Vorlesungsaufzeichnung
Vorlesungsaufzeichnungen bieten Studierenden die Möglichkeit, Inhalte im Hinblick auf eine zukünftige Veranstaltung vorzubereiten, bereits erlerntes Wissen nachzubereiten oder gezielt für Prüfungen zu wiederholen. In der Regel handelt es sich um einfache Mitschnitte von Vorlesungen, sie können aber auch speziell erstellt oder nachbearbeitet werden.
Durch die Aufzeichnung von Vorlesungen erhalten die Studierenden die Möglichkeit, die Vorlesungsinhalte beliebig oft, in individueller Reihenfolge sowie im eigenen Lerntempo anzusehen und sich das dargestellte Wissen unabhängig von Vorlesungszeiten und Hörsälen anzueignen. Im Rahmen des Flipped bzw. Inverted Classroom ermöglicht der Einsatz videobasierter Veranstaltungsaufzeichnungen den Dozierenden, ihre Vorlesungen neu zu gestalten. Vorlesungsaufzeichnungen können hierbei zur Vorbereitung und Wissensvermittlung eingesetzt werden – die Präsenztermine/-vorlesungen stehen anschließend zur Diskussion, Reflexion und Vertiefung der Wissensinhalte zur Verfügung.
Aufzeichnung
Vorlesungsaufzeichnungen sind die (zahlenmässig) beliebteste Möglichkeit der Erstellung von Lehrvideos. Grundsätzlich gibt es dafür institutionell drei verschiedene Ansätze:
- Automatisierte Aufzeichnungen: In entsprechend ausgestatteten Hörsälen ist Technik schon eingebaut, die häufig zeitgesteuert die Aufzeichnung startet und stoppt. Je nach lokalen Anforderungen kann dies aber auch von den Lehrenden vor Ort ausgelöst werden. Auf diese Weise können zu vergleichsweise geringen Kosten sehr viele Lehrveranstaltungen aufgezeichnet und den Studierenden (sowie bei Bedarf auch externen Personengruppen) zur Verfügung gestellt werden.
- Mobile Aufzeichnungen: Nicht in allen Hochschulen sind ausreichend Räume mit Aufzeichnungstechnik ausgestattet, weshalb dort bei Bedarf Videoproduktionsteams für die Veranstaltung eingesetzt werden. Diese Lösung skaliert leider nicht besonders gut, wenn der Bedarf an entsprechenden Aufzeichnungen größer wird und ist auch deutlich fehleranfälliger. Positiv sei aber vermerkt, dass hier häufig Kameraleute vor Ort sind, die sich um eine attraktive Bildgestaltung (Tafel!) kümmern können.
- Aufzeichnungen durch Lehrende: Einige Hochschulen stellen Softwarelösungen bereit, mit denen Lehrende selbst ihre Vorlesungen am eigenen oder einem bereitgestellten Rechner aufzeichnen können. Diese Lösung kann auch sehr gut skalieren, verlangt von den Lehrenden aber größere Sorgfalt und ein gewisses technisches Verständnis.
Rahmenbedingungen
- Die Hochschule muss über ausreichend Personal mit technischen Kenntnissen und geeignete Hard- und Software verfügen, um Vorlesungsaufzeichnungen zu erstellen.
- Es müssen ausreichend IT-Ressourcen zur Verfügung stehen, um die Vorlesungsaufzeichnungen für die Studierenden zugänglich zu machen. Alternativ kann hier auch auf externe Dienstleister (Cloud) zurückgegriffen werden
Vorteile
- Die Studierenden erhalten die Möglichkeit, die Vorlesungsinhalte beliebig oft, in individueller Reihenfolge sowie im eigenen Lerntempo anzusehen und sich das dargestellte Wissen unabhängig von Vorlesungszeiten und Hörsälen anzueignen („anytime, anywhere”).
- Die Lerninhalte werden gleichzeitig als auditives und visuelles Material zur Verfügung gestellt. Eine nach didaktischen Prinzipien strukturierte, synchrone Aufbereitung des Lernmaterials hat positive Auswirkungen auf die Lernmotivation der Studierenden.
- Vorlesungsaufzeichnungen können ggf. auch Zwischenfragen von Studierenden, verschiedene Interaktionen und Reaktionen der Anwesenden einfangen. Hierfür werden allerdings Hand- bzw. Raummikrofone benötigt.
- Der größte Vorteil für Lehrende besteht darin, dass sich Lerninhalte fast ohne zeitlichen Mehraufwand erfassen lassen, im Gegensatz zu redaktionell und didaktisch speziell erstellten Videos oder anderen Lehrmaterialien.
- Zudem ermöglicht die Vorlesungsaufzeichnung den Dozierenden, ihre Vorlesungen zu analysieren und ggf. neu zu gestalten, sowohl auf Basis einer Betrachtung der Aufzeichnungen wie auch in Reaktion auf Statistiken der Nutzung.
Nachteile
- Es besteht die Gefahr, dass das Lernen im Rahmen einer Vorlesungsaufzeichnung durch die Studierenden unterschätzt, d.h. nicht richtig ernst genommen wird. Indem sich der Lernende weniger stark auf die Inhalte konzentriert und zudem leichter von Umwelteinflüssen ablenken lässt, nimmt er das dargestellte Wissen nur beiläufig und oberflächlich wahr (Schiefner, 2008).
- Haben Studierende die Möglichkeit, auf den Mitschnitt einer Vorlesung zuzugreifen und diesen so oft wie gewünscht anzusehen, wird der Besuch der entsprechenden Vorlesung aus studentischer Sicht überflüssig. Zudem fällt die Notwendigkeit von Notizen während des Vortrags und deren positive Auswirkungen auf den Lern- und Merkprozess weg.
- Beim Erstellen von verschiedenen Lernmedien sollten neben didaktischen Aspekten auch lernpsychologische Prozesse beachtet werden. Wird eine Vorlesung daher einfach nur live mitgeschnitten und aufgezeichnet, so handelt es sich hierbei nicht automatisch um ein effektiv aufbereitetes, multimediales Lehrmedium.
- Die Videoaufzeichnung einer Vorlesung kann eine Präsenzveranstaltung nicht vollständig ersetzen und muss daher immer ausreichend betreut werden. In Präsenzveranstaltungen sollten Vorlesungsinhalte gemeinsam nachbearbeitet und diskutiert werden, um ein Verstehen des Gelernten und ausreichende Lernmotivation zu garantieren.
- Im Falle einer Vorlesungsaufzeichnung gibt es keine Möglichkeit der direkten Kommunikation mit Lehrenden und zwischen Studierenden. Bei Nachfragen müssen daher andere Plattformen zu diesem Zweck geschaffen werden
Details
- Damit Studierende optimal mit einer Vorlesungsaufzeichnung lernen und ihr Wissen durch gezieltes Wiederholen festigen können, sollten die Videos über eine Suchfunktion verfügen. So können die Lernenden spezielle Inhalte und Themengebiete schnell finden und werden bei der Auswahl der für sie wichtigen Informationen unterstützt. Vorlesungsaufzeichnungen sollten, wie auch alle anderen Unterrichtsformen, einem didaktischen Grundkonzept folgen, damit sie sich positiv auf den Lernprozess der Studierenden auswirken können.
- Die inhaltliche Komposition der Videos (digitale Inhalte vs. Kamera) sollte vor dem Hintergrund der jeweiligen Lehrsettings erfolgen: Bei digitalen Präsentationen ist das (Bewegt-)Bild der Vortragende nicht zwingend erforderlich oder sogar störend (auch für die Lehrenden). Bei Nutzung der Tafel oder der Verwendung von Gegenständen (Demonstration/Manipulation) durch Lehrende braucht es eine bediente oder hochauflösende Kamera, letztere in Kombination mit einem Zoom im Videoplayer.
Ausführlichere Informationen zur technischen Nutzung und Gestaltung von Videos in der Lehre finden sich auf der Portalseite Video im Bereich Medientechnik.
Beispiele
- An der Universität Osnabrück kommen automatisierte Veranstaltungsaufzeichnungen zum Einsatz. Mehrere Räume sind mit fest installierter Aufzeichnungstechnik (Kameras, Aufzeichnungsrechner usw.) ausgerüstet. Dort stattfindende Lehrveranstaltungen können mit Hilfe des Aufzeichnungssystems Opencast zeitgesteuert automatisiert aufgezeichnet und nach Konvertierung in das richtige Format über das Lernmanagementsystem Stud.IP den Studierenden bereitgestellt werden.
- Eine große Auswahl an Vorlesungsaufzeichnungen bietet u. a. das TIB-AV-Portal. Die offene, nicht-kommerzielle Plattform des Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften und Universitätsbibliothek (TIB) beinhaltet instruktive Lehr- und Erklärfilme, Experimente und Simulationen, Konferenzaufzeichnungen uvm.
- Viele Hochschulen stellen Vorlesungsaufzeichnungen über eigene Plattformen zur Verfügung, wie bspw. die ETH Zürich mit ihrem Videoportal. Während einige dieser Aufzeichnungen ohne Zugangsbeschränkungen von allen Interessierten abgerufen werden können, sind andere nur für einen begrenzten Personenkreis mit Anmeldung zugänglich.
- Eine Übersicht über zahlreiche Lern- und Medienplattformen unterschiedlicher Hochschulen und Hochschulverbünde erhalten Sie in der Sammlung Lehr- und Lernmaterialien auf e-teaching.org. Mit der entsprechenden Filterkategorie können hier gezielt Videos und Vorlesungsaufzeichnungen ausgewählt werden.