleibt erst einmal mehr oder weniger gleich.
Hingegen wenn verschiedene Teilnehmer kommen, die verschiedene Perspektiven auf das gleiche Fundament haben, dann passieren da Wissenskonstruktionsprozesse. Dann lernt der Medizinstudent vom Physiotherapeuten, der Physiotherapeut vom Chiropraktiker. Da hat die große Gruppe was von, dann lernt jeder was von jedem, da wird Wissen konstruiert.“
Außerdem können digitale Medien die soziale Interaktion beispielsweise sehr gut unterstützen, indem sie Skripts für die Zusammenarbeit in Gruppen einbringen. Neben Tipps wie diesem wurden im Online-Event zu sozialen Wirkfaktoren insgesamt fünf theoretische Annahmen vorgestellt, wie die Effektivität von sozialen Lernsettings erzielt wird (zum Beispiel durch eine positive Abhängigkeit der Gruppenmitglieder voneinander), sowie auch einige Stolperfallen genannt.
Wirkung erzielen durch absichtsvolle Wahl des Lernszenarios
Auf dem Logo des Themenspecials symbolisiert eine erleuchtete Glühbirne den sprichwörtlichen Aha-Moment. Häufig sind solche Augenblicke nicht nur für die Studierenden, sondern auch für die Lehrenden Erfolgserlebnisse, die beide Seiten gleichermaßen für den weiteren Lern- bzw. Lehrprozess beflügeln. Um solche Lernerlebnisse zu fördern, können digitale Medien absichtsvoll eingesetzt werden. Doch wie?
Wissenschaftlich erforscht wird diese Frage aktuell mit zwei Literaturstudien in BMBF-Projekten, die im Auftaktevent präsentiert wurden. Aus politischer Perspektive wurde in einem weiteren Event kontrovers diskutiert, ob die bereits existierenden Akteure die Lernprozesse mit digitalen Medien vorantreiben werden oder ob diese zu eingefahren in althergebrachten Strukturen sind, um zu wahren „Change Makers“ zu werden.
Das Themenspecial schlägt zur Reflektion der eigenen Lehre die schematische Aufteilung in kognitive, motivationale und soziale Wirkfaktoren vor. Diese könnte auch Ihnen in der evaluierenden oder vorausschauenden Betrachtung Ihres Medieneinsatzes dienen: In welchen der drei Aspekte bieten sich bislang noch ungenutzte Chancen zur Verbesserung des Lernerfolgs?
Um Inspiration zu erhalten, werfen Sie einfach noch einmal einen Blick auf die bereits erwähnten Einreichungen oder die weiteren Beiträge mit spannenden Themen wie Erfolgsfaktoren im Zusammenhang mit dem Einsatz von Remote-Laboren, kriteriumsorientierten adaptiven Klausuren, Learning Analytics, Fallsimulationen und adaptivem Feedback sowie online-gestützter Gruppenarbeit.
Alle Beiträge und die Aufzeichnungen der Online-Events zum Special finden Sie gebündelt auf der Seite des Themenspecials Was macht Lernen mit digitalen Medien erfolgreich?