Game Based Learning
Game Based Learning meint das Lernen mit (häufig digitalen) Spielen. Zugrunde liegt der Ansatz, Spiele so zu gestalten oder einzusetzen, dass mit ihnen Lerninhalte vermittelt oder erschlossen werden können. Das Lernen mit Spielen soll dabei nicht nur die Lernmotivation steigern, sondern durch die aktive Auseinandersetzung mit dem Spiel auch eine tiefere Verarbeitung der Lerninhalte fördern.
Bereits Ende der 1990er Jahre kamen – zunächst meist eher einfache – bildschirm-, computer- bzw. internetbasierte Spiele auch in (formellen) Lehr- und Lernkontexten zum Einsatz. Mit der Vermittlung von Wissen durch Spiele, insbesondere digitale Spiele, ist vor allem die Erwartung verbunden, die Motivation der Lernenden zu erhöhen und Lernprozesse durch die aktive Anwendung und Vertiefung von Kenntnissen zu unterstützen.
Seit Anfang des Jahrtausends hat sich dafür auch im deutschsprachigen Raum zunehmend der Begriff „Game Based Learning“ durchgesetzt (kurz GBL; dt.: auf Spielen basierendes Lernen); teilweise wird auch der Begriff „Digital Game Based Learning“ verwendet (kurz DGBL). Eine einheitliche Nomenklatur gibt es nicht; GBL meint häufig, aber nicht ausschließlich, das Lernen mit (digitalen) Spielen. Eine Definition von Game Based Learning auf abstrakter, generalisierbarer Ebene gestaltet sich als schwierig (Plass, Heidig, Hayward, Homer & Um, 2014). Weitere in diesem Kontext genutzte Begriffe sind „Serious Games“ oder „Educational Games“; eine genaue Abgrenzung gibt es bisher nicht (Fromme et al. 2008; 2010).
Alle Konzepte verbindet der Ansatz, Spiele mit „ernsten Absichten“, also zum Wissenserwerb bzw. zu Bildungszwecken, einzusetzen. Meist kommen dabei Lernspiele zum Einsatz, deren Inhalte, Struktur und Ablauf in pädagogischer Absicht gestaltet sind, die zugleich aber zentrale Merkmale von Spielen enthalten (Meier & Seufert, 2003); es können jedoch auch Freizeitspiele in einem Lernkontext eingesetzt werden. Auf dieser Seite finden Sie einen Überblick über Genres digitaler (Lern-) Spiele und Einsatzszenarien im Hochschulkontext, Informationen über (erwartete) Vorteile durch das Lernen mit Spielen sowie Gestaltungsprinzipien und Herausforderungen beim Lernen mit Spielen. Außerdem werden die verwandten Bereiche „Gamification“, „Edutainment“ und „Infotainment“ vorgestellt. Am Ende des Beitrags finden Sie Linklisten mit Beispielen und weiterführenden Informationen.
Spieltypen und Einsatzszenarien in der Hochschullehre
Digitale Spiele können unterschiedlichen Typen oder Genres zugeordnet werden. Häufig lassen sie sich jedoch nicht eindeutig klassifizieren, und teilweise sind die Übergänge fließend. Zu den Gattungen gehören z. B.
- Puzzlespiele (wie der Klassiker „Tetris“),
- Simulationen (z. B. Flug-, Auto- aber auch Wirtschaftssimulationen),
- Action-, Abenteuer-, Plan- und Rollenspiele ,
- Quizzes und Webquests, die als Lernspiele eingesetzt werden,
- Massively Multiplayer Online Games (MOOGs) / Massively Multiplayer Online Roleplay Games (MMORPGs)
- die Verknüpfung von Realität und Onlinespiel (z. B. beim Geo- oder Educaching sowie durch Nutzung von Augmented Reality) oder
- (Sport-) Spiele, die auf Gesten der Nutzenden reagieren (z. B. mit Hilfe von Spielkonsolen wie Wii oder Nintendo Switch).
Stetiger Beliebtheit erfreuen sich dabei Browser-Games, d. h. Spiele, die einen Webbrowser als Benutzerschnittstelle verwenden, und Social Games (auch Social Network Games), die soziale Netzwerke als Ausgangsplattform nutzen. Es handelt sich i.d.R. um asynchrone Online-Spiele mit geringer Komplexität, die ein gewisses Maß an Interaktion erfordern und an denen sich oft viele Personen beteiligen. Mit der Eignung von mobilen Geräten wie Smartphones und Tablets als Spielplattformen ist außerdem eine Zunahme von „Casual Games" verbunden, die meist geringere Anforderungen an die Hardware stellen, weniger komplex sind und damit für „gelegentliche“ (engl. „casual") und beiläufige Nutzung geeignet sind (Le et al., 2013).
Der Begriff Game Based Learning umfasst sehr unterschiedliche Konzepte und Ansätze. Bereits die verschiedenen Spieltypen eröffnen ein kaum überschaubares Feld an Gestaltungsmöglichkeiten. Zudem können Spiele auf verschiedene Weise in ein Lernszenario integriert werden: Entweder werden Spiele – ggf. auch nur kurze Spielsequenzen – in eine Lernsituation eingebettet, oder Lernaufgaben in ein Spiel eingefügt (Kerres et al., 2009). Im Hochschulkontext werden die Spiele häufig als ergänzendes Material genutzt, das Studierende zur Vor- oder Nachbereitung einer Veranstaltung spielen sollen, teilweise aber auch eingebunden in die Veranstaltung selbst (Brown, Communale, Wigdahl, & Urdaneta-Hartmann al., 2018). Sogar eine komplette Lehrveranstaltung kann, allerdings mit einigem Aufwand, als ein Spiel gestaltet werden, mehr dazu im Abschnitt Gamification.
Ob und wie in Spielen erbrachte Lernleistungen auf die Leistungen im Kurs oder Modul anrechenbar sind, muss jeweils für den konkreten Fall festgelegt werden. Für gewöhnlich sollen Spiele – ob digitale oder analoge – im Game Based Learning-Ansatz die Wissensvermittlung über klassische Kanäle wie Vorlesungen oder Seminare allerdings nicht ersetzen, sondern nur als begleitendes Material dienen. Ob und wie viel neues Wissen durch das Spielen vermittelt wird, hängt vom Spiel und von der Lehrveranstaltung bzw. den Dozierenden ab.
Lernen durch Spielen: (erwartete) Vorteile
Spielen ist in der Regel ein komplexer Prozess an sich, bei dem vieles quasi „nebenbei“ gelernt wird: die Spielidee, die Regeln, bestimmte Abläufe, Geschicklichkeit usw. Vor allem aber sind die Spielenden meist sehr engagiert und emotional involviert. Insbesondere aus diesem Grund werden aus didaktischer Perspektive hohe Erwartungen mit GBL verbunden, z. B. eine erhöhte Motivation, eine größere Subjektzentrierung und eine aktivere Rolle der Lernenden (Schwan, 2006; Plass, Homer & Kinzer, 2015). Das Ziel ist die Entwicklung von neuen Lernmethoden, die einerseits didaktischen Maßstäben und Lehrplänen gerecht werden, andererseits aber auch an die Bedürfnisse und Wünsche der Zielgruppe angepasst sind. Darüber hinaus kann die spielerische, aktive Erprobung von Fähigkeiten und Kenntnissen Lernprozesse und eigenverantwortliches Lernen unterstützen, „das Verständnis für komplexe Zusammenhänge und dynamische Entwicklungen fördern“ (Schwan, 2006; Garris et al., 2002) sowie aktives, konstruktives, selbstgesteuertes, soziales, emotionales und situiertes Lernen fördern (Le et al., 2013 unter Rückgriff auf Meier & Seufert 2003). Andererseits können Computer-Lernspiele aber auch auf instruktionistischen Konzepten beruhen und vor allem das Training fördern, echtes Lernen aber vernachlässigen (Schwan, 2006).
Die Forschendengruppe um Plass (2015) stellen vier zentrale Thesen vor, die häufig als Argumente für GBL aufgeführt werden: (1) Spiele seien so konzipiert, dass sie die Spielenden bei der Stange halten und zum Weiterspielen motivieren, oft durch Belohnungen wie Sterne, Badges und Co. (2) Spiele könnten das kognitive, affektive, behaviorale und soziokulturelle Engagement der Spielenden fördern, wobei meist die Förderung des kognitiven Engagements im Fokus stehe. (3) Spiele böten grundsätzlich die Möglichkeit, sich an die Spielenden anzupassen. Für diese sog. Adaptivität müssten allerdings zunächst die gewünschten Variablen (z. B. Vorwissen) gemessen und die entsprechenden Anpassungen hinsichtlich der Spielantwort zur Verfügung gestellt werden. (4) Im Spiel sei „Graceful Failure“ möglich, man könne also mit weniger Konsequenzen scheitern als außerhalb des Spiels. Das führe zu mehr Risikoverhalten, Ausprobieren und Exploration und böte damit die Gelegenheit für selbstgesteuertes Lernen.
Kennzeichen und Gestaltung guter Lernspiele
Als kennzeichnende Merkmale für Spiele im Allgemeinen nennen Meier und Seufert (2003):
- eine rahmengebende Spielidee oder Story, die intrinsische Motivation hervorruft,
- Spielregeln, deren Beachtung den Ablauf des Spiels steuert,
- eine Handlungssituation, die ein hohes Maß an aktiver Beteiligung und Selbststeuerung erlaubt sowie
- das Fehlen von Erwartungen an direkten Nutzen und effektive Ergebnisse des Spiels.
Zum Spielspaß tragen unterschiedliche Faktoren bei: die Erfahrung von Autonomie, Kompetenz, Verbundenheit mit anderen, Immersions- bzw. Präsenzgefühl und Beherrschung der Spieleingabe (Przybylski, Rigby, & Ryan, 2010; Ryan, Rigby, & Przybylski, 2006), Spannung sowie der Eindruck von Lebens- bzw. Rollenerfahrung durch das Eintauchen in eine Spielwelt (Klimmt, 2008). Gut erforscht im Bezug auf Lernen im Allgemeinen und digitale Spiele im Speziellen ist die Self Determination Theory, die u. a. postuliert, dass psychisches Wohlbefinden von der Befriedigung der Bedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und Verbundenheitserleben abhängt (Deci & Ryan, 2000; Ryan & Deci, 2000). Studien legen nahe, dass das Erfüllen dieser Bedürfnisse eng mit intrinsischer Motivation verbunden ist, auch im Bezug auf digitale Spiele (Przybylski et al, 2010; Ryan et al., 2006).
Vor diesem Hintergrund fragt Schwan (2006) nach Faktoren, welche dazu führen, dass Lernende sich gerne mit einem Lernspiel befassen. Dabei fasst er 13 von Gee (2003) genannte Prinzipien in drei Hauptkategorien zusammen. Demnach sollten Lernspiele:
- (1) Handlungsspielräume eröffnen: Lernende sollen sich als Produzierende (nicht Konsumierende) fühlen, ihrem persönlichen Stil entsprechend agieren, sich neue Identitäten schaffen können und Möglichkeiten zur Manipulation der Umgebung haben.
- (2) Kompetenzen zum Lösen von Problemen unterstützen: Lernspiele sollten u. a. Probleme vorstrukturieren, positives Feedback geben, abgestufte Levels verwenden, an geeigneten Stellen Instruktionen geben, die Möglichkeit eröffnen, Fertigkeiten im Kontext zu üben und – je nach Lernziel – im Sinne einer didaktischen Reduktion die Komplexität eines Gegenstands reduzieren oder umgekehrt „Sandkastenbedingungen“ zur Erprobung komplexer Zusammenhänge schaffen.
- (3) Prinzipien verwenden, die das Verständnis fördern, z. B. das Systemdenken fördern oder die Möglichkeit schaffen, eigene Erfahrungen zu machen.
Zu den didaktischen Gestaltungsregeln von Lernspielen gehören u.a. die Ansprache der Fantasie und Neugier, die Vorgabe klarer Regeln, Rückmeldungen, eine angemessene Herausforderung und die Übertragung von Kontrolle an die Spielenden (Garris et al., 2002; Schwan, 2006).
Schwierigkeiten beim Lernen durch Spielen
Trotz stetig wachsender Zahl an Freizeit-Spielenden hat GBL bisher noch keinen echten Durchbruch erzielt. Ursachen für die Schwierigkeiten bei der Durchsetzung von GBL werden auf unterschiedlichen Ebenen gesehen:
- Viele Lernspiele erreichen technisch, ästhetisch und im Game Design nicht die Qualität, die Spielende von kommerziellen Freizeitspielen her gewohnt sind (Le et al., 2013, unter Berufung auf verschiedene weitere Publikationen).
- Ein zentrales Problem mit Lernspielen in formellen Lernsituationen liegt außerdem in der schwierigen Verbindung von Spiel- und Lernmodus. Denn während eines Spiels wird meist zunächst implizites Wissen erworben, und es ist oft nötig, den Lernenden die erworbenen Kenntnisse explizit bewusst zu machen, da ein „spontaner Lerntransfer“ sehr selten eintritt. Werden jedoch Lernergebnisse explizit thematisiert, z. B. anhand von Aufgaben oder Wissensabfragen, entsteht ein Bruch zwischen Spiel- und Lernmodus, der den Spielfluss unterbricht und den Spielspaß hemmt (Kerres et al., 2009).
- Daran schließt sich die grundsätzliche Frage an, welche Art von Wissen überhaupt im Spiel vermittelt werden soll: Geht es nur um die Vermittlung von auswendig zu lernendem Faktenwissen, entsteht bei den Lernenden schnell der Eindruck des schokaladeüberzogenen Brokkolis. Die Lerninhalte werden also nur in eine vermeintlich nettere Hülle gesteckt, in der Hoffnung, oberflächliche Motivationseffekte abzugreifen. Hier wird die Komplexität der Lernsituation deutlich: Die Lernenden können motiviert sein, das Spiel zu spielen, aber nicht motiviert sein, etwas dabei zu lernen (Plass et al., 2015). Die Auswahl zum Wesen des Spiels passender Lerninhalte (beispielsweise Wissen über Abläufe, Zusammenhänge etc., die sich in den Grundregeln des Spiels bzw. der Spielmechanik niederschlagen) ist daher entscheidend (Bogost, 2007).
- Hinzu kommen teilweise Hürden in den Bildungseinrichtungen, beispielsweise bezüglich der Finanzierung entsprechender Spiele oder Software oder Schwierigkeiten, die Spiele sinnvoll in den Unterricht einzubeziehen (Watson & Yang, 2016).
- Eine grundlegende Frage ist schließlich, inwieweit sich Spiele für Lernzwecke instrumentalisieren lassen – denn eigentlich werden sie von Spieltheoretikern wie Huizinga (1938) als zweckfreie und freiwillige Handlungen charakterisiert. So bestehen bei vielen Lehrenden, aber auch bei Lernenden, zumindest ab einem gewissen Alter, durchaus auch Vorbehalte gegenüber Lernspielen.
Forschungslage zu GBL
Mittlerweile gibt es einige Meta-Analysen zum Lernen mit digitalen Spielen (Wouters, van Nimwegen, van Oostendorp & van der Spek, 2013; Boyle et al., 2016). Problematisch ist, dass viele existierende Studien von qualitativ minderwertigem Design sind, also beispielsweise keine Kontrollgruppe hinzugezogen oder mit sehr kleinen Stichproben gearbeitet wurde. Vergleichbarkeit der Ergebnisse ist ebenfalls häufig nicht gegeben, da teilweise völlig unterschiedliche Studiendesigns eingesetzt und verschiedenste Variablen mit verschiedensten Instrumenten erhoben wurden (Greipl, Moeller & Ninaus, 2020). Hinzu kommt, dass aufgrund der großen Vielfalt an Spielen die Ergebnisse von einem Lernspiel nicht auf ein anderes übertragen werden können (Plass et al., 2015). Dennoch finden sich vermehrt positive Ergebnisse zum Lernen mit Serious Games etwa seit Mitte der 2010er-Jahre (Boyle et al., 2016), was unter Umständen auf eine wachsende Qualität der Lernspiele hindeutet (Greipl et al., 2020).
In der Forschung zu GBL werden meist kognitive Variablen erhoben (z. B. deklaratives Wissen) oder Wissen und Fähigkeiten, die für die Lösung komplexer Probleme erforderlich sind (z. B. Übertragen von Regeln auf einen neuen Kontext). Hinsichtlich dieser Variablen fand eine große Metaanalyse zu Serious Games unter anderem heraus, dass Lernende mit den Spielen größere Lernerfolge erzielten als die, die ohne Serious Games gelernt haben (Wouters et al., 2013). Des Weiteren konnten die mit Serious Games Lernenden das Gelernte in späteren Tests besser erinnern, was die Forschenden auf eine tiefere Verarbeitung bzw. bessere Strukturierung des Gelernten zurückführen. Mitunter überraschend ist, dass Serious Games als nicht motivierender erlebt wurden als konventionelle Lehrmethoden. Die besten Lernerfolge ergaben sich, wenn das Lernen mit Serious Games mit anderen Lehrmethoden kombiniert wurde. Das Spielen in Zweiergruppen wirkte sich ebenfalls vorteilhaft auf den Lernerfolg aus im Vergleich zum Spielen alleine.
Gamification: spielerische Elemente in spieluntypischen Kontexten nutzen
Seit etwa 2010 kommt Gamification – teilweise wird auch der Begriff Gamifizierung genutzt,– zunehmend auch in Lehr-/Lernzusammenhängen zum Einsatz. Gemeint ist damit, dass in einem nicht spielebasierten Kontext spieltypische Elemente eingesetzt werden (Deterding et al., 2011), um ansonsten unattraktive Aufgaben motivierender zu gestalten (Plass et al., 2015). Zum Einsatz kommen beispielsweise das Sammeln von Punkten und Badges oder die Anzeige von Fortschrittsbalken oder Ranglisten.
So kann beispielsweise ein Seminar gamifiziert werden, indem im Verlauf Erfahrungspunkte gesammelt werden können, die die Studierenden brauchen, um weitere Lerninhalte „freizuschalten“. Zwischenprüfungen könnten dann als Herausforderungen gerahmt werden, in die verschiedene Aufgabentypen integriert werden, etwa Rechenaufgaben, Multiple Choice- oder Freitextaufgaben. Auch komplexe Aufgaben wie das Schreiben kurzer Aufsätze, die von einem Tutor/einer Tutorin oder einem/einer Lehrenden geprüft werden, sind denkbar.
Der Zweck, Lernende zu motivieren, soll also statt durch die aufwendige Produktion eines kompletten Spiels dadurch erreicht werden, dass Lernszenarien gezielt um spielerische Elemente ergänzt werden (Le et al., 2013). Gamification-Elemente werden insbesondere bei monoton empfundenen oder sehr komplexen Aufgaben eingesetzt. Ersten Datenanalysen zufolge führen gamifizierte Anwendungen zu unterschiedlich stark ausgeprägten Steigerungen u. a. in den Bereichen Motivation und Lernerfolg (Herger, 2014, Ritzhaupt et al., 2021).
Kritisiert wird in diesem Zusammenhang, dass durch Gamification ein künstlicher „Flow“ erzeugt werden kann, der Lernenden irreführend suggeriert, bereits Lernerfolge erzielt zu haben, während eigentlich nur Punkte gesammelt wurden (Kaul, 2015).
Edutainment und Infotainment
Verwandte Bereiche sind Edutainment und Infotainment. Die Wörter setzen sich aus den Begriffen „Education" bzw. „Information“ und „Entertainment" zusammen und beschreiben Medienprodukte, die zur Wissens- und Informationsvermittlung bewusst auf unterhaltende Elemente setzen. Erstmals genutzt wurde der Begriff Edutainment im Kontext von Fernsehsendungen für Vorschulkinder in den 1960er Jahren in den USA, etwa für die „Sesamstraße“. Inzwischen werden jedoch auch Wissenschafts- und Quizsendungen für Erwachsene als Edu- oder Infotainment bezeichnet. Weitere Beispiele sind interaktive Sprachkurse, in denen z. B. kleine Trainingsspiele eingesetzt werden, die Beschäftigung mit einem Roboterhaustier, bei der Lerneffekte angenommen werden oder auch Computerspiele und Simulationsprogramme. Ein Bereich des informellen Lernens, in dem dies sehr erfolgreich eingesetzt wird, ist die Gesundheitserziehung. So verbesserte sich z. B. die Selbstmedikation von Patienten, nachdem sie entsprechende Videospiele gespielt hatten; das Wissen über ihre Krankheit und das Bewusstsein von Selbstwirksamkeit stieg (Kato et al., 2008). Typische Gestaltungsmittel des Infotainments sind Personalisierung, Visualisierung, erzählerische Elemente und der beschleunigte Wechsel von Inhalten.
In den meisten Fällen sind Edu- und Infotainment-Formate für ein breiteres Publikum konzipiert und für den Einsatz im Hochschulbereich nur bedingt sinnvoll. Allerdings hat dieser Zugang zu Wissen und Information in den vergangenen Jahren die Beziehung zwischen Lernen und Spiel bzw. Unterhaltung stark verändert. Kritisiert wird, dass dadurch jedes Thema als Unterhaltung erscheine und so emotionalisiert sowie trivialisiert werde.
Beispiele
- Auf ihrer Seite zum Thema Planspiele stellt die Bundeszentrale für politische Bildung nicht nur eine Planspiel-Datenbank mit 250 Beschreibungen zum Einsatz von Planspielen vor – z. B. Simulationen, Online-Planspielen und PC-gestützten Planspielen – zu unterschiedlichen Themen und für ganz verschiedene Altersklassen. Darüber hinaus gibt es auch Hinweise zur Methodik und zahlreiche weiterführende Verweise.
- Das Angebot BLOCKALOT des Landesmedienzentrums Baden-Württemberg stellt einen DSGVO-konformen Minetest-Server zur Verfügung, auf dem analog zu Minecraft kollaborativ Welten erstellt werden können, in denen sich unterschiedliche Lehr-/Lernszenarien realisieren lassen. Neben Schulen und außerschulischen Bildungseinrichtungen können auch Universitäten den Zugang nutzen.
- An der Universität Halle wurde im Rahmen der Deutschlehrkräfte-Ausbildung ein Game-Based Learning-Projektseminar mit dem Titel „Lernen spielerisch gestalten" angeboten.
- Die deutschen Spielentwicklungsstudios Paintbucket Games und Playing History haben sich beide auf Serious Games zu hauptsächlich geschichtlichen und politischen Themen spezialisiert. Ihre Spiele werden nicht nur in Lehr-Lernkontexten, sondern auch darüber hinaus gerne rezipiert.
- Die Non-Profit-Organisation Games for Change aus New York wurde 2004 gegründet; inzwischen werden die online kostenlos zur Verfügung stehenden Spiele weltweit millionenfach abgerufen. Die Spielenden können sich z. B. einer „Food Force“ anschließen und gemeinsam mit ihrem Team die Ausbreitung einer Hungerkatastrophe verhindern.
- Den Lehrpreis 2019 der Universität Marburg erhielt Prof. Dr. Rolf Kreyer, der das digitale Escape Room-Spiel The Linguists Lair konzipiert hat. Um aus dem digitalen Büro des Professors zu entkommen, müssen Studierende Rätsel lösen, in die die Lerninhalte seiner Lehre eingebettet sind.
Weiterführende Informationen
- Die internationale Serious Games Society bringt Stakeholder/innen aus Forschung und Spielentwicklung zusammen und hat sich zum Ziel gesetzt, die Ressourcen des Netzwerks für alle verfügbar zu machen. Dazu gehören unter anderem Vorträge, die sich mit Serious Games im Hochschulkontext befassen.
- Zwei Podcasts auf e-teaching.org befassen sich mit unterschiedlichen Aspekten von Game Based Learning: In dem Beitrag Digitale Lernwelt – Serious Games geht die Diplom-Pädagogin Fabienne Theis (Alanus Hochschule Alfter) u. a. auf Potenziale und Konzeption von Lernspielen ein; unter dem Titel Virtuelle Lernwelten beschreibt die Psychologin Johanna Bertram (ehem. Leibniz-Institut für Wissensmedien) die Entwicklung einer virtuellen Lernumgebung für Hubschraubertraining bei der Polizei.
- In einer Kurseinheit befasste sich auch der Open Course 2012 mit dem Thema des spielenden Lernens. Die Aufzeichnung des Online-Podiums „Game Based Learning“ mit Christoph Deeg und Son Le findet sich hier bei e-teaching.org.
- Der e-taching.org-Artikel „Game Based Learning“ von Stephan Schwan (2006) gibt einen Überblick über Qualitätsmerkmale von Computerspielen, überträgt die Ergebnisse auf Lernspiele und stellt praktische Beispiele vor. Auf der Grundlage des Textes entwickelten zwei Studierende der Universität Duisburg-Essen im Rahmen eines Seminars das Video „Game Based Learning in klarem Deutsch“.