Rezension Bauer & Baumgartner (2012)

Rezension zu Reinhard Bauer & Peter Baumgartner (2012): Schaufenster des Lernens. Eine Sammlung von Mustern zur Arbeit mit E-Portfolios. Münster: Waxmann.


Was sind E-Portfolios? Was sind Muster? Und welche Mustersprache wurde zur Beschreibung von E-Portfolios im vorliegenden Band verwendet? Dies sind die Leitfragen für die drei ersten, einleitenden Kapitel des Buchs. Die Autoren verstehen E-Portfolios, also elektronische Sammlungen digitaler Artefakte, als Lösung für das Problem, dass konventionelle Leistungsfeststellung darauf beruht, Defizite an fertigen Lernprodukten aufzuzeigen statt zur Reflexion des eigenen Lernprozesses anzuregen. Ein E-Portfolio dagegen erlaube die "Verknüpfung von Lernprodukt und Lernprozess und schafft dadurch eine Basis für die Dokumentation, Reflexion und Präsentation eigenen Lernens" (S. 55). E-Portfolios werden so zu "Schaufenstern", durch die Lernende verschiedenen Personen(gruppen) – also nicht nur Lehrenden, sondern z.B. auch Peers – von ihnen selbst ausgewählte Einblicke in ihre Lernergebnisse und -prozesse geben und dabei jeweils auch unterschiedliche Beteiligungs-, d.h. Lese- und Schreibrechte vergeben können.

Zur Darstellung der im Rahmen ihrer Forschungsarbeiten entwickelten Taxonomie von E-Portfolios wählten die Autoren den Ansatz der Entwurfsmuster (engl.: Pattern) als einen "Beschreibungsmodus […], der zwar möglichst praxisnah war, trotzdem jedoch allgemeine Gültigkeit für typische didaktische Situationen beanspruchen konnte" (S. 14). Patterns werden definiert als systematische Beschreibung der "Lösung für ein Problem in einem bestimmten Kontext" (S. 16). Dabei werden zwar immer bestimmte Beschreibungselemente verwendet, jedoch haben die Muster nicht den Charakter starrer Leitlinien. Vielmehr wird der Vorteil einer Sammlung solcher Muster darin gesehen, dass sie "implizit auf das komplexe Netzwerk didaktischer Dimensionen und Prinzipien verweist" (S. 14). Die Autoren er-läutern die Auswahl ihrer eigenen Entwurfsmustersprache auf der Grundlage einer vergleichenden Übersicht über verschiedene zurzeit vorliegende Modelle und beschreiben, wie solche Muster gelesen und angewendet werden sollten.

Das vierte Kapitel schließlich enthält 38 Handlungsmuster zur Arbeit mit E-Portfolios. Dabei unterscheiden Bauer & Baumgartner drei Hierarchie-Ebenen: Auf der Makro-Ebene beschreiben sie das "Konzept E-Portfolio" sowie als Grundtypen das Reflexions-, Entwicklungs- und Präsentationsportfolio (Muster 1– 4). Auf der Meso-Ebene werden Formen der Lehrorganisation und Arten der Motivation bei der Arbeit mit E-Portfolios in den Blick genommen (Muster 5–12), auf der Mikro-Ebene geht es unter den drei Hauptlinien "Mein persönliches Lernarchiv", "Mein Spiegel" und "Meine FreundInnen" um Muster für individuelles, reflektierendes und kollaboratives Lernen (Muster 13– 38). Bei der Fülle der vorgestellten E-Portfolio-Patterns erleichtert die hierarchische Gliederung die Orientierung. Jedoch ist jedes Muster ein eigenständiger Text, der für sich gelesen werden kann und auf wenigen Seiten einen lebendigen Überblick über das jeweilige Thema gibt. Die Beschreibungen enthalten (ähnlich wie die Patterns auf e-teaching.org) u.a. die Aspekte Umfeld, Problem, Lösung, Details, Stolpersteine, Vor- und Nachteile und – unverzichtbar bei Patterns – praktische Beispiele – denn schließlich geht es bei dem Ansatz auch darum, in der Praxis bereits vorhandene, er-probte Lösungsformen für die jeweiligen Problemstellungen systematisch aufzubereiten. Zudem gibt es im Anschluss an jedes einzelne Pattern fundierende Literaturhinweise.

Das Buch ist flüssig und teilweise sogar humorvoll geschrieben, z.B. durch die Auswahl der Beispiele, etwa wenn die Autoren sich auf Josephs Bergins "Do the Right Thing" als "Karikatur eines Patterns" beziehen, um zu erläutern, was ein Muster leisten kann und was nicht (S. 39). Anders als viele andere E-Learning-Handbücher, die häufig als "Textwüsten" kritisiert werden, enthält es eine Fülle von Illustrationen, die zum besseren Verständnis beitragen. In erster Linie ist das Buch eine praktische Handreichung – übrigens nicht nur für Lehrende, sondern auch für Lernende (wobei dies bei einem Konzept lebensbegleitender Portfolios auch fließend ineinander übergehen kann) –, zugleich geben die Autoren jedoch auch einen Einblick in den theoretischen Hintergrund von E-Portfolios und Patterns und beschreiben den Forschungs- und Entwicklungsprozess zu beiden Konzepten als Work-in-Progress, an dem sie die Lesenden teilnehmen lassen.
Letzte Änderung: 08.04.2015