Wir stellen vor: Der didaktische Lehrpfad des Hamburger Zentrums für universitäres Lehren und Lernen
23.03.2023 | Weiterbildung, LesetippEinen „didaktischen Pfad durch die Gestaltung von Hochschullehre“ bietet das Hamburger Zentrum für Universitäres Lehren und Lernen (HUL) auf seiner Website an. Im Rahmen unserer Blogreihe zu digitalen Lehr-/Lernmaterialien stellen Prof. Dr. Gabi Reinmann und David Ziegenhagen vom HUL vor, wie es zu diesem Angebot gekommen ist, welche Überlegungen und Konzepte dahinter stehen und welche Inhalte der didaktische Pfad bietet.
Wie können digitale Selbstlernmaterialien in unterschiedlichen Formaten (z.B. Texte, Bilder und Videos) aus verschiedenen internen und externe Quellen für eine heterogene Zielgruppe sinnvoll, gewinnbringend und übersichtlich aufbereitet werden? Diese Herausforderung stellt sich nicht nur für Lehrende; auch das Hamburger Zentrum für Universitäres Lehren und Lernen (HUL), das seit 2014 Lehrende bei der Gestaltung der Hochschullehre unterstützt, war damit konfrontiert. Der Lehrpfad entstand im Reflexionsprozess darüber, wie ein guter Zugang zu den Selbstlernmaterialien des HUL geschaffen werden könnte. Im Interview stellen Prof. Dr. Gabi Reinmann, Leiterin des HUL und Professorin für Lehren und Lernen an der Universität Hamburg, und David Ziegenhagen, Didaktische Medienproduktion, didaktische Hintergrundüberlegungen bei der Konzeption dieses Darstellungsformats vor und gehen auf Inhalte und unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten ein.
Interview mit Prof. Dr. Gabi Reinmann und David Ziegenhagen
Sie stellen auf einer Website umfangreiche hochschuldidaktische Selbstlernmaterialien zur Verfügung, die bei der Gestaltung von Hochschullehre unterstützen können. Bei der Konzeption der Seite haben Sie sich bewusst für das Format Lehrpfad entschieden. Was waren die Gründe dafür? Welchen Mehrwert bietet der Lehrpfad im Vergleich zu anderen Darstellungsformaten?
Der Begriff Lehrpfad war für uns zunächst eine Metapher: Bei der Gestaltung von Lehrveranstaltungen bewegt man sich durch ein „Dickicht“ von zahlreichen Entscheidungen, die mehr oder weniger eng miteinander verknüpft sind. Dem wollten wir bei der Bereitstellung von Selbstlernmaterial Rechnung tragen. Dass daraus eine Grafik mit Pfadlogik und Reflexionsfragen geworden ist, die man als ein eigenes Darstellungsformat bezeichnen könnte, beruht nicht auf einer vorab getroffenen Festlegung, sondern hat sich sozusagen im Prozess ergeben.
Der Lehrpfad orientiert sich an der Handlungslogik bei der Gestaltung von Lehrangeboten. Er kann und soll dabei helfen, selbst herauszufinden, an welchen Stellen man als Lehrperson Entscheidungen zu treffen hat und wo man gegebenenfalls Impulse oder Hilfe gebrauchen kann. Orientiert haben wir uns dabei an Peter Goodyears Konzept „Teaching as Design“.
Für das Selbstlernmaterial am HUL erfüllt der Lehrpfad letztlich zwei wesentliche Funktionen: Der Lehrpfad bringt insgesamt elf didaktische Kategorien in eine handlungsrelevante Ordnung, nach denen wir das Selbstlernmaterial strukturieren. So gibt es etwa Kategorien zur Gestaltung von Lehr-Lernräumen, zur Prüfungsgestaltung oder zur sozialen Interaktion. Zum anderen ist der Lehrpfad selbst ein Reflexionsinstrument für Lehrpersonen: Die integrierten Fragen sollen dabei unterstützen, sich didaktische Entscheidungen bei der Gestaltung eines Lehrangebots bewusst zu machen; dies wiederum ist eine gute Möglichkeit, bisherige Gewohnheiten in der Lehre zu überdenken und/oder Neues auszuprobieren. In den Lehrpfad sind zudem drei Meta-Kategorien eingebaut: Hier finden sich Vorschläge dazu, wie man einen Lehrentwurf finalisiert und mental simuliert, reflektiert und evaluiert sowie – bei Bedarf – forschend begleitet.
Wie können Interessierte vorgehen, wenn sie die Seite besuchen? Wie navigieren sie durch den Lehrpfad? Können z.B. zwei Personen, die ein ähnliches Problem haben, ganz unterschiedliche Wege beschreiten?
Der Lehrpfad ist nicht so gedacht, dass er einen Weg vorgibt – es handelt sich vielmehr um ein Reflexionsinstrument, das gleichzeitig ein Ordnungsraster bietet, um verschiedene Selbstlernmaterialien zu sortieren. Von daher kann man sich tatsächlich ganz unterschiedlich durch den Lehrpfad bewegen und sich ergänzende Zugänge wählen, um passendes Material zu finden.
Eine Lehrperson kann beispielsweise vom Beginn des Lehrpfads aus starten und die verschiedenen Stationen nach und nach „abschreiten“, um das eigene didaktische Entwurfshandeln zu reflektieren und sich dabei anregen zu lassen. Genauso aber kann eine Lehrperson gezielt und direkt zu bestimmten Kategorien springen, etwa wenn sie sich ausschließlich für die Gestaltung von Aufgaben interessiert; in diesem Fall kann dennoch interessant sein, in welchem Kontext sich diese Kategorie befindet.
Der Lehrpfad stellt zwar gewissermaßen das Herzstück der Selbstlernmaterial-Seite des HUL dar, ist aber nur ein möglicher Zugang zu den Materialien. Es gibt viele Themen, die nicht in einzelne Kategorien des Lehrpfads passen, sondern quer dazu liegen. Aus diesem Grund haben wir unter anderem einen Bereich für „Action Design Pattern“ geschaffen: Diese Pattern bzw. Muster sind hochschuldidaktisch relativ bekannte Konzepte, die entlang der Handlungslogik unseres Lehrpfads beschrieben sind. Auf diese Weise können wir auch Konzepte wie beispielweise „Forschendes Lernen“ oder „Inverted Classroom“ vorstellen und gleichzeitig deutlich machen, wie auch dafür die Kategorien des Lehrpfads eine Gestaltungshilfe sein können.
Die genannten Darstellungsformen unseres Materials werden ergänzt durch ein übergreifendes Suchinstrument, das „Lehre-Navi“. Dieses wurde im Rahmen eines Drittmittelprojekts erarbeitet, an dem das HUL beteiligt ist. Das Lehre-Navi bietet die Möglichkeit, sämtliche didaktischen Selbstlernmaterialien an der Universität Hamburg (auch außerhalb des HUL) zu filtern und zu durchsuchen. Auf diese Weise werden, neben den Materialien innerhalb unseres Lehrpfads, auch solche von anderen Einrichtungen gefunden.
Ihr Lehrpfad richtet sich an Hochschullehrende. Welche Rolle spielte die Zielgruppe bei der Konzeption des Lehrpfads? Gibt es Zielgruppen, für die dieses Format besonders geeignet ist - und andere, für die Sie es nicht einsetzen würden?
Es war zunächst nicht unsere Intention, ein generell neues Format zu kreieren. Wenn es sich längerfristig bewährt – wer weiß, dann wird das vielleicht das neue Lehrpfad-Format. Unser aktueller Lehrpfad richtet sich an Lehrpersonen an Hochschulen und möchte bei der didaktischen Gestaltung von Lehrangeboten helfen – das gilt dann selbstverständlich für alle, auf die diese Beschreibung zutrifft.
Wir gehen auch davon aus, dass Lehrpersonen mit unterschiedlichen Erfahrungen vom Lehrpfad profitieren können, weil er, wie skizziert, ganz unterschiedlich genutzt werden kann: Wer neu in der Lehre ist, kann gegebenenfalls besonders davon profitieren, den Lehrpfad als Reflexionsinstrument einzusetzen und alle Stationen einmal zu durchwandern. Erfahrene Lehrpersonen können den Lehrpfad nutzen, um ihr etabliertes Lehrangebot zu reflektieren oder sich neue Anregungen zu holen. Ob darüber hinaus auch andere Zielgruppen den Lehrpfad gewinnbringend heranziehen können, bleibt abzuwarten. Inwieweit sich unsere Form der Darstellung gar als neues Format etabliert, müssen die entscheiden, die damit arbeiten.
Wie geht es mit dem Projekt weiter? Sind perspektivisch neue Darstellungsformen geplant? Oder wird das Bestehende ergänzt und erweitert?
Wir würden unsere Selbstlernmaterialseite und die Arbeit daran nicht als Projekt bezeichnen, das per definitionem einen definierten Anfang und ein klar benanntes Ende hat. Die Weiterentwicklung der Website am HUL ist eine Daueraufgabe und in dieser Form am HUL auch sichergestellt – ein großer Vorteil gegenüber der vor allem drittmittelgeförderten Projektarbeit. Vor diesem Hintergrund wird es hier keinen Stillstand geben: Wir ergänzen das Selbstlernmaterial fortlaufend durch neue Publikationen in Form von Texten, Videos, Audiomaterial oder externen Links, die wir nach einer Prüfung für qualitativ gut befinden.
Neue Entwicklungen wie zuletzt zur hybriden Lehre oder aktuell zur KI in der Hochschullehre am Beispiel ChatGPT machen es erforderlich, Materialien immer wieder zu aktualisieren und neue Themen zu bearbeiten. Auch die Struktur der Seite ist nicht statisch: Neben dem Lehrpfad als unserem Herzstück erweitern wir bei Bedarf die Zugänge auf das Selbstlernmaterial, um die Auffindbarkeit zu optimieren und verschiedene Darstellungsformen miteinander zu verzahnen.
Erst kürzlich haben wir beispielsweise ein hochschuldidaktisches Glossar für unsere Seite erstellt, in dem wir didaktische Begriffe in maximal 100 Wörtern erklären. Aktuell konzipieren wir einen Bereich, in dem wir digitale Tools (vor allem solche, die an der Universität Hamburg für Lehrpersonen verfügbar sind) an die Logik des Lehrpfads anbinden: Zwar integriert der Lehrpfad bereits in nahezu allen Kategorien Fragen zur Digitalität; was aber noch fehlt, ist eine Übersicht über den Weg konkreter technischer Werkzeuge zur Gestaltung von Lehre.
Frau Reinmann und Herr Ziegenhagen, herzlichen Dank für die ausführliche Vorstellung des, Lehrpfades, der auch Lehrenden außerhalb der Universität Hamburg offensteht. Wir sind gespannt auf die weiteren Entwicklungen und werden gerne in unserem e-teaching.org-NotizBlog darüber berichten.
Über die Blogreihe „Wir stellen vor ...“
In der e-teaching.org-Rubrik Materialien stellen wir eine umfangreiche Sammlung qualitätsgeprüfter Datenbanken zu Good-Practice-Beispielen, Portale zu Informations- und Selbstlernangeboten sowie Sammlungen und Repositorien zu überwiegend frei nutzbaren Lehr- und Lernmaterialien vor. Die Blogreihe „Wir stellen vor ...“ bietet in regelmäßigen Abständen Hintergrundinformationen zu solchen Selbstlernangeboten, Portalen und Good-Practice-Beispielen. Begonnen hat die Reihe im Februar 2023 mit einer Vorstellung des KI-Campus.
Sie kennen weitere Sammlungen, Portale oder Datenbanken, die auf e-teaching.org noch nicht aufgeführt sind? Wir freuen uns auf Ihre Tipps und Empfehlungen aus dem Bereich digitale Hochschullehre. Gerne können Sie uns über feedback@e-teaching.org kontaktieren.