Rezension: Einführung in die Mediendidaktik
Rezension zu: Petko, D. (2014). Einführung in die Mediendidaktik. Lehren und Lernen mit digitalen Medien. Weinheim: Beltz.von Gabi Reinmann, Mai 2014
„Generelle Aussagen über das Lernen mit Medien sind bei näherem Hinsehen kaum möglich. Die Palette der Lernmedien ist derart vielfältig, dass bestenfalls nur Aussagen über spezifische Medientypen möglich sind [...]. Die generelle Wirksamkeit des Lernens mit Medien zu untersuchen, ist deswegen ähnlich schwierig, wie generelle Aussagen über die Wirksamkeit von Medikamenten machen zu wollen. Jedes Medikament ist verschieden und muss separat untersucht werden” (Petko, 2014, S. 106).
Man hätte diese Sätze auch an den Anfang des Buches stellen können, das der Autor, Dominik Petko, als praxisorientierte Einführung in das Lehren und Lernen mit Medien konzipiert hat, denn: Wie andere Werke zur Mediendidaktik auch, dürfen die Leser/innen von dieser Neuerscheinung kein Rezeptbuch erwarten, das durchgängig evidenzbasiert ist und Handlungsempfehlungen gibt, die durch empirische Studien ein objektives wissenschaftliches Prüfsiegel haben. Erwarten dürfen die Leser/innen auch keine Handreichung für den Einsatz der digitalen Medien, weil deren Vielfalt so groß und dynamisch, deren Verwobenheit mit Lernzielen, -inhalten und -aufgaben so komplex, deren Interaktion mit individuellen Stärken, Schwächen, Präferenzen und Abneigungen von Lehrenden und Lernenden so eng und deren Einbettung in institutionelle, organisatorischen und technische Gegebenheiten der Kontexte so vielschichtig ist, dass der zitierte Medikamenten-Vergleich die Sachlage recht gut trifft.
Kann man unter diesen Umständen trotzdem ein Lehrbuch schreiben, das wissenschaftlichen Ansprüchen genügt und der Praxis hilft? Ja, kann man! Dominik Petkos Buch zeigt, dass das möglich und sinnvoll ist: Seine Einführung integriert Erkenntnisse theoretischer und empirischer Art und verknüpft sie mit Empfehlungen für Lehrende, die digitale Medien einsetzen wollen, ohne unangemessene Versprechungen zu machen, aber auch ohne sich jeglicher praktischer Präskription zu enthalten.
Als Zielgruppe hat Dominik Petko vor allem Lehrende an Schulen im Blick, weckt aber zum Einstieg (Kapitel 1) auch die Erwartung, dass E-Learning-Verantwortliche in Unternehmen oder Hochschulen von den Inhalten profitieren könnten. Diese Erwartung wird nur sehr bedingt erfüllt, da die Auswahl der Inhalte doch zu einem überwiegenden Teil auf die Schule zugeschnitten ist. Das ist kein Makel, sondern macht das Buch für Lehrende an Schulen umso interessanter (weil spezifischer), grenzt aber die Leserschaft eben doch ein wenig ein.
Das Buch beginnt mit der Frage „Was sind Medien?” (Kapitel 2). Hier könnte man vielleicht befürchten, dass lange und trockene Erläuterungen zum Medienbegriff anstehen. Aber der Autor schafft es, auf knapp zehn Seiten einen nachvollziehbaren und nützlichen Überblick über Medienbegriffe, -komponenten und -einteilungen zu geben, der zum Weiterlesen motiviert.
Das Weiterlesen führt einen zur zweiten entscheidenden Frage, was denn nun, nachdem man weiß, was Medien sind, eigentlich Lernen so alles bedeutet. Als Antwort folgen Ausführungen lerntheoretischer Art (Kapitel 3). Diese sind offenbar obligatorisch und für den mediendidaktischen Novizen sicher informativ. Ich bin ich mir allerdings inzwischen nicht mehr sicher, ob man Lerntheorien zu Beginn eines Einstiegs in die Mediendidaktik wirklich braucht. Dominik Petko klagt selbst über die meist „relativ holzschnittartig” (S. 25) gestaltete Abhandlung von Behaviorismus, Kognitivismus und Konstruktivismus, wie man sie an vielen Stellen lesen kann, will darauf aber mit dem Ziel einer Sensibilisierung der Leser/innen nicht verzichten. Ergänzt werden die klassischen Lerntheorien durch Hinweise auf Emotions- und Motivationstheorien inklusive eines Exkurses zu neurowissenschaftlichen Ansätzen, auch wenn deren erziehungswissenschaftliche Relevanz immer noch fraglich sei (S. 39).
Richtig mediendidaktisch wird es dann im Herzstück des Buches, dem seitenstärksten Kapitel „Digitale Lern- und Unterrichtsmedien” (Kapitel 4): Lesen und Schreiben mit Medien, Veranschaulichen mit Medien, Aktivieren mit Medien, Rechnen und Programmieren mit Medien, Kommunizieren mit Medien, Prüfen und Beurteilen mit Medien – das sind Kategorien, die unmittelbar einleuchten und auch dem in der Praxis tätigen Lehrenden einen guten Einstieg in das Lehr-Lernpotenzial digitaler Medien geben. Mit dieser Struktur leitet Dominik Petko die Leser/innen anschaulich durch verschiedene Medientypen und Medienanwendungen. Etwas mehr Raum als andere eingestreute Konzepte nimmt hier das des Spielens ein, das sich gut in die Gesamtargumentation einfügt und sich vom bisweilen undifferenzierten Jubel auf „Gamification” wohltuend abhebt. Ein wenig aus dem Duktus der Argumentation fallen für mich die beiden Unterkapitel „Ansätze des Instruktionsdesigns” sowie Erläuterungen zu den Begriffen „E-Learning und Blended Learning”. Trotz dieses Bruchs aber sind auch diese Ausführungen gut zu verstehen und für die Klärung gängiger Bezeichnungen rund um mediendidaktische Frage wohl auch notwendig – wenn auch, aus meiner Sicht, nicht so ganz am richtigen Platz.
Das Kapitel „Medien im Unterricht” (Kapitel 5) beginnt mit einigen allgemein-didaktisch relevanten Aspekten der Planung von Unterricht: Zu fragen ist, wie man Lehr- und Lernziele bestimmt, Lernvoraussetzungen berücksichtigt und letztlich Medien als Elemente einer Lernumgebung verwendet. Alle drei Aspekte klingen logisch, sind gängig und in der Praxis doch so herausfordernd, dass man dafür sogar noch ein paar Seiten mehr hätte vergeben können. Der Autor greift hier unter anderem auf ein medienangereichertes didaktisches Dreieck (S. 116) zurück, das mitunter als zu trivial eingeschätzt wird. Ich denke aber, es erfüllt sehr gut seinen (vor allem strukturierenden) Zweck und beweist auch in Petkos Buch, dass es an Komplexität wächst, wenn man es nur genau genug beleuchtet. Das Dreieck weist den Medien eine Vielzahl an Funktionen und Zielen zu, nämlich Medien als Informations- und Präsentationsmittel, als Mittel zur Gestaltung von Lernaufgaben, als Werkzeug und Arbeitsmittel, als Mittel zur Lernberatung und Kommunikation sowie als Mittel zur Prüfung und Beurteilung. Auch wenn diese „Mittel” teilweise auf unterschiedlichen logischen Ebenen liegen, ergänzen diese noch einmal gut die Ausführungen aus dem vierten Kapitel. Die nachfolgenden Unterkapitel zu Medien im Deutsch-, Fremdsprachen-, Mathematik-, Sach- und Sportunterricht, in musischen und gestalterischen Fächern sowie zur Förderung von überfachlichen- und Medienkompetenzen bieten den Leser/innen aus dem Kontext Schule einen breit gefächerten und dennoch kurzen Durchgang durch die fachspezifischen Nutzungsmöglichkeiten digitaler Medien. Leser/innen aus anderen Bildungskontexten merken spätestens hier, dass sie nicht zur Kernzielgruppe des Buches gehören.
Die weitgehende Eingrenzung auf den Kontext Schule setzt sich auch im letzten Kapitel fort (Kapitel 6), in dem Dominik Petko die schulischen Rahmenbedingungen für den Einsatz digitaler Medien erläutert. In einigen Punkten dürften diese zwar auch für Hochschulen gelten, aber für Unternehmen doch noch einmal ganz anders gelagert sein. Bildungssystem, Schule, Lehrperson und Schüler (S. 136) bilden die Ebenen eines Modells zur Integration digitaler Medien, die sowohl separat als auch in ihrer Verschränkung verstanden werden müssen. Wenn Petko (S. 139) in diesem Zusammenhang fordert, dass die Einführung digitaler Medien im Idealfall einen Beitrag zur Lösung drängender Probleme leisten sollte, so klingt das selbstverständlich – ist es aber nicht. Oft genug schaffen digitale Medien auch neue Probleme und beeinträchtigen die Betroffenen (im schlimmsten Fall langfristig) darin, die bestehenden Chancen digitaler Medien für das Lehren und Lernen zu erkennen und zu nutzen. Genau das dürfte dann doch wieder kontextübergreifend von Bedeutung sein (man denke nur an fehlerhafte oder unflexible Campus Management Systeme an Hochschulen). Das Kapitel und damit auch das Buch endet mit einer kurzen Diskussion, inwieweit Mediendidaktik eine wissenschaftliche Disziplin ist und wohin sie eigentlich gehört. Vielleicht hätte man daraus besser ein Schlusswort gemacht, da es sich in die Logik der vorausgehenden Ausführungen nicht recht fügen will. Aber wie auch immer: Dem Vorschlag, Mediendidaktik als Teil der allgemeinen Didaktik zu sehen, kann ich nur zustimmen. Mit dem weiteren Vorschlag, Mediendidaktik transdisziplinär zu konzipieren, wäre das allemal vereinbar, ist doch auch die allgemeine Didaktik – wenn man sie nicht auf die Schule beschränkt – so angelegt, dass sie sowohl inter- als auch transdisziplinär arbeiten müsste.
Dominik Petkos Einführung in die Mediendidaktik konzipiert diese (Teil-)Disziplin nicht gänzlich neu und liefert denn auch keine größeren Überraschungen, aber ein solcher Anspruch wird auch nicht formuliert. Das Buch ist aus meiner Sicht eine solide und gut verständliche Einführung, die eine ausbalancierte Mischung bietet aus wissenschaftlichen Erkenntnissen, die sich als Hintergrundwissen eigenen, und praktischen Empfehlungen, die man im eigenen Lehrhandeln erproben kann. Dass der Autor sowohl in der mediendidaktischen Forschungslandschaft zuhause ist und die Anforderungen in der Schulpraxis kennt, schlägt sich in fast allen Kapiteln überzeugend nieder und macht das Buch auch für Studierende bildungswissenschaftlicher Studiengänge zu einer empfehlenswerten Einstiegslektüre.