Rezension Spielmann (2017)
Rezension zu Spielmann, D. (2017): E-Portfolio in der Schreibberatungsausbildung. Cognitive App-renticeship und reflexive Praxis: Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag
Archivierter Portalinhalt
Seine Dissertation ordnet Daniel Spielmann zwei Themenbereichen zu: der Ausbildung studentischer Schreibberaterinnen und -berater für akademisches Schreiben und dem E-Portfolio-Diskurs. Dabei liegen sein Ausgangspunkt und sein primäres Interesse eindeutig in der Schreibberatungsausbildung. E-Portfolios betrachtet Spielmann als Werkzeuge; die E-Portfolio-Arbeit ist – neben den Grundzügen der Schreibdidaktik, dem Lehrlingslernen (Cognitive Apprenticeship) und der Reflexiven Praxis – (nur) eine der vier Säulen, auf denen die theoretischen Grundlagen seiner Arbeit beruhen.
Diese theoretischen Grundlagen erläutert er ausführlich im 3. Kapitel des ersten, einführenden Teils seiner Arbeit. Zuvor gibt er im 1. Kapitel einen einleitenden Überblick und beschreibt im 2. Kapi-tel seinen institutionellen Hintergrund, das Forschungsinteresse und das Ziel seiner Untersuchung. Zudem gibt er – für eine Dissertation ungewöhnlich, aber dem der Arbeit zugrunde liegenden Ansatz der Reflexion eigener Praxis entsprechend – auch Einblicke in persönliche berufliche Erfahrungen, von denen seine Forschungsinteressen geprägt wurden.
Im zweiten Teil der Arbeit wird die empirische Untersuchung vorgestellt, die (nach zwei Pilotdurchgängen) im Rahmen eines Ausbildungsgangs der Schreibberatungsausbildung an der Universität Hamburg im Sommer- und Wintersemester 2012/13 durchgeführt wurde: Kapitel 4 erläutert Forschungsziel und Forschungsfragen. In Kapitel 5 erfolgt eine ausführliche Darstellung der Ergebnisse anhand von umfangreichen Fallbeschreibungen. Leider fehlt hier ein vergleichender systematischer Überblick, der es Lesenden erheblich erleichtert hätte, Unterschiede zwischen den Kursteilnehmerinnen sowie zentrale Einflussfaktoren zu identifizieren. Die Diskussion der Ergebnisse in Kapitel 6 beginnt mit Gelingensbedingungen aus Sicht der Studentinnen (S. 209-219), z.B. der aktiven Teilhabe aller Beteiligten und dem „Bedürfnis der Schreibenden, als solche wahrgenommen zu werden“ (S. 213) sowie einer lebendigen Kommentarkultur. Daraus werden Empfehlungen an Lehrbegleitende, die E-Portfolios einsetzen, sowie fünf Hypothesen zur E-Portfolio-Arbeit (in der Schreibberatungsausbildung) abgeleitet.
Sicher ist der untersuchte Kurs in gewisser Weise ein Sonderfall: Es handelt sich um eine sehr kleine Gruppe von Teilnehmerinnen mit starker Affinität zum Schreiben, die alle freiwillig den Kurs besuchten. Auch das Thema der Veranstaltung, die Schreibberatungsausbildung, ist kein klassisches wissenschaftliches Thema, entspricht jedoch genau dem speziellen Potenzial von E-Portfolios als Werkzeugen zur reflexiven Auseinandersetzung mit der eigenen Praxis – und ist darüber hinaus inhaltlich insofern von grundsätzlichem Interesse als die Auseinandersetzung mit dem wissenschaftlichen Schreiben in allen Bereichen der akademischen Ausbildung eine zentrale Rolle spielen sollte. Gerade dass Spielmann von seinen inhaltlichen und didaktischen Zielen her denkt – (digital unterstützter) reflexiver Praxis und Lehrlingslernen –, macht seine Arbeit auch in Bezug auf den Einsatz von E-Portfolios überzeugend. So kommt er zwar zu dem Schluss: „Es muss nicht unbedingt ein E-Portfolio sein“ (S. 223 f.) und hält in vielen Fällen z.B. Blogs, die erheblich intuitiver zu bedienen seien, für ebenso geeignet. Dennoch enthält die lebendig und anschaulich geschriebene Untersuchung auch zahlreiche Hinweise für Praktiker.