Rückblick HND-BW-Konferenz 2018, Hochschule Karlsruhe

Am 27. und 28. September 2018 trafen sich an der Hochschule Karlsruhe Dozierende, Vertreterinnen und Vertreter von Hochschulleitungen sowie Mitglieder von E-Learning-Servicestellen zur zweiten Jahreskonferenz des im Jahr 2016 gegründeten Hochschulnetzwerks Digitalisierung der Lehre Baden-Württemberg (HND BW). Im Fokus der mit 130 Teilnehmenden gut besuchten Konferenz standen die Arbeitsergebnisse der Projekte des baden-württembergischen Förderprogramms „Digital Innovations for Smart Teaching – Better Learning“. Dessen Laufzeitende nahm das HND BW zum Anlass, über die Frage der Nachhaltigkeit von Lehrinnovationen zu diskutieren. Zwangsläufig damit verknüpft war die Frage nach der zukünftigen Ausrichtung des Digitalisierungsprozesses in Baden-Württemberg.

Eindrücke von der HND-BW-Konferenz 2018

„Wir haben hier in den letzten beiden Tagen viele tolle Digitalisierungsprojekte mit großem Potenzial gesehen. Trotzdem ist deren Zukunft ungewiss. Das muss aufhören“, brachte Prof. Dr. Peter Henning von der Hochschule Karlsruhe treffend auf den Punkt, was Ausgangspunkt und Auftrag der Konferenz zugleich war: „Von der Digitalen Innovation in die Lehrpraxis“ lautete das Motto der vom HND BW in Zusammenarbeit mit dem Leibniz Institut für Wissensmedien und der Hochschule Karlsruhe ausgerichteten Konferenz. An zwei Tagen wurde der Frage nachgegangen, wie es gelingen kann, neu entwickelte Lehrinnovationen in den Regelbetrieb zu übernehmen. Deutlich wurde dabei, dass der Weg von der Entwicklung hin zur Anwendung eben kein Selbstläufer ist, sondern die Implementierung in den Lehrbetrieb häufig auf Hindernisse stößt. Gründe hierfür können etwa unzureichende personelle, zeitliche und finanzielle Ressourcen oder auch Faktoren wie eine geringe Bekanntheit der Angebote sein.

Projekte des Förderprogramms „Digital Innovations“ stellen Arbeitsergebnisse und Erfolge vor

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Blick ins Plenum

Konkreter Anlass für die Auseinandersetzung mit diesem Thema war das Ende der Laufzeit des Förderprogramms „Digital Innovations for Smart Teaching – Better Learning“, das einen wichtigen Baustein der Digitalisierungsstrategie des Landes Baden-Württemberg darstellt. Seit 2016 fördert das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (MWK) zehn Digitalisierungsprojekte an dreizehn Landeshochschulen, die sich mit der Entwicklung und Erforschung von neuen digitalen Instrumenten für die Hochschullehre beschäftigt haben. Aufgrund der Vielfalt und der unterschiedlichen Größenordnung der Projekte bot das Förderprogramm für die Konferenz einen Überblick über das Spektrum digitaler Lehr- und Lernformen, an dem verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten der Hochschullehre exemplarisch nachvollzogen werden konnten.

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Workshop zum Thema Digitalisierungsstrategie

So engagieren sich die Projekte des Förderprogramms in vielen aktuellen Innovationsfeldern, wie etwa virtuelle Labore, Learning Analytics, adaptives Lernen, mobile Learning, E-Tutoring oder Open Educational Resources (OER). Mit Inhalten aus der Soziologie, Medizin, Informatik, Elektrotechnik oder den Agrarwissenschaften bilden die Projekte darüber hinaus auch fachlich die Bandbreite des akademischen Lehrbetriebs ab und können entsprechend als beispielhaft für viele Entwicklungen in den einzelnen Fachbereichen angesehen werden. Entsprechend stark waren die Projekte auf der Konferenz vertreten, die in unterschiedlichen Formaten wie Kurzvorträgen, Workshops, Postersessions und App-Demonstrationen die Ergebnisse und Erfolge ihrer zweijährigen Arbeit vorstellten. Eindrucksvoll konnte dabei jedes Projekte für seinen Bereich aufzeigen, wie Hochschullehre neu gedacht werden kann und welches Innovationspotenzial digitale Medien für die Weiterentwicklung des akademischen Lernens bieten.

Digitale Lehrinnovationen sind auch für andere Hochschulen nutzbar

Die Applikation MyMi.mobile etwa eröffnet Medizinstudierenden die Möglichkeit, per Smartphone histologische Präparate zu studieren. Ähnlich wie beim analogen Mikroskopieren kann die Zoomfunktion des Handys dazu genutzt werden, den Bildausschnitt zu vergrößern und innerhalb der Gewebestrukturen unterschiedlicher Zelltypen zu navigieren.

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Prof. Dr. Bernd Heimrich erklärt die Funktionsweise von MyMi.mobile

Beigefügte Erklärvideos unterstützen das Verständnis der anatomischen Strukturen im direkten Beobachtungsfeld. Evaluationen des Lernerfolges bescheinigen die Nützlichkeit der App für die Verbesserung der diagnostischen Fähigkeiten der Studierenden. Der Zugewinn an Anschaulichkeit und Flexibilität des Lernens ist auch kennzeichnend für andere der im Förderprogramm entwickelten Applikationen, die im Sinne virtueller Labore etwa das Montieren elektronischer Schaltungen erlauben, virtuelle Programmieroberflächen zur Verfügung stellen oder das Studium verschiedener Entwicklungsstadien bei der Pflanzenzucht erlauben. Die Präsentationen hatten dabei nicht nur den Charakter eines Rückblicks, sondern waren zumeist immer auch als Einladung an die Teilnehmenden zu verstehen, nach Anknüpfungspunkten im eigenen Hochschulbetrieb zu suchen.

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Josephina Schmidt stellt die Ergebnisse des Projektes DISTELL vor

Dies hatte nicht zuletzt seine Berechtigung darin, dass bei der technischen Entwicklung vieler Anwendungen – insbesondere beim ZOERR, dem OER-Repositorium des Landes Baden-Württemberg – die Nachhaltigkeit im Sinne einer Skalierbarkeit, der Anbindung an bestehende Lernmanagementsysteme sowie der Übertragbarkeit von Anfang an mitgedacht worden war.

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Keynotespeaker Prof. Dr. Heribert Nacken, RWTH Aachen University

„Hochschulen benötigen dringend eine Digitalisierungsstrategie“

Dass ein systematisches Nachdenken über die sinnvolle Einbindung und Verstetigung digitaler Innovationen in den eigenen Lehrbetrieb keine bloße Fingerübung ist, darauf machte schon zu Beginn der Konferenz Keynotespeaker Prof. Dr. Heribert Nacken von der RWTH Aachen University aufmerksam. Aus seinen Erfahrungen als Rektoratsbeauftragter für „Blended Learning und Exploratory Teaching Space“ an der größten deutschen Universität für technische Studiengänge leitete er die These ab, dass innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre eine Hochschule um eine Digitalisierungsstrategie nicht mehr herum komme. Mit Blick auf die zukünftigen Formen des Lehrens und Lernens würde das alte Modell der One-to-Many-Distribution von Wissen deutlich zu kurz greifen. Um die junge Generation als „Kunden“ nicht zu verlieren sei es vielmehr unerlässlich, auf Basis von Interaktion und Kollaboration Formen des Lernens zu fördern, die multiple Sichtweisen aufgreifen und mit unterschiedlichen Ansätzen operieren.

MWK hat eine wichtige Funktion als Ermöglicher von Digitalisierungsprojekten

Das Thema Digitalisierungsstrategie griff dann auch Dr. Anne Thillosen in der Podiumsdiskussion auf. An Prof. Dr. Stefan Britsch von der Universität Ulm richtete sie die Frage, ob er als Leiter von MyMi.mobile angesichts des erfolgreichen Projektverlaufs überhaupt so etwas wie eine Digitalisierungsstrategie benötige, oder ob man viele Dinge nicht auch im Alleingang erledigen könnte. Prof. Britsch betonte die Bedeutung der Rückendeckung von oben. Es sei für niemanden angenehm, so Britsch, als Einzelkämpfer unterwegs zu sein.

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Podiumsdiskussion

Erwartungsgemäß wurde in diesem Zusammenhang auch die Frage der Finanzierung von digitalen Neuentwicklungen und deren Verstetigung diskutiert. Hier erweiterte sich die Perspektive von der Hochschulstrategie automatisch in Richtung Landesstrategie. Denn nicht alle Podiumsteilnehmer konnten der Auffassung von Prof. Heribert Nacken folgen, dass erfolgreiche Digitalisierung keine Frage des Geldes sei. Die Vertreter insbesondere der kleineren Hochschulen sahen externe Mittelzuwendungen vielmehr als notwendig an und unterstrichen damit die Bedeutung des MWKs für die Ermöglichung neuer Digitalisierungsinitiativen im Land. Dass Geld alleine aber keine hinreichende Bedingung für Fortschritt sei, darüber herrschte bei allen Beteiligten Einigkeit. Neben Prof. Dr. Nacken und Prof. Dr. Britsch diskutierten unter lebhafter Beteiligung des Publikums auf dem Podium: Prof. Dr. Gabriela Tullius von der Hochschule Reutlingen, Dr. Nicole Wöhrle von der Universität Freiburg und Prof. Dr. Peter Henning von der Hochschule Karlsruhe.

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Podiumsdiskussion; von links nach rechts: Prof. Dr. Heribert Nacken, Dr. Nicole Wöhrle, Prof. Dr. Peter Henning, Prof. Dr. Gabriela Tullius, Prof. Dr. Stefan Britsch, Dr. Anne Thillosen

Digitalisierung der Lehre ist nur gemeinsam zu schaffen

Die Leiterin der Geschäftsstelle des HND BW, Mandy Kaiser, zog eine positive Bilanz der Konferenz: „Wir haben viele anregende und innovative Ideen zur Zukunft der digitalen Lehre gehört, gesehen und diskutiert. Ich denke, es ist gelungen einmal mehr die enorme Bedeutung der hochschulartenübergreifenden Zusammenarbeit bei der Weiterentwicklung der digitalen Lehre deutlich zu machen und damit auch den Nutzen des Netzwerks für Baden-Württemberg herauszustellen.“ Dies bestätigten auch die Wortmeldungen am Ende der Konferenz. Im Resümee zeigten sich viele Teilnehmende von der Notwendigkeit überzeugt, bei der Digitalisierung der Lehre eng zu kooperieren. Viele Aufgaben seien nur gemeinsam zu bewältigen und müssten hochschulübergreifend gelöst werden, so der Tenor der Wortmeldungen.

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Mandy Kaiser, Leiterin der Gechäftsstelle des HND BW

Mit Blick auf die Nachhaltigkeit der Projekte des Förderprogramms fiel das Fazit gemischt aus. So wurde von verschiedenen Seiten Bedauern darüber geäußert, dass die Verträge vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Ende der Projektlaufzeit auslaufen und die mit den Personen verbundenen Kompetenzen und Erfahrungen dem Hochschulsystem oftmals wieder verloren gehen. Was die konkreten Lehrinnovationen betrifft, haben die Projekte unterschiedlichste Maßnahmen ergriffen, ihre Arbeit zu verstetigen, sei es etwa durch Öffnung und Verfügbarmachen der Anwendungen oder durch öffentliche Bekanntmachung der Arbeitsergebnisse - wofür nicht zuletzt die Konferenz ein passendes Forum bot. Das MWK unterstützt den Weg der Digitalisierung auch zukünftig mit Förderungen. Auf Empfehlungen des HND BW folgen Fördermaßnahmen im Bereich OER, Strategie- und Organisationsentwicklung, Qualifizierung und kooperative E-Learning-Infrastrukturen. Bereits aktuell ausgeschrieben ist in Kooperation mit dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft eine landesspezifische Peer-to-Peer-Beratung für insgesamt vier Hochschulen in Baden-Württemberg, für die bis zum 15. November Interessensbekundungen eingereicht werden können.

 

Bilder: Kevin Fuchs, Hochschule Karlsruhe

Letzte Änderung: 10.10.2018