Rezension Schwan & Cress (2017)
Rezension zu Schwan, S. & Cress, U. (2017). The Psychology of Digital Learning. Constructing, Exchanging, and Acquiring Knowledge with Digital Media. Cham: Springer International Publishing.
Archivierter Portalinhalt
Die ersten vier Kapitel des Buches beschäftigen sich mit verschiedenen digitalen Präsentationsformaten. So stellt der erste Beitrag im Zusammenhang mit dem Einsatz von Multimedia-Materialien die zentrale Bedeutung der Integration von Text und Bild heraus, und geht dann insbesondere darauf ein, wie dies durch instruktionale Maßnahmen unterstützt werden kann. Das zweite Kapitel setzt sich damit auseinander, dass die räumliche Erfahrung von Zahlen und Rechenoperationen sich positiv auf die numerisch-mathematische Kompetenz auswirken kann. So können Grundschulkinder z.B. mit Entwicklungen wie einer digitalen Tanzmatte die räumlich-numerische Verknüpfung ganz praktisch trainieren. Das dritte Kapitel zeigt, dass realitätsnahe Darstellungen, beispielsweise in Schulbüchern, zu viel mehr als nur zu dekorativen Zwecken dienen. Es wird erörtert, wie realistisch Bilder und Videos sein können, aber auch, inwieweit eine hohe Authentizität im Sinne der Verständlichkeit der Lerninhalte überhaupt anstrebenswert ist. Im vierten Kapitel wird anhand von Meilensteinen der technologischen Entwicklung vom Hypertext bis zur adaptiven multimodalen Interaktion herausgestellt, wie bedeutsam psychologische Forschung für technologische Innovationen ist. Zwei Forschungsgebiete, die Bewertung von Quellen bei der Internetsuche und die Interaktion mit Gesten und Touch-Bewegungen, werden in diesem Rahmen näher beleuchtet.
Die folgenden fünf Kapitel wenden sich Prozessen wie der Wissensproduktion, dem Wissensaustausch und der Wissensverarbeitung in digitalen Kontexten zu. Im fünften Beitrag wird dargestellt, dass beim Wissensaustausch immer auch soziale Prozesse eine Rolle spielen, welche das Teilen von Wissen fördern, aber auch behindern können. Es werden Vorschläge erörtert, wie durch bestimmte Kombinationen sozialer Konstellationen Barrieren des Wissensaustauschs überwunden werden können. Das sechste Kapitel stellt ein Rahmenmodell zum Wissensaustausch vor, welches relevante Input-, Output- und Prozessvariablen identifiziert. Der Mehrwert dieses Rahmenmodells liegt unter anderem darin, dass mit seiner Hilfe empirische Studien zum Wissensaustausch kategorisiert werden können, auch wenn sie aus verschiedenen Disziplinen stammen. Im siebten Kapitel werden die engen Verknüpfungen von individuellem Lernen und kollektiver Wissenskonstruktion hervorgehoben – zwei Ebenen, die in aktuellen Theorien sonst oft voneinander isoliert betrachtet werden. Das am IWM entwickelte Ko-Evolutionsmodell zeigt, dass insbesondere beim informellen Wissensaustausch beide Seiten voneinander profitieren und sich gegenseitig stimulieren. Der achte Beitrag beleuchtet, wie Aktivitäten, bei denen die Lernenden gestalterisch tätig sind und digitale Designs entwerfen, zu erfolgreichem Lernen beitragen können. Die Herausforderung, eine gute Passung zwischen Technologie, Gruppe, Aufgabe und Kontext zu finden, wird anhand von mehreren Studien zu Videokollaborationstools illustriert. Im neunten Kapitel wird diskutiert, inwiefern die Nutzung von privaten und beruflichen sozialen Netzwerken tatsächlich einen Vorteil für die Karriere bringt. Ob von dem in solchen Netzwerken erlangten Wissensvorsprung profitiert wird, hängt beispielsweise von Faktoren wie der Expertise der anderen Personen im Netzwerk, der Stärke der Bindung zu ihnen sowie dem Inhalt des Netzwerks ab. Im abschließenden Nachwort des Sammelbands, der gleichzeitig eine Festschrift zu Ehren von Prof. Dr. Dr. Friedrich W. Hesse ist, werden dessen Verdienste als Gründungsdirektor des IWM gewürdigt und die erfolgreiche Entwicklung des Instituts von seinen Anfängen bis zur Gegenwart nachgezeichnet.
Alle behandelten Themen werden in einen größeren Forschungskontext eingebettet und bieten den Lesenden dadurch einen komprimierten Einstieg in das jeweilige Forschungsgebiet und die relevanten Publikationen. Die Kapitel bieten durch ihre vielseitigen Inhalte Abwechslung und lenken die Lesenden durch prägnant überschriebene Teilabschnitte schnell zu den Textstellen, die für sie besonders interessant sein könnten. Die im Sammelband vorgestellte Perspektive der Psychologie lädt gerade Lesende aus anderen Disziplinen dazu ein, sich von den präsentierten Erkenntnissen herausfordern und inspirieren zu lassen. Der Sammelband kann insbesondere denjenigen empfohlen werden, die den Einsatz von Medien zielgerichteter gestalten möchten oder mehr über die zahlreichen Prozesse, die Interaktionen mit anderen Lernenden bestimmen, erfahren möchten.