InetBib-Tagung

Vom 9. bis 11. April 2008 fand in der Residenzstadt Würzburg die zehnte Auflage der InetBib-Tagung statt. Stefanie Panke hat sich dort für e-teaching.org umgesehen.
Über 300 Bibliothekare und andere inhaltlich Interessierte nutzten die Gelegenheit, sich über neue Trends in der Informationserschließung und Wissenskommunikation zu informieren. Prägende Themen der Konferenz waren die Auswirkungen technologischer Innovation wie RFID auf die Bibliotheksorganisation, veränderte Nutzererwartungen an Bibliotheken im Kontext von Web 2.0, die Auswirkungen von Open Access und der Umgang mit dem „großen Bruder“ Google.
Das Programm war dicht gedrängt: An den drei Veranstaltungstagen forderten insgesamt zwölf Themenblöcke die Aufmerksamkeit der Zuhörer. Dabei wurden immer wieder viele Querbeziehungen zwischen den jeweils diskutierten Fragestellungen und Projektbeschreibungen deutlich. Nicht immer klappte das Zeitmanagement, so dass sich das Programm durchaus mal um eine Viertelstunde nach hinten verschob. Die lockere Moderation entsprach der kollegialen Atmosphäre, mit der das Publikum den Referentinnen und Referenten begegnete. Die gute Stimmung war auch beim liebevoll geplanten Social Event im staatlichen Hofkeller spürbar. Hier bot vor historischer Kulisse eine Weinprobe den angenehmen Rahmen für vertiefende Gespräche und das Knüpfen neuer Kontakte.
Aus der Vielzahl interessanter Vorträge können hier nur einige herausgestellt werden: Thomas Stöber und Astrid Teiche gaben einen umfassenden Überblick zu Trends in der softwaregestützten Literaturverwaltung. Diskutiert wurden Auswirkungen wie eine erhöhte Transparenz und mehr Offenheit im Wissenschaftsbetrieb sowie eine mögliche Konvergenz klassischer Systeme und webbasierter Social-Software-Dienste. Mit der Frage, was der klassische Bibliothekskatalog von Diensten wie Zotero, LibraryThing, del.icio.us oder Bibsonomy lernen kann, befasste sich Dr. Anne Christensens Vortrag. Sie stellte das Projekt Beluga vor, das eine Reihe von Web 2.0 Prinzipien in die klassische Katalogserschließung integriert. Der Vortrag von Dr. Michael Mönnich drehte sich um Recommender-Systeme. Im E-Commerce (z.B. Amazon) und in Portalen (z.B. Youtube) generieren automatisierte Empfehlungssysteme auf Grundlage statistischer Auswertungen des Benutzerverhaltens Hyperlinks zu weiteren Ressourcen, die eine „soziale Navigation“ ermöglichen. An der Universitätsbibliothek Karlsruhe ist als technische Grundlage hierfür das Recommender-System BibTip im Einsatz. Auch wenn viele Bibliothekare sie mit Argusaugen argwöhnisch betrachten, spielte dennoch die Firma Google in mehreren Vorträgen eine tragende Rolle: Stefan
Keuchel, PR-Leiter bei Google Deutschland, stellte verschiedene Dienste und Produkte wie Google Books, Picasa, Google Earth und YouTube vor, die illustrieren sollten, dass Google weit mehr als eine reine Suchmaschine ist. Dr. Wilhelm Hilpert berichtete von der 2007 geschlossenen Partnerschaft der bayrischen Staatsbibliothek mit Google, in deren Zusammenhang über eine Million Bücher digitalisiert werden. Einen kritischen Blick auf die Entwicklung des Suchmaschinenmarktes warf Prof. Hendrik Speck von der FH Kaiserslautern. Mit den psychologischen Aspekten von Web 2.0 und Social Software setze sich die Präsentation von Prof. Friedrich Hesse auseinander. Nachdem das Stichwort Social Tagging wiederholt in Praxisberichten gefallen war, stellte er dar, wie aus kognitionspsychologischer Perspektive Tagging die Abbildung von individuellen Assoziationen, Konzepten und Kategorien für eine jeweilige Domäne ermöglicht. Im Vortrag von Joachim Schroer ging es ebenfalls um die Innenwelt der Nutzer – in diesem Fall die Motivlagen von Wikipedianern.
Insgesamt gesehen überzeugte die Fachtagung durch gute Beiträge und lebhafte Diskussionen,
die auch kritische Aspekte aufgriffen und keine „Lobhudelei 2.0“ darstellten. Fragen wie „Was tun mit User Generated Rubbish?“ oder „Was sollen Bibliotheken in Second Life, wenn ihre Nutzer dort eben gerade nicht sind?!“ zeigten, wie viel Diskussionsstoff in der zukünftigen Bibliotheksentwicklung steckt. Der Transformationsprozess hin zu einem multimedialen Informationsdienstleister für Forschung und Lehre wird sicher noch viele Probleme aufwerfen und damit reichlich Material für spannende Debatten liefern.