HIS Fachtagung Studienqualität

HIS GmbH Jubiläumstagung zu Studienqualität
25.-26. März 2009, Hannover


Zum 40-jährigen Jubiläum ließ es sich die Hochschul-Informations-System GmbH nicht nehmen, neben dem klassischen Jubiläumsprogramm mit namenhaften Laudatoren ein wissenschaftlich anspruchsvolles Vorprogramm in Form einer Fachtagung auf die Beine zu stellen. Als Themenschwerpunkt wurde das hochaktuelle und vielschichtige Thema Studienqualität gewählt. Über 300 TeilnehmerInnen nahmen an den sechs Podien teil, die in zwei parallelen Sessions stattfanden. Dabei bewiesen die Ausrichter bei der Besetzung der Podien eine überaus glückliche Hand. Selten erlebt man Tagungen, bei denen die ReferentInnen nicht nur ausnahmslos sehr gut vorbereitet sind, sondern auch ihr Thema in so differenzierter, eloquenter und intelligenter Weise vortragen.

Eingeleitet wurde die Veranstaltung durch einen sehr anregenden Vortrag von Prof. Dr. Schimank (FernUniversität Hagen) mit dem provokanten Titel „Humboldt in Bologna – der falsche Mann am falschen Ort“. Darin machte er insbesondere die Spannungspole der Umstrukturierungen des Hochschulsystems im Rahmen des Bologna-Prozesses deutlich. Statt um Sachfragen, so seine These, gehe es viel mehr um eine Interessendifferenz zwischen „Bolognesern“ und „Humboldtianern“. Die heutigen Hochschulen seien nicht mehr Institutionen der Bildungsbürger-Elite sondern sie würden immer mehr auch von der oberen Mittelschicht bevölkert. Diese stelle andere Ansprüche an das Bildungs- und Wissenschaftssystem. Statt wissenschaftlicher Erkenntniserweiterung stünden auf Seiten der Studierenden vermehrt auch so (über-)lebenspraktische Themen wie „Employability“ im Vordergrund. Aber auch auf Seiten der Hochschulen ginge es vermehrt um das Überleben und damit um „Effizienzsteigerung“. Dem Hochschulsystem obliege es, in diesem Spannungsfeld seine Position neu zu definieren.

Dieses Spannungsverhältnis wurde auch in dem von Dr. Klaus Wannemacher (HIS GmbH) moderierten Forum zum Thema "Studierende als Kunden!?“ deutlich. Im Zentrum stand die Frage, inwiefern es richtig ist, wenn Hochschulen ihre Studierenden heute als "Kunden" bezeichnen bzw. Studierenden sich heute als Kunden verstehen. Beides tritt in der Hochschullandschaft vermehrt auf. Doch welches Kundenverständnis steckt dahinter? Folgen die Hochschulen mit dem Kundenbegriff nur einer Modeerscheinung, wie sie auch in anderen öffentlichen Bereichen vom Pflegebereich bis zur Justizvollzugsanstalt auf dem Vormarsch ist? Oder steht der Begriff wirklich für eine neue Hochschulrealität, in der die Hochschulen die Beziehungen zu ihren Studierenden neu ausrichten? Auf dem Podium stellten Prof. Lars Degenhardt und Dr. Thomas Schröder (HIS GmbH), Prof. Volker Ronge (Bergische Universität Wuppertal und Markus Voeth (Universität Hohenheim) ihre unterschiedlichen Positionen zum Thema dar. Übereinstimmung herrschte bei den Podiumsteilnehmern dahingehend, dass das Thema „der Student als Kunde“ für Hochschulen ein wichtiges Thema ist zu dem sie Stellung beziehen MÜSSEN. Zum einen weil die Studiengebühren dazu geführt haben, dass sich Studierende tatsächlich vermehrt als Kunden begreifen: Für ihr Geld - und 500 Euro pro Semester sind für die meisten Studierenden viel Geld - erwarten sie gewisse (Dienst-)leistungen. Zum anderen ist man sich einig, dass das bürokratische System vieler Hochschulen der Reform bedarf und dass mehr Dienstleistungsorientierung durchaus ein Weg in die richtige Richtung ist. Der Kundenbegriff wurde aber durchaus auch kritisch gesehen. Zum Beispiel, wenn er dazu führt, dass sich die Hochschulen so sehr in der Verantwortung und Pflicht ihrer Studierenden sehen, dass sich das auf die Benotung auswirkt. Prof. Volker Ronge spricht in Bezug auf den Kundenbegriff im Hochschulkontext sogar von einem Missverständnis. Ihm missfällt, wenn Studierende nur konsumieren, statt sich aktiv in das Wissenschaftssystem einzubringen; wenn sich Hochschulen marktwirtschaftlich ausrichten und Professoren zu ausführenden Angestellten werden – eine Tendenz, die er so wahrnimmt. Im Humboltdianischen Verständnis muss das Universitätswesen seiner Meinung nach als Triagonale angesehen werden, in dem Professoren und Studierende in gleichem Verhältnis zur Wissenschaft stehen. Es muss um Bildung in der Forschung gehen und nicht – wie von der Exzellenzinitiative gerade begünstigt – die Isolierung einzelner Forschungsbereiche vom normalen Universitätsbetrieb. Prof. Markus Voeth (Universität Hohenheim) brachte die Perspektive des Marketingexperten mit in die Diskussion. Er sieht in Bezug auf die Hochschulen Angebotsüberhänge (an Lehre) und Knappheit an Nachfragern (Studierenden) im Markt – auch auf Grund eines großen internationalen Konkurrenzangebots. Dies zwinge die Hochschulen geradezu zu einer Marktorientierung; insbesondere da diese in anderen Ländern bereits viel weiter fortgeschritten sei. Statt von Waren und Gütern im Bereich Bildung zu sprechen findet er den Begriff der Dienstleistung passender. Dienstleistungen beziehen den Kunden als „Co-Creator“ mit ein. Die Verantwortung jedoch – das betonte nicht nur Voeth im Rahmen des Podiums - verbleibe jedoch beim Dienstleister, also bei den Hochschulen bzw. bei den Lehrenden. Dienstleistung heiße aber auch, dass diese an den Bedürfnissen der Kunden ausgerichtet wird. Jeder einzelne Fachbereich stehe hier in der Verantwortung.

Eine gute Basis für eine Reform des Diensteleistungssystems zum Vorteil der Studierenden und der Hochschule stellen die neuen IT-Systeme bereit, die im Zentrum des Forums II zum Thema „Die vernetzte Hochschule“ standen. Die Darstellungen zeigten, dass die dadurch unterstützte Prozessorientierung viel Potenzial bietet. Der Studienprozess der unterstützt wird, reicht dabei vom ersten Interesse potenzieller Studierender bis hin zur Betreuung der Alumnis. Sicher ist es ein zentrales Ziel der Systeme, den Hochschulbetrieb effektiver zu gestalten - das muss aber durchaus nicht zum Nachteil der Studierenden sein! Angelegt sind in den Systemen auch Funktionen, die dabei helfen können, zum Beispiel Personen, die offensichtlich Probleme mit der Abwicklung ihres Studiums haben, schneller zu identifizieren und zu unterstützen.

Weitere Foren beschäftigten sich mit den Themen Studienqualität und Kompetenzen, nachfrageorientierte Hochschulfinanzierung, Chancen und Risiken gestufter Studiengänge sowie dem Thema Berufserfolg. Im Rahmen des Abschlussplenums wurde zum Thema Studienqualität sowohl von Studierenden wie auch Lehrenden betont, dass auch in Zukunft ein Studium die Möglichkeiten und vor allem Freiheiten bieten sollte, die zur Persönlichkeitsbildung notwendig sind. Insbesondere sollte den Studierenden genügend Zeit zugestanden werden. In der Abschlussdiskussion machte u.a. die anwesende Studienvertreterein Imke Buß (Universität Göttingen) sowie die VertreterInnen aus den Hochschulen deutlich, dass die Bologna- Richtlinien mehr Flexibilität böten, als es in Deutschland zum Teil scheint. Der Bologna-Prozess in Deutschland müsse im Moment noch als „Rohbau“ angesehen werden, wo die Freiheiten zu Gunsten eines qualitativ hochwertigen Studiums weiter ausgereizt werden müssen. Einig war man sich auch, dass Studierende im Restrukturierungsprozess der Hochschulen interessante Ideen liefern können und dementsprechend einbezogen werden sollten, wenn es darum geht, die Qualität der Hochschulen zu verbessern.