Die unendliche Geschichte der Urheberrechtsreform
12.04.2017 | KurzmeldungSeit einem halben Jahr wird im Hochschulbereich wieder intensiver über das Urheberrecht diskutiert. Die Allianz der Deutschen Wissenschaftsorganisationen begrüßt einen Referentenentwurf zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft und spricht sich für eine rasche Verabschiedung aus. Gegner des Entwurfes sehen hingegen die freie, demokratische Gesellschaft bedroht. Bis 1. Oktober 2017 soll es eine bundesweit einheitliche Lösung geben. Es wäre schön.
Ursprünglich war vorgesehen, ab dem 1. Januar 2017 die Nutzungen urheberrechtlich geschützter Schriftwerke an Hochschulen auf Basis einer Einzelerfassung mit der VG WORT abzurechnen. Im Online-Event LMS und Rechtsfragen auf e-teaching.org wurde über Ergebnisse eines Pilotprojekts im Zusammenhang mit einem solchen Modell berichtet. Das bis dahin genutzte Verfahren sah eine Pauschalvergütung nach § 52a UrhG vor. Nachdem ein Großteil der Hochschulen jedoch ankündigte, einem Rahmenvertrag zu einer Einzelerfassung nicht beizutreten und Anweisungen öffentlich wurden, dass relevante Inhalte von den LMS-Systemen der Hochschulen zu Jahresende zu löschen seien, einigte man sich im Dezember 2016 in einer vorläufigen Vereinbarung darauf, dass bis zum 30. September 2017 nochmals eine Pauschalvergütung gezahlt und eine praktikable Lösung gefunden werden soll.
Seit Februar 2017 ist nun ein Referentenentwurf für ein Gesetz zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft (UrhWissG) auf den Seiten des Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz einzusehen. Die Seite führt neben dem eigentlichen Entwurf eine umfangreiche Liste von Stellungnahmen auf.
Während die Allianz der Wissenschaftsorganisationen den vorliegenden Entwurf für eine Urheberrechtsreform in einer aktuellen Stellungnahme mit Nachdruck begrüßt und sich auch Hochschulen positiv zu dem Entwurf äußern, hagelt es von anderer Seite Kritik. Auf der Seite publikationsfreiheit.de läuft eine Initiative, die nachdrücklich darauf hinweisen soll, dass der Gesetzgeber, Bibliotheksverbände und Wissenschaftsorganisationen in Deutschland momentan an zentralen Rahmenbedingungen publizistischer Arbeit rütteln. Eine Unterschriftenaktion fordert dazu auf, gegen dieses Vorhaben zu unterschreiben. Die von mehreren Verlagen ins Leben gerufene Initiative erwartet nicht weniger als einen Schaden für die freie, demokratische Gesellschaft und eine Einschränkung der Publikationsfreiheit. In einem Beitrag auf irights.info wird die Aktion dagegen als „Blendwerk mit Zahlen“ bezeichnet.
Alles also wie immer? Für alle, die sich in ihrer täglichen Arbeit mit den praktischen Herausforderungen der bestehenden oder angekündigten Regelungen auseinandersetzen müssen, bleibt die Situation unbefriedigend. Es wäre schön, wenn bis zum 30. September 2017 tatsächlich eine praktikable und sachgerechte Lösung für alle Beteiligten gefunden würde. Wirklich erwarten werden das derzeit wohl die wenigsten.
Warum das Thema Urheberrecht überhaupt in den letzten Jahren eine solche Bedeutung erlangt hat, warum ein immer größerer Personenkreis davon betroffen ist und wie ein möglicher Lösungsansatz für die dabei aufgeworfenen Probleme aussehen könnte, kann u.a. im Beitrag Urheberrecht geht alle an bei der Audiodatenbank "Cultural Broadcasting Archive" nachgehört werden. Till Kreutzer, Anwalt, Rechtswissenschaftler und Publizist, warnt in diesem Interview bezüglicher der Reformpläne der EU zum Urheberrecht vor drohenden Irrtümern und zeigt mögliche Perspektiven auf.
Nachtrag: Etwa 4 Stunden nach der Veröffentlichung dieses Beitrags wurde ein Beschluss der Bundesregierung für ein neues Urheberrecht zur Förderung von Bildung und Wissenschaft bekanntgegeben. Das neue Gesetz soll am 1. März 2018 Inkrạfttreten. Weitere Informationen zum Gesetz und der Wortlaut finden sich in der dazu veröffentlichten Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz.