Design Thinking an Hochschulen

Der Ansatz des Design Thinking umfasst vielfältige kreative Methoden und Strategien, um Lösungen für komplexe Probleme zu finden, innovative Ideen zu entwickeln und Prozesse mit diversen Stakeholdern zu steuern. Im Hochschulbereich lässt sich Design Thinking in unterschiedlichen Kontexten von der Lehrveranstaltungsplanung und -durchführung bis hin zur Organisationsentwicklung einsetzen.

Auf einem Tisch stehen Lego-Bausteine und -figuren, die zusammen gebaut werden.
Abbildung 1: Design-Thinking-Lehrveranstaltung an der FH Münster (Foto: Thilo Harth, Wandelwerk FH Münster) 

Das Stapeln von Legosteinen ist im Kontext Hochschule zunächst ungewohnt, kann aber hilfreich sein, um z. B. eine Sitemap für die Website einer Fakultät zu entwickeln. Das Werfen eines Wollknäuels kann auf einer Tagung auf spielerische Weise dazu beitragen, professionelle Anknüpfungspunkte zu entdecken – ebenso wie die Verwendung von Klebestiften und Papier ein Weg sein kann, um das universitätseigene Content-Management-System zu optimieren. Bei all diesen Szenarien handelt es sich um Formen von Design Thinking. 

Was ist Design Thinking?

Design Thinking umfasst verschiedene kreative Strategien, die meist eingesetzt werden, um Prozesse mit diversen Stakeholdern zu steuern oder organisatorische Innovationen zu fördern. Seinen Ursprung hat Design Thinking in gestalterischen Disziplinen wie Layout, Produktdesign und der Architektur (Renard, 2014). Design Thinking als Innovationsmethode lässt Teilnehmende wie erfahrene Designerinnen und Designer denken und arbeiten und fördert so Empathie, Kooperation und Risikobereitschaft (Sharples et al., 2016). Die Methoden des Design Thinking stammen aus verschiedenen Disziplinen und Fachrichtungen. Die Granularität der eingesetzten Methoden variiert von einzelnen Techniken bis hin zum gesamten Prozess.

Beispiele für einzelne Techniken sind etwa „Crazy 8“, eine Skizzierübung, bei der die Teilnehmenden herausgefordert werden, acht verschiedene Ideen in acht Minuten zu skizzieren, oder „Power of 10“, eine Framing-Technik, die darauf abzielt, ein Problem in verschiedenen Dimensionen zu betrachten – z. B. den Fokus aufs Detail oder auf das große Ganze zu legen.

Eine Methode, die den gesamten Prozess adressiert, ist beispielsweise der „d.school-Prozess“, ein iterativer Designprozess, der am Hasso Plattner Institute of Design (d.school), einer Einrichtung der Stanford University (USA), entwickelt wurde und in Deutschland z. B. an der HPI School of Design Thinking (HPI D-School) in Potsdam eingesetzt und gelehrt wird. Dieser Prozess besteht aus fünf bzw. sechs verschiedenen Phasen: Empathie (Verstehen/ Beobachten), Problemdefinition, Ideenfindung, Prototypen-Entwicklung und Testen/Iteration. Trotz der vielfältigen Moderationstechniken gibt es Prinzipien des Design Thinking, die den Einsatz spezifischer Werkzeuge vereinen, allen voran das Prinzip ‚Fail Fast‘ – Testen, Scheitern und Iteration sind Teil des Prozesses. 

Als Problemlösungsansatz, der sich in sozial ambivalenten Anwendungsfeldern bewährt hat, adressiert Design Thinking gesellschaftliche Fragen oder Alltagsprobleme, die schwer zu lösen sind – so genannte „Wicked Problems“ (Rauth, Köppen, Jobst & Meinel, 2010). „Wicked Problems“ – oder verzwickte Probleme – haben keine richtige oder falsche Lösung und widersetzen sich traditionellen wissenschaftlichen und technischen Ansätzen, da „die zum Verständnis des Problems erforderliche Information von der eigenen Idee abhängt, wie es gelöst werden soll“ (Rittel & Webber, 1973, S. 161). 

Design Thinking zielt darauf ab, die unmittelbaren Grenzen des Problemkontexts neu auszuloten und sicherzustellen, dass die richtigen Fragen gestellt werden. Ein Design-Thinking-Workshop ermöglicht es den Teilnehmenden, Einschränkungen als Inspiration zu betrachten und nicht als Korsett, das die Ideen von vornherein einschränkt oder unmöglich macht (Brown & Wyatt, 2010). Damit gelingt es, Unsicherheit auszuhalten und Ressourcenknappheit nicht als lähmend zu empfinden (Micheli, Wilner, Bhatti, Mura & Beverland, 2018). 

Tabelle 1 gibt einen Überblick die Potentiale, Anwendungsbereiche und Grenzen des Design Thinking.

Potenzial von Design Thinking Haptische (‚greifbare‘) Erfahrungen, erhöhte Empathie, reduzierte Vorurteile, spielerisches Lernen, Flow/Motivation, Zusammenarbeit, produktives Scheitern/Resilienz, überraschende Lösungen, kreatives Selbstbewusstsein.
Design Thinking in informellen Lernumgebungen (1) Gestaltung von Ausstellungen, Erlebnissen und Dienstleistungen; (2) Service-Learning und Zusammenarbeit mit externen Organisationen; (3) Erweiterung der Explorationsoptionen von Artefakten, Räumen; (4) Makerspace und handwerkliche Fähigkeiten.
Design Thinking in formellen Umgebungen (Schule / Hochschule) (1) als methodisches Design für die Entwicklung von Unterrichtsmaterial; (2) als technische Entwicklung der Lehrpläne; (3) als Unterrichtsstrategie zur Erreichung fachspezifischer Lernziele; (4) als eigenständiges Lernziel; (5) als Methodik zur Unterstützung der Lernenden, d. h. Mentoring, Beratung; (6) als Methode zur Prozessverbesserung oder Produktentwicklung; (7) als Ansatz für Führung und Organisationsentwicklung.
Werkzeuge, Techniken und Methoden Die Granularität variiert von einzelnen Techniken (z. B. „Crazy 8“, Power of 10) bis hin zum gesamten Prozess (d.school Prozess, IDEO, STEM Fab Studio Design Process). Die Methoden stammen aus verschiedenen Ursprüngen und Fachrichtungen.
Grenzen des Design Thinking Mangelndes kreatives Selbstbewusstsein, Konflikte in der Teamarbeit, Angst und Frustration, oberflächliche Ideen, Ideenerstellung vor Bewertung, mangelnde langfristige Auswirkungen, Überbewertung der Ideen, fehlende Abstimmung zwischen Lerninhalten und Design Thinking-Prozess.

Tabelle 1: Design Thinking – Potential, Anwendungsbereiche, Grenzen (Panke, 2019)

Design Thinking im Kontext Hochschule und in der Lehre (mit digitalen Medien)

Design Thinking kann in der Hochschullehre gezielt an bestimmten Stellen im Lernprozess eingesetzt werden, etwa um das Teambuilding von Studierenden zu unterstützen oder deren Perspektive auf Forschungsfragen und Lösungen für Probleme zu erweitern. Ein weiterer wichtiger Einsatzbereich liegt jedoch auch außerhalb der Lehre, etwa bei der gemeinsamen Planung von Lehrveranstaltungen oder bei der Konzeption von Webseiten, Lernumgebungen etc. 

Zwar ist Design Thinking in erster Linie für Ko-Präsenz konzipiert, doch kann der Ansatz sowohl in face-to-face als auch in Online-Umgebungen effektiv eingesetzt werden. Wenn face-to-face-Treffen in Frage kommen, können Teilnehmende beim Prototyping, Testen und Experimentieren oft persönlich besser zusammenarbeiten. Dieses Setting ermöglicht sofortiges Feedback und Interaktionen, was die Gesamterfahrung und den Ideenfindungsprozess verbessert.

Design Thinking kann jedoch auch für Online-Szenarien angepasst werden. Virtuelle Whiteboards, kollaborativer Dokumentenaustausch und Breakout-Räume können Brainstorming, Ideenentwicklung und Prototyping unterstützen. Design Thinking ist gewinnbringend in hybriden und Hyflex-Umgebungen, zum Beispiel mit Einbindung von Vortragenden per Zoom, und Lernenden im Seminarraum.

Abbildung 2: Lehrveranstaltung zu VUCA in der beruflichen Bildung 2020, via Zoom mit Studierendengruppen in Ko-Präsenz (Foto: Stefanie Panke)
Abbildung 3: Design-Thinking-Lehrveranstaltung 2023, virtuelle Moderation, Teilnehmerinnen in Ko-Präsenz vor Ort (Foto: Stefanie Panke)

Zudem kann Design Thinking auch für die Planung und Erstellung von digitalen Lernumgebungen angewendet werden. Ob bei der Gestaltung eines Online-Kurses, zur Konzeption einer Bildungsplattform oder zur Auswahl digitaler Tools: Prinzipien des Design Thinking können den Prozess leiten und Empathie und Zusammenarbeit verbessern. Beispiele hierfür sind die Gestaltung einer Website als Museumsausstellung oder die Verwendung von Lego-Bausteinen zur Strukturierung eines Online-Lernmoduls.

Zusammenfassung und Fazit

Zentrale Vorteile des Design Thinking liegen in der nutzerzentrierten, hochgradig flexiblen Ideenentwicklung und in der Zusammenarbeit multidisziplinärer Teams. Eine festgelegte Sequenz an Übungen soll Empathie und Kreativität freisetzen. Der spielerische Ansatz sollte jedoch keinesfalls als ‘anything goes’ missverstanden werden. Vielmehr bedarf ein Design-Thinking-Prozess einer professionellen Moderation mit klaren Spielregeln, insbesondere hinsichtlich des Zeitmanagements. Gleichermaßen bedeutsam ist eine sorgfältige Nachbereitung der Ergebnisse, sowohl zusammenfassend als auch erweiternd, immer mit dem Ziel, Ideen kritisch zu bewerten und bei Bedarf neue Wege zu gehen. 

Weiterführende Informationen

Letzte Änderung: 12.06.2023