MOOCs – Hintergründe und Didaktik

MOOCs sind „Massive Open Online Courses“. Der erste MOOC-Kurs wurde 2008 von Stephen Downes und George Siemens durchgeführt. Wie hat sich das Format seitdem entwickelt und welche verschiedenartigen MOOCs existieren? Der Artikel beschreibt den Stand von MOOCs in Deutschland und umreißt einige noch offene Fragen.

Im November 2012 erklärte die New York Times das Jahr 2012 zum Year of the MOOC – während der jährlich erscheinende Horizon Report, eine der weltweit renommiertesten E-Learning-Trendstudien, den Begriff im Februar 2012 noch gar nicht erwähnte. Seitdem wurde das Phänomen auch in den deutschen Medien und in der Öffentlichkeit lebhaft diskutiert, so etwa in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in der duz oder in der ZEIT (fortgesetzt wurde die Diskussion hier u.a. in den Ausgaben 48/2013 und 4/2014).

Begriffsbestimmung

M - Massive: Inzwischen beginnt sich die Festlegung zu etablieren, dass Teilnehmerzahlen ab 150 Personen als „massive“ gelten können, da man dann nicht mehr jeden einzelnen Teilnehmenden kennen kann. Teilweise wird unterschieden zwischen

  • „massive“: instruktional konzipierten Kursen mit Teilnehmerzahlen, die in die 100.000de gehen können (s.u. xMOOC) und
  • „massively“: konnektivistisch/kontruktivistisch konzipierten Kursen, bei denen die Interaktion der Teilnehmenden im Mittelpunkt steht. Auch solche Kurse können über Tausende von Teilnehmern haben, manchmal sind es jedoch auch „nur“ um die 100 (s.u. cMOOC).

O - Open: Die Offenheit bezieht sich auf unterschiedliche Aspekte:

  • keine Zulassungsbeschränkung (formaler Art, Teilnehmerzahl usw.),
  • Kostenfreiheit (Kursgebühren, Materialien usw.),
  • bei cMOOCs auch auf die dezentrale, offene Infrastruktur, die Offenheit der Lernziele (die durch die Teilnehmenden definiert werden), die verwendeten Tools usw.

O - Online: Nur rein webbasierte Kurse ermöglichen eine freie, ortsunabängige Zugänglichkeit.

  • Zentrale Anlaufstelle der Kurse ist eine Seite / ein Kursraum im Netz. Die Distribution der Materialien und die Kommunikation erfolgen rein online, bei cMOOCs häufig über ein Blogsystem, ein Wiki oder speziell entwickelte Werkzeuge zur Aggregation verteilter Inhalte, bei xMOOC i.d.R. über Lernplattformen.

  • Inzwischen entstehen - allerdings sehr selten - auch „blended MOOCs“, bei denen sich einige Teilnehmende/Gruppen auch präsent vor Ort treffen.

C - Course: Im Gegensatz zu Open Educational Resources (OER), also frei im Netz zugänglichen offenen Bildungsressourcen, ist ein MOOC als Lehrveranstaltung konzipiert.

  • Zu der „kursförmigen“ Organisation gehören z.B. ein fester Start- und Endtermin, die Strukturierung in unterschiedliche Themeneinheiten, einer oder mehrere Lehrende, ggf. Betreuungsangebote, andere Kursteilnehmende etc.
  • In Bezug auf c-MOOCs wird das „C“ auch verstanden als „Community“, „Communication“, „Collaboration“ etc.

Geschichte und Entwicklung

Als erster MOOC gilt der von den kanadischen E-Learning-Experten Stephen Downes und George Siemens 2008 durchgeführte offene Online Kurs „Connectivism and Connective Knowledge“ (CCK08). Dem Inhalt entsprechend, war auch das Format des Kurses konnektivistisch: Die Teilnehmenden legten selbst ihre Lernziele fest, steuerten per Blog, RSS etc. eigene Inhalte bei usw. Der von Dave Cormier geprägte Begriff MOOC bezog sich auf diese Ursprungsform, für die Downes inzwischen die Bezeichnung „cMOOC“ vorgeschlagen hat.

Ende 2011 wurden erstmals drei Informatik-Kurse der Stanford-Universität als offene Online Kurse angeboten, die instruktional konzipiert waren und aus einem Wechsel von kurzen Video-Sequenzen und anschließenden Multiple-Choice-Fragen bestanden. Bereits an diesen ersten Kursen nahmen weltweit 90.000 Personen teil, Folgekurse erreichten bis zu 160.000 Personen. Dem Initiator dieser Kurse, Sebastian Thrun, wird inzwischen oft das Verdienst zugeschrieben, die MOOCs erfunden zu haben; in der Öffentlichkeit wird der Begriff MOOC mit dieser Kursform assoziiert, die in der Fach-Community als xMOOC bezeichnet wird.

Der Erfolg der ersten xMOOCs und das weltweit außerordentlich große Medieninteresse führte in den USA in sehr rascher Folge zu der Gründung mehrerer Konsortien, die xMOOCs anbieten (udacity, coursera, edX u. a.). Dabei handelt es sich um Ausgründungen von Universitäten, Zusammenschlüsse von Universitäten, Kooperationen von Universitäten und Unternehmen usw., denen sich derzeit immer noch neue Partner anschließen.

Aktuelle Differenzierungen:

  • cMOOC: Das "c" bezieht sich auf "connektivistisch bzw. construktivistisch" konzipierte MOOCs, also die von Downes/Siemens ursprünglich intendierte, seminarähnlich konzipierte Kursform. Beispiele sind der OPCO11 und der OPCO12.
  • xMOOC: x steht für „Extension“ – xMOOCs sind i.d.R. instruktional bzw. vorlesungsähnlich konzipiert und haben oft sehr hohe Teilnehmerzahlen, Beispiele sind die Kurse bei Udacity, Coursera etc.
  • bMOOC: Die bisher eher seltenen "blended MOOCs" verbinden eine „geschlossenen“ – z.B. universitäre – Präsenzveranstaltung mit einem „offenen Teilnehmerkreis“ außerhalb der geschlossenen Gruppe (seminarähnlich); ein Beispiel ist der OCWL11.
  • smOOC: Die Abkürzung steht für "small OOCs", also Offene Online Course mit relativ kleinen Teilnehmerzahlen, die i.d.R. eher seminarähnlich konzipiert sind. Beispiele sind der #fslt12 und der Mooc Maker Course 2013 (MMC13). 

MOOCs im deutschsprachigen Raum

In der deutschsprachigen E-Learning-Community wurde seit dem Kurs von Downes/Siemens 2008 das Konzept der cMOOCs intensiv diskutiert und stößt aufgrund seines didaktischen Konzepts auf großes Interesse. So war auch der OPCO11, der erste deutschsprachige MOOC, der von April bis Juli 2011 von studiumdigitale (der zentralen eLearning-Einrichtung der Univ. Frankfurt) in Kooperation mit dem Weiterbildungsblogger Jochen Robes durchgeführt wurde ein cMOOC. Ob xMOOCs die mit ihnen verbundenen Erwartung erfüllen, wird dagegen oft eher kritisch beurteilt, z.B. in eine Keynote von Rolf Schulmeister bei der Campus Innovation 2012 zeigte.

Einer breiteren Öffentlichkeit wurden MOOCs allerdings auch in Deutschland erst mit den Medienberichten über den Erfolg der xMOOC-Angebote aus den USA bekannt. Dies führte auch zu einer erhöhten Berichterstattung über den Stand von E-Learning in Deutschland und die Bedeutung von MOOCs für das Bildungswesen, z.B. in Bezug auf die zukünftige Rolle von Universitäten, die Demokratisierung und Globalisierung der Bildung usw.

Deutschsprachige cMOOCs, bMOOCs und smOOCs im Kontext Hochschule

xMOOC-Angebote/-Plattformen in Deutschland

  • Hasso-Plattner-Institut: https://openhpi.de/about/openhpi
  • imc AG und Univ. des Saarlandes in Kooperation mit weiteren Hochschulen und anderen Partnern: http://www.opencourseworld.de/home
  • Digital School der Leuphana Univ. Lüneburg in Kooperation mit der Fraunhofer Gesellschaft: Von 23.01. – 28.03.2013 wurde der erste Kurs zum Thema „ThinkTank Cities“ unter Leitung des Architekten Daniel Libeskind angeboten.
  • iversity und Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft: Im Rahmen der im Frühjahr 2013 gemeinsam ausgeschriebenen MOOC Production Fellowship wurden Preisgelder in Höhe von je 25.000 für die Produktion von zehn MOOCs vergeben. Seit dem WS 2013/14 sind die ersten Kurse auf einer von iversity entwickelten Plattform für alle Interessierten kostenfrei zugänglich, weitere sollen im SoSe 2014 folgen.

Offene Fragen

MOOCs – insbesondere xMOOCs – sind noch ein sehr neues Phänomen, dessen weitere Entwicklung kaum abzusehen ist. Im Zusammenhang damit werden u.a. die folgenden Fragen diskutiert:

Wer sind die Teilnehmenden?
Offizielle Statistiken zu Teilnehmerzahlen und Abschlussraten für MOOCs liegen bisher kaum vor.
Zu den deutschsprachigen cMOOCs OPCO11 und OPCO12 hatten sich nur ca 13% Studierende angemeldet, ca. 60% der Teilnehmenden war im Bildungsbereich tätig, 15% waren Freiberufler. Die Altersgruppe der über 40-jährigen stellte mit über 50% die Mehrheit der Teilnehmenden, die Gruppe der 31-40-jährigen war mit 30%, die der 21-30-jährigen nur noch mit 12% vertreten.
Auch eine Umfrage in einem xMOOC ergab, dass der Altersdurchschnitt (zumindest der Personen die sich an der Umfrage beteiligten) bei 35 Jahren lag, über 40% von ihnen bereits einen Masterabschluss und knapp 10% einen Doktortitel besaßen.

Diese Zahlen legen nahe, dass MOOCs  zumindest unter den derzeitigen Voraussetzungen  für grundständige Studierende nur in geringem Maße von Interesse sind. Dies könnte sich jedoch ändern, falls Lösungen zum Ablegen valider Prüfungen gefunden werden und v.a. die angebotenen Kurse kompatibel mit bestehenden Curricula sind; derzeit scheinen die Angebote jedoch noch eher zufällig zu sein. Auf jeden Fall scheinen MOOCs von großem Interesse für Weiterbildungsinteressierte sein, die ggf. auch nur einzelne Kurse absolvieren wollen. Hier könnten auch von Hochschulen oder Hochschulkonsortien als Anbietern noch weitere Zielgruppen mit Weiterbildungsbedarf erschlossen werden.

MOOC-Didaktik

Derzeit befindet sich der Bereich der didaktischen Gestaltung von MOOCs noch im Experimentierstadium. Dies betrifft sowohl von cMOOCs als auch xMOOCs. In seiner Kritik an cMOOCs spricht Schulmeister u.a. von einer technikgetriebene Didaktik, der Missachtung von Diversität, pädagogischem Darwinismus und einer Nivellierung von Prüfungsleistungen. Jedoch können auch xMOOCs Lernende stark motivieren und zur Interaktion und Zusammenarbeit weit über die Angebote des Lehrenden hinaus anregen, z.B. in den Foren der Kurse, in Peer-Beratungen oder auch kursextern, etwa in Facebook-Gruppen mit teilweise tausenden von Teilnehmenden. Und auch in cMOOCs gibt es teilweise hohe Drop-Out-Quoten und beteiligt sich nur ein kleiner Personenkreis aktiv.

Über das Verständnis, die Entwicklung und notwendige Elemente einer MOOC-Didaktik gab es u.a. im MOOC Maker Course eine lebhafte Diskussion, die auf der Seite des Kurses nachgelesen werden kann. Sie bezieht sich u.a. auf Aspekte wie die Lerntheorie des bzw. der Veranstalter, die wiederum die didaktische Konzeption in Bezug auf verschiedene Aspekte beeinflusst, etwa Ziele und Zielgruppen, Inhalte und Kursstruktur (inhaltlicher Aufbau, Taktung, Betreuung und Moderation, Medienwahl), wie Claudia Bremer in einem Blogbeitrag ausführt.

Prüfungen

Im Zusammenhang mit den ersten xMOOCs wurde von hohen Zahlen bestandener Prüfungen berichtet, z.B. über 20.000 erfolgreiche Prüfungen im Kurs „Artifical Intelligence“ von Sebastian Thrun. Zunehmend ist inzwischen jedoch auch von sehr hohen Dropout-Quoten die Rede. Einer Zusammenstellung von Katy Jordan zufolge werden zwar in einigen Kursen bis zu 20% bestandene Prüfungen erreicht, meist liegt die Zahl jedoch unter 10%. Offene Fragen zu Prüfungen im Rahmen von MOOCs sind u.a.:

  • Die Authentifizierung von Prüfungsleistungen: Da es bei rein online abgelegten, automatisiert ausgewerteten Prüfungen nicht möglich ist, den Prüfling zweifelsfrei zu identifizieren, können solche Prüfungen – zumindest in Deutschland – kaum formal anerkannt werden. Damit valide Prüfungen abgelegt werden können, müssen zumindest derzeit noch andere Formen gefunden werden, z.B. die Durchführung von Prüfungen in Präsenzräumen oder die Verbindung des MOOC mit einer Veranstaltung an einer Hochschule.
  • Das Konzept der cMOOCs: Hier war zunächst gar keine Anerkennung oder Zertifizierung vorgesehen, da man davon ausging, dass die Motivation zur Teilnahme im Interesse am Thema und am Austausch liege. Zudem können die Anbieter der Kurse teilweise keine formellen Zertifikate vergeben. Derzeit wird in einigen cMOOCs das Konzept der Open Badges erprobt.

Grundsätzlich stellt sich im Zusammenhang mit den oben beschriebenen bisherigen Kenntnissen zum Profil der Teilnehmenden auch die Frage, ob diese Personengruppen überhaupt ein Interesse daran hat, Prüfungen abzulegen.

Geschäftsmodelle

Valide Geschäftsmodelle für MOOCs scheint es zurzeit noch nicht zu geben. Aktuell diskutierte Finanzierungsmodelle gehen davon aus, bestimmte Leistungen aus dem „Grundpaket“ auszugliedern, sie also nicht mehr „offen“ anzubieten. Gebühren könnten z.B. erhoben werden von Personen und / oder Institutionen:

  • von Teilnehmenden / Studierenden für authentifizierte Abschlüsse, Betreuung etc.
  • von Hochschulen für die Nutzung technischer Infrastrukturen, Support bei der Entwicklung eigener Angebote etc.
  • von Unternehmen für die Nutzung im Rahmen interner Weiterbildung, Werbeeinblendungen etc.

Eine Übersicht mit weiterführenden Quellenangaben findet sich bei Jonas Liepmann.

Veröffentlichungen

  • Cress, U. & Delgado Klos, C. (Eds.) (2014). Proceedings of the European MOOC Stakeholder Summit 2014. Lausanne, CH. Zum Volltext. (In diesem Band zwei Beiträge über cMOOCs enthalten, an denen e-teaching.org beteiligt war: Um den OPCO12 geht es in: Haug et al., S. 66-72; der COER13 wird behandelt in: Arnold, P. et al., S. 184-188.
  • Eine umfangreiche Liste englisch-sprachiger Artikel zum Thema MOOCs hat Katy Jordan zusammen getragen.
  • Bischof, Lukas & von Stuckrad, Thimo (2013). Die digitale (R)evoltion? Chancen und Risiken der Digitalisierung akademischer Lehre. CHE-Arbeitspapier Nr. 174. Zum Volltext. (Einen kurzen Überblick gibt die folgende Blogmeldung von e-teaching.org)
  • Schulmeister, Rolf (Hrsg.) (2013). MOOCs – Massive Open Online Courses. Offene Bildung oder Geschäftsmodell? Münster: Waxmann. Zum Volltext.  (Ein Überblick über den Band findet sich in der folgenden Blogmeldung von e-teaching.org.)

Weiterführende Informationen

Zurzeit werden fast täglich neue Artikel, Blogbeiträge, Online-Diskussionen usw. zum Thema MOOC veröffentlicht. An dieser Stelle sei nur auf einige zentrale Informationen verwiesen:

Letzte Änderung: 08.11.2021