Rezension Weich, Othmer & Zickwolf (2018)
Rezension zu Weich, Othmer & Zickwolf (2018): Medien, Bildung und Wissen in der Hochschullehre. Wiesbaden: Springer VS
Archivierter Portalinhalt
Die Arbeit von Hochschulen ist in vielen Bereichen eng mit der Nutzung von Medien verflochten – doch bisher war das Leitmedium an Hochschulen der (analoge) Text. Der mediale Wandel betrifft das System Hochschule daher in seinem Kern. Der soeben erschienene Herausgeberband untersucht, wie sich mit den neuen Medientechniken die Praktiken der Wissensproduktion und -vermittlung und damit auch das Selbstverständnis der Hochschulen verändern.
Die Erkenntnis, dass Wissensvermittlungsprozesse an Medien gekoppelt sind, ist weder neu noch überraschend. Ins allgemeine Bewusstsein gerät sie aber erst, wenn – wie im aktuellen Medienumbruch der Fall – gesellschaftlich tief verwurzelte Medienkonstellationen aufbrechen. Im Strudel dieses Wandlungsprozesses werden tradierte Verfahren der Wissensdiffusion und -konstruktion plötzlich fraglich und mit ihnen auch das historische Selbstverständnis der damit verbundenen klassischen Forschungs- und Bildungsinstitutionen. Angestoßen durch die rasante Veränderung von Medientechnologien und -nutzungsgewohnheiten sehen sich Schulen und Hochschulen sukzessive gezwungen, sich zugleich mit den medialen Verhältnissen in Forschung und Lehre und mit ih-rem eigenen Rollen- und Funktionsverständnis im 21. Jahrhundert auseinanderzusetzen.
Genau diesen Diskurs wollte die Tagung „Verflechtungen II: Medien, Bildung und Wissen in der Hochschule“ im Oktober 2015 an der TU Braunschweig anregen. Der Band enthält erweiterte Fassungen der Beiträge, die dem aktuellen Transformationsprozess in der akademischen Hochschullandschaft nachspüren und auf unterschiedlichen Wegen Perspektiven auf die Verflechtung von medialen, epistemologischen und kulturellen Anordnungen im Kontext von Forschung und Lehre entfalten. Historische und theoretische Überlegungen werden dabei mit lehrpraktischen Erfahrungsberichten und explorativen Essays kombiniert, mit dem Ziel das eröffnete Feld in historischer, theoretischer und praktischer Dimension zu durchstreifen. Der Größe des umrissenen Gegenstandsbereichs und der Diversität der Zugänge entsprechend, ergibt sich hierbei kein einheitliches Bild, dafür aber eine erfrischende Vielfalt an Betrachtungsweisen, die dem Leser reichlich Raum für eigene Erkundungen lässt. Hier nur einige wenige Fragestellungen: Welches Bildungsverständnis prägt das universitäre Selbstverständnis, wie verändert es sich unter digitalen Vorzeichen (David Kergel)? Wie verändern sich Funktionen klassischer Vermittlungsformen wissenschaftlicher Lehre unter der Bewegung des Mediendispositivs (Rainer Leschke)? Wie verändert bereits die digitale (statt einer analogen) Darstellung den traditionell schrift- oder formalsprachlich organisierten Diskursraum der akademischen Lehre (Anne Thillosen)? Welche neuen Ansätze erweisen sich als erfolgsversprechend in der akademischen Lehre und wie funktionieren sie (Dennis Schäfer & Tanja Osterhagen u.a.)?
Ausgangspunkt vieler Beiträge ist die Diagnose einer tiefgreifenden Irritation bestehender akademischer Wissenskulturen. In der interdisziplinären Zusammenstellung spiegelt sich diese insofern wieder, als noch unentschieden scheint, wem im aktuellen Umbruch die Deutungs- und Erklärungshoheit zufällt. Pädagogen, Psychologen, Soziologen, Bildungsforscher, Medienwissenschaftler, Bildwissenschaftler – je nachdem, welcher Forschungsrichtung man Gehör schenkt, verändert sich die Sichtweise auf die aktuellen Ereignisse, die eben der Differenz in Methodik und Erkenntnisinteresse der beteiligten Disziplinen geschuldet ist. Die Verwandlung des Gegenstandsbereichs beim Blick durch die unterschiedlichen Brillen nachzuvollziehen, erweist sich durchaus als eine spannende und anregende Herausforderung. Obwohl der Band in einem eher theoretisch geprägten Umfeld verortet ist, enthält er auch lehrpraktische Beiträge, die zeigen, dass nicht nur im Diskurs zwischen den unterschiedlichen Fachdisziplinen erhebliche Kulturunterschiede bestehen. Wie all diese Positionen miteinander integriert werden können bleibt aber letztlich offen und wird damit als Aufgabe an die Leserinnen und Leser zurückgespiegelt.