Diversität in der Hochschullehre

Eine diversitätsgerechte Hochschuldidaktik erkennt die Unterschiede einzelner Studierender an und berücksichtigt diese bei der Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen. Um Lernen diversitätsgerecht zu gestalten, bieten digitale Medien großes Potenzial – dies setzt allerdings die Entwicklung entsprechender digitaler Lehrkompetenzen voraus. Zudem gilt es, die Lehre konsequent auf die Studierenden auszurichten sowie die digitale Teilhabe aller Studierender zu ermöglichen, indem die eingesetzten digitalen Medien und Lernaktivitäten für alle Studierenden zugänglich gemacht werden.

Bunte Fäden sind so übereinander gelegt, dass sie in der Mitte ein Kreis entsteht.
Bild: wildpixel/Getty Images via Canva.com

Die Vielfalt der Studierenden an Hochschulen bringt nicht nur unterschiedliche kulturelle Hintergründe, Perspektiven, Erfahrungen und Bedürfnisse in den Lehralltag ein, sondern stellt auch neue Anforderungen an die Gestaltung und Umsetzung von Lehr- und Lernprozessen. Digitale Lehr-Lerntechnologien ermöglichen es Lehrenden, die Diversität aller am Lernprozess beteiligten Personen gezielt in den Lehr-Lernprozess zu integrieren. So lassen sich Lehrinhalte mit Hilfe digitaler Medien flexibel und individuell anpassen, es können barrierefreie Zugänge geschaffen und interaktive sowie kollaborative Lernumgebungen gestaltet werden. Dabei liegt das Hauptaugenmerk einer diversitätsgerechten Didaktik auf der konsequenten Ausrichtung auf die Lernenden, indem Lehrende die Studierenden aktiv in die Gestaltung der Lehr-Lernprozesse einbeziehen und so ihre individuellen Bedürfnisse, Interessen und Lernmöglichkeiten berücksichtigen. Wichtige Voraussetzung für einen diversitätsgerechten Umgang mit digitalen Medien in der Lehrpraxis ist zudem die Sicherstellung digitaler Teilhabe, indem die eingesetzten digitalen Medien und Lernaktivitäten für alle Studierenden zugänglich sind, unabhängig von ihren technischen Voraussetzungen, ihren körperlichen Fähigkeiten oder ihrem Vorwissen. Wesentliche Elemente sind dabei barrierefreie Lehr-Lernmaterialien, die Eröffnung unterschiedlicher Lernwege sowie die Interaktion mit den Studierenden.

Im Folgenden sollen die genannten Anforderungen einer diversitätsgerechten Lehre ausführlicher dargestellt werden. Dabei wird zunächst der Diversitätsbegriff näher bestimmt und vom Begriff der Heterogenität abgegrenzt. Daran anschließend werden digitale Lehrkompetenzen im Kontext einer diversitätsgerechten Lehre vorgestellt sowie die Lernendenorientierung und digitale Teilhabe als wichtige Voraussetzungen erläutert. In einem nachfolgenden Abschnitt werden schließlich konkrete Einsatzmöglichkeiten digitaler Medien in unterschiedlichen Lehr-Lernszenarios aufgezeigt.

Heterogenität und Diversität – eine Begriffsbestimmung

Diversitätsdidaktik unterscheidet zwischen Heterogenität und Diversität.

Heterogenität wird als deskriptiver und, gepaart mit Homogenität, als dualistischer Begriff verstanden, der Unterschiede zwischen Gruppen anhand bestimmter Merkmale wie Geschlecht oder Hautfarbe sichtbar macht (z. B. Bank et al., 2011).

Diversität hingegen ist in sich dualistisch angelegt, da sie sich gleichzeitig sowohl auf Gemeinsamkeiten als auch auf Unterschiede zwischen Menschen bezieht. Im Gegensatz zum Begriffspaar Homogenität/Heterogenität existiert hier kein eindeutiger Gegenbegriff. Diversität soll auf Unterschiede hinweisen, ohne Gemeinsamkeiten zu vernachlässigen (Gardenswartz & Rowe, 1994; Thomas, 1996). Schaut man auf Studierende, zeigt sich, dass sie sich wünschen, sowohl als Teil der akademischen Gemeinschaft akzeptiert (Gemeinsamkeiten) als auch mit ihren individuellen Bedürfnissen und Interessen berücksichtigt zu werden (Unterschiede) (Hockings, 2011).

Diversität ist darüber hinaus nicht nur deskriptiv, sondern auch normativ zu verstehen, da sie sich auf soziale Merkmale und die damit verbundenen gesellschaftlichen Strukturen bezieht, in denen die Unterschiede verankert sind (Bank et al., 2011). Diese Merkmale werden als soziale Konstruktionen verstanden, die auf gesellschaftlichen Normalitätsvorstellungen basieren (Williams & O’Reilly, 1998). Ein kritisches Diversitätsverständnis hinterfragt dabei die damit verbundenen Diskriminierungen und Privilegierungen (Bührmann, 2018). Diversität wird somit als dynamisches Konzept betrachtet, das in soziale Macht- und Herrschaftsverhältnisse eingebettet ist.

In der Hochschullehre diversitätsgerecht zu handeln, erfordert eine aktive, kontinuierliche Auseinandersetzung mit potenziellen Unterschieden, die benachteiligend oder privilegierend wirken können. In Lehr-/Lernsituationen bedeutet das, Studierende nicht pauschal zu kategorisieren, sondern relevante Unterschiede für den Lernerfolg – wie unterschiedliche Vorkenntnisse, Studienziele oder Lernmotivation – in den Vordergrund zu stellen. Gleichzeitig kann die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, etwa internationalen Studierenden, als relevanter Faktor berücksichtigt werden. So wird eine Multiperspektivität erreicht, die Studierende als Gesamtheit, als Gruppenzugehörige und als Individuen in spezifischen Situationen berücksichtigt (Linde & Auferkorte-Michaelis, 2021).

Diversität und digitale Lehrkompetenzen

Digitale Lehrkompetenz ist eine wichtige Voraussetzung für eine diversitätsgerechte Didaktik. Sie befähigt Lehrende, digitale Medien didaktisch sinnvoll auszuwählen und in der Lehre einzusetzen. Die gemeinsame Forschungsstelle der Europäischen Kommission hat 2017 mit dem DigCompEdu einen europäischen Rahmen für die digitale Kompetenz Lehrender entwickelt. Er richtet sich an Lehrende auf allen Bildungsebenen, von der frühen Kindheit bis zur Hochschul- und Erwachsenenbildung, einschließlich allgemeiner und beruflicher Bildung und Ausbildung, Sonderpädagogik und nicht formaler Lernkontexte.

Digitale Kompetenzen für Lehrende: Der DigCompEdu

Der DigCompEdu-Kompetenzrahmen hat das Ziel, die speziellen digitalen Fähigkeiten zu beschreiben, die Lehrende für ihre berufliche Tätigkeit benötigen. Dabei werden 22 grundlegende Kompetenzen in sechs verschiedenen Bereichen vorgeschlagen (siehe Abb. 1). 

Die Abbildung zeigt die sechs Kompetenzbereiche in verschiedenen Farben, angeordnet wie folgt: Bereich 1 (Berufliches Engagement) und Bereich 6 (Förderung der digitalen Kompetenz der Lehrenden) stehen links und rechts. In der Mitte werden die restlichen vier Bereiche (2: Digitale Ressourcen, 3: Lehren und Lernen, 4: Evaluation und 5: Lernerorientierung) in einem Tortendiagramm dargestellt. Über den mittleren vier Bereichen steht die Überschrift „pädagogische und didaktische Kompetenzen der Lehrenden“, während der linke Bereich unter der Überschrift „Berufliche Kompetenzen der Lehrenden“ und der rechte Bereich unter der Überschrift „Kompetenzen der Lernenden“ steht. Alle sechs Bereiche werden stichpunktartig mit Aufzählungspunkten beschrieben.
Abb. 1: Der DigCompEdu-Kompetenzrahmen (Bildnachweis: © Europäische Union, Autor: Prodigioso Volcán SL, 2017)

Der erste Kompetenzbereich fokussiert auf das weitere berufliche Umfeld. Das bedeutet, wie Lehrende digitale Medien zur Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen, Lernenden, Eltern und anderen Beteiligten nutzen, sowohl für ihre eigene berufliche Weiterentwicklung als auch für die gesamte Organisation. Im zweiten Bereich werden die Kompetenzen betrachtet, die nötig sind, um digitale Ressourcen für das Lernen auf verantwortungsvolle Weise auszuwählen, zu erstellen und zu teilen. Der dritte Bereich befasst sich mit der Planung und dem Design des Einsatzes digitaler Medien im Lehr- und Lernprozess. Der vierte Bereich geht darauf ein, wie digitale Tools zur Leistungsbewertung eingesetzt werden können. Der fünfte Bereich hat das Potenzial digitaler Medien für lernendenzentrierte Unterrichts- und Lernstrategien zum Gegenstand. Der sechste und letzte Bereich beschreibt die pädagogischen Fertigkeiten, die erforderlich sind, um die digitale Kompetenz der Lernenden zu fördern (Redecker & Punie, 2019).

Diversität im DigCompEdu

Im DigCompEdu gibt es mehrere Kompetenzbereiche, die diversitätsdidaktisch bedeutsam sind: Digitale Ressourcen (Bereich 2), Lehren und Lernen (Bereich 3) sowie Lernendenorientierung (Bereich 5). Im Folgenden werden diese für jede der im Modell (siehe oben Abb. 1) genannten Teilfähigkeiten kurz verdeutlicht.

Digitale Ressourcen (Bereich 2)

  • Auswählen, erstellen und anpassen: 
    Lehrende berücksichtigen das konkrete Lernziel, den Kontext, den didaktischen Ansatz und die Lerngruppe. 
  • Organisieren, schützen und teilen: 
    Sensible Inhalte werden effektiv geschützt und zielgruppengerecht bereitgestellt.

Lehren und Lernen (Bereich 3)

  • Lehren: 
    Digitale Lehrmethoden werden auf die Zielgruppe abgestimmt; digitale Geräte und Materialien werden gezielt genutzt. 
  • Lernbegleitung: 
    Die Interaktion über digitale Medien und Dienste wird verbessert; digitale Medien werden für Beratung und Support eingesetzt.
  • Kollaboratives Lernen: 
    Lernende werden befähigt, digitale Medien in Teamarbeit zu nutzen, um die Kommunikation innerhalb der Lerngruppe, die Zusammenarbeit und die gemeinsame Wissensgenerierung zu verbessern.
  • Selbstgesteuertes Lernen: 
    Lernende werden befähigt, ihr eigenes Lernen zu planen, zu überprüfen und zu reflektieren, Fortschritte zu dokumentieren, Ergebnisse zu kommunizieren und kreative Lösungen zu erarbeiten.

Lernendenorientierung (Bereich 5)

  • Digitale Teilhabe: 
    Alle Lernenden haben Zugang zu den Lernressourcen und -aktivitäten; individuelle Lernvoraussetzungen werden berücksichtigt.
  • Differenzierung und Individualisierung: 
    Lehrende ermöglichen individuelle Lernwege und -geschwindigkeiten.
  • Aktive Einbindung von Lernenden: 
    Das Engagement der Lernenden wird gefördert und es werden reale Lernkontexte (für komplexe Sachverhalte) geschaffen.

Lernendenorientierung und digitale Teilhabe

Neben diesen digitalen Lehrkompetenzen, die im DigCompEdu aufgezeigt werden, ist für die diversitätsgerechte Didaktik ein weiterer Aspekt von zentraler Bedeutung: die Orientierung an den Lernenden im Sinne einer aktiven und individuellen Einbindung in die Gestaltung der Lehr-Lernprozesse. Lehrende schaffen realitätsnahe Lernkontexte und ermöglichen die aktive Auseinandersetzung der Lernenden mit komplexen lebensweltlichen Problemlagen, in dem sie digitale Medien aktiv und kreativ dafür nutzen, Lernende einzubeziehen. 

In der Praxis kann dies unterschiedlich umgesetzt werden, z. B. durch:

  • die Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden: Digitale Werkzeuge eröffnen neue Wege der Kommunikation und Kollaboration, die Lernformen in Präsenz ersetzen oder erweitern. E-Tools, wie Lernplattformen, Foren oder virtuelle Räume, ermöglichen unterschiedliche Lernwege und -geschwindigkeiten.
  • die Unterstützung des kollaborativen Lernens: Digitale Medien bieten zahlreiche Möglichkeiten, die Zusammenarbeit zwischen den Lernenden zu strukturieren und zu intensivieren, wie zum Beispiel Projektarbeit, Peer-Feedback oder gemeinsames Problemlösen in digitalen Umgebungen. So übernehmen Studierende Verantwortung für ihre eigenen Lernprozesse. Sie werden in die Lage versetzt, diese eigenständig digital zu planen, zu reflektieren und zu dokumentieren.

Bei einer solchen Gestaltung von Lehr-Lernprozessen spielt die digitale Teilhabe im Sinne der Gewährleistung, dass eingesetzte Medien und Lernaktivitäten für alle Studierenden zugänglich sind, eine wichtige Rolle. Lehrende können dies unterstützen, indem sie die Individualisierung von Lernzielen, mit unterschiedlichen Lerngeschwindigkeiten und -wegen ermöglichen. Der Einsatz digitaler Tools folgt dabei der Umsetzung entsprechender didaktischer Strategien durch die Lehrenden.

Allerdings liegen die Rahmenbedingungen für eine digitale Teilhabe nicht immer im Gestaltungsspielraum der einzelnen Lehrperson. Die digitale Teilhabe an Hochschulen kann auch gefährdet sein, wenn nicht alle Studierenden gleichwertigen Zugang zu digitalen Ressourcen wie Laptops, schnellem Internet oder spezieller Software haben. Studierende mit geringen finanziellen Mitteln oder aus ländlichen Regionen mit schlechter Internetanbindung könnten somit benachteiligt werden. Zudem erfordert der Umgang mit digitalen Tools auch auf Seiten der Studierenden Kompetenzen, über die nicht alle in gleichem Maße verfügen. Weiterhin können Online-Prüfungen und -Lernformate diejenigen benachteiligen, die unter schwierigen häuslichen Bedingungen lernen, also z. B. über keinen eigenen, ruhigen Arbeitsplatz verfügen, familiäre Verpflichtungen haben oder in konfliktreichen Verhältnissen leben. Schließlich besteht die Gefahr, dass persönliche Betreuung und soziale Interaktion, die für den Lernerfolg auch wichtig sind, durch digitale Angebote eingeschränkt werden.

Für eine diversitätsgerechte Didaktik bedeutet dies zu berücksichtigen, dass alle Studierenden unabhängig von ihren sozialen, kulturellen oder technischen Voraussetzungen Zugang zu den digitalen Lernangeboten haben und daran teilhaben können. Der Einsatz von digitalen Tools in der Hochschullehre bedeutet, über technische Kenntnisse für die Anwendung zu verfügen und den Einsatz zielgerichtet und pädagogisch sinnvoll zu gestalten. 

Einsatz digitaler Tools in verschiedenen Lehr-Lernsettings

Zweidimensionales Diagramm, das die drei Lehr-Lernsettings und Beispiele für Lehrhandlungen auf der einen Achse und die Beteiligungsorientierung auf der anderen Achse abbildet.
Abb. 2: Lehr-Lernsettings (Quelle: Linde & Auferkorte-Michaelis, 2025)

Digitale Lehr-Lernformate bringen sowohl didaktische als auch technische Fragestellungen mit sich. In Gesprächen zwischen Lehrenden und Studierenden liegt der Schwerpunkt häufig auf Tools und deren Anwendungsmöglichkeiten. Diese Tools sind eine entscheidende Grundlage für die Nutzung digitaler Lehrangebote. Allerdings ist die hochschuldidaktische Gestaltung der Lehr-Lernprozesse für den Lehralltag und den Lernerfolg genauso wichtig:

„Insgesamt ergibt sich der wenig überraschende Befund, dass die häufige Nutzung von digitalen Medien für sich genommen nicht automatisch zu besseren Lernleistungen führt. Stattdessen kommt es darauf an, wie sie eingesetzt werden. […] Zur Planung und Beurteilung dieser Qualität müssen lerntheoretische und didaktische und nicht primär technische Überlegungen die zentrale Rolle spielen“ (Petko, 2014, S. 109).

Grundsätzlich unterscheiden wir Lehr-Lernaktivitäten in darbietende, aktivierende und interaktionsorientierte Settings, die sich methodisch und didaktisch im Lehr- und Lernhandeln unterscheiden (Linde & Auferkorte-Michaelis, 2021). Je nach Bedarf können diese mit passenden Softwarelösungen angereichert werden.

Darbietende Lehr-Lernsettings

In darbietenden Lehr-Lernsettings, wie beispielsweise bei einem klassischen Lehrvortrag in der Vorlesung, übernimmt die Lehrperson die Rolle der Wissensvermittlung. Die Lerninhalte werden dabei primär frontal präsentiert, während die Studierenden zuhören und sich Notizen machen. Sie rezipieren individuell und konzentrieren sich darauf, das Präsentierte zu verstehen. Dieses Setting eignet sich besonders, umstrukturiert und effizient umfangreiche Informationen zu vermitteln, doch bleibt die Interaktion zwischen Lehrenden und Studierenden meist auf ein Minimum beschränkt. Darbietende Lehr-Lernsettings stellen die strukturierte Präsentation von Lerninhalten in den Vordergrund, unterstützt durch die gezielte Bereitstellung von didaktisch aufbereiteten Materialien. Um dies effektiv umzusetzen, bieten sich verschiedene digitale Recording-Werkzeuge an – bspw. PowerPoint oder ZOOM –, da sie es ermöglichen, Inhalte anschaulich zu gestalten oder Vorträge aufzuzeichnen. Diese Aufzeichnungen und ergänzenden Materialien können anschließend in Lernmanagementsystemen wie Moodle oder ILIAS hochgeladen werden, sodass die Studierenden jederzeit darauf zugreifen und sie in ihrer eigenen Lerngeschwindigkeit bearbeiten können.

Neben dem Vortrag können kleinere aktivierende Sequenzen eingebaut werden, um eine unmittelbare Rückmeldung über das Verständnis der Inhalte zu erhalten. Hierfür eignen sich interaktive Response-Systeme wie Pingo oder Kahoot. Diese Tools ermöglichen es, während des Vortrags Quizfragen oder kurze Umfragen einzubinden, bei denen die Studierenden in Echtzeit ihre Antworten über Smartphones oder andere Endgeräte eingeben können. Dadurch wird nicht nur das Engagement der Studierenden gesteigert, sondern auch die Möglichkeit geschaffen, den Lernfortschritt unmittelbar zu überprüfen und gegebenenfalls auf Verständnisprobleme einzugehen. Darüber hinaus bieten diese Response-Systeme die Chance, das Lernen durch spielerische Elemente anzureichern, was die Aufmerksamkeit der Studierenden fördern kann. Durch die Integration dieser digitalen Tools lässt sich der Lehr-Lernprozess flexibler gestalten, was den unterschiedlichen Bedürfnissen der Studierenden besser gerecht werden kann.

Aktivierende Lehr-Lernsettings

In einem aktivierenden Lehr-Lernsetting, wie beispielsweise in einem Seminar oder einer Übung, gestaltet sich die Lehr-Lernsituation hingegen deutlich dynamischer. Hier arbeiten Studierende oft in Gruppen zusammen, wobei die Lehrperson eine instruierende und moderierende Funktion übernimmt. Die Studierenden werden angeleitet, sich aktiv mit den Inhalten auseinanderzusetzen, diese zu diskutieren und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Dieses kollaborative Arbeiten fördert nicht nur das inhaltliche Verständnis, sondern auch soziale Kompetenzen und die Fähigkeit zur Teamarbeit.

Um diese Lernprozesse zu unterstützen, können verschiedene digitale Werkzeuge und Funktionalitäten in Lernmanagementsystemen wie Moodle oder ILIAS eingesetzt werden. Quizzes und Umfragen bieten auch hier eine Möglichkeit, das Wissen der Studierenden zu überprüfen und ihnen unmittelbares Feedback zu geben. Darüber hinaus können Chatrooms und Foren innerhalb der Lernmanagementsysteme genutzt werden, die es den Studierenden ermöglichen, sich untereinander auszutauschen, Fragen zu stellen und gemeinsam an Problemstellungen zu arbeiten. Für Lehrende eröffnet sich damit die Möglichkeit, die Posts der Studierenden entweder nur zu beobachten oder auch aktiv mitzuwirken. Solche asynchronen Kommunikationsmöglichkeiten sind generell hilfreich bei der Reflexion und Vertiefung der Lerninhalte.

Interaktionsorientierte und kollaborative Lehr-Lernsettings

Interaktionsorientierte Lehr-Lernsettings gehen noch einen Schritt weiter und legen den Fokus auf eine explorative Herangehensweise. Die Studierenden bearbeiten hier weitgehend autonom komplexe Fragestellungen, die sie zum Teil selbst entwickeln. Dieses Setting erfordert ein hohes Maß an Selbstständigkeit und Eigenverantwortung von den Lernenden. Obwohl die Studierenden hier im Mittelpunkt stehen und die Aktivität vorwiegend durch Kooperation geprägt ist, trägt die Lehrperson weiterhin die Verantwortung für den übergeordneten Lehr-Lernprozess. Sie sorgt dafür, dass der Rahmen für eine produktive Zusammenarbeit geschaffen wird und unterstützt die Lernenden bei Bedarf, wobei die Kommunikation auf Augenhöhe besonders wichtig ist. Diese Form der Interaktion ermöglicht es, ein tieferes Verständnis zu entwickeln und die Lernenden zu befähigen, selbstständig und kritisch zu denken. Interaktionsorientierte Settings erfordern eine umfassende Palette an Softwarefunktionen, die es den Studierenden sowohl individuell als auch in der Gruppe ermöglicht, Lernprozesse aktiv zu gestalten und vielfältige Kollaborationsmöglichkeiten zu nutzen.

Interaktionsorientierte Settings betonen nicht nur das eigenständige Arbeiten, sondern auch die intensive Zusammenarbeit und den Austausch unter den Lernenden, was eine flexible und anpassbare digitale Infrastruktur notwendig macht. Für die Unterstützung von kollaborativen Arbeitsprozessen und interaktivem Feedback sind Softwarelösungen wie MS Teams oder Slack besonders nützlich. Diese Plattformen bieten erweiterte Funktionen zur Zusammenarbeit in Echtzeit, wie gemeinsame Dokumentenbearbeitung, Video- und Audiokonferenzen sowie die Integration verschiedener Apps und Tools. Sie fördern eine nahtlose Kommunikation und erleichtern es den Studierenden, in Gruppen zusammenzuarbeiten, auch wenn sie sich an unterschiedlichen Orten befinden. Darüber hinaus können in diesen Umgebungen Aufgaben verteilt, Fortschritte dokumentiert und Ergebnisse gemeinsam diskutiert werden, was den gesamten Lernprozess nachvollziehbarer macht. Die Möglichkeit, direktes Feedback von Lehrenden und Peers zu erhalten, stärkt das Engagement der Studierenden.

Durch die Kombination von Lernmanagementsystemen mit kollaborativen Plattformen wird ein flexibles und interaktives Lernumfeld geschaffen, was sowohl die individuellen als auch die gemeinschaftlichen Lernprozesse fördern kann. Kollaborative Dokumentenbearbeitung, wie sie in Tools wie Google Docs oder Microsoft OneDrive möglich ist, ermöglicht es den Studierenden, in Echtzeit gemeinsam an Texten, Projekten oder Forschungsvorhaben zu arbeiten. Studierende können gleichzeitig auf dieselben Dokumente zugreifen, Änderungen nachverfolgen und direkt kommentieren, was den kreativen Austausch und die kooperative Problemlösung unterstützt.

Der Einsatz von Portfolio-Systemen (wie z. B. Mahara) ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig, da sie den Studierenden ermöglichen, ihre Lernfortschritte kontinuierlich zu dokumentieren, zu reflektieren und zu präsentieren. Diese Systeme fördern das eigenverantwortliche Lernen, indem sie den Studierenden Raum bieten, ihre eigenen Lernprozesse zu gestalten und zu steuern. Darüber hinaus können sie ihre Arbeitsergebnisse in verschiedenen medialen Formaten sammeln und strukturieren, um sie mit Lehrenden und Peers zu teilen und Feedback einzuholen. Dies stärkt nicht nur die Selbstreflexion, sondern auch die Fähigkeit, eigene Lernziele zu setzen und diese zu erreichen. Tools wie Etherpads oder miro bieten eine zusätzliche Unterstützung, indem sie digitale Räume schaffen, in denen Diskussionen, Brainstorming-Sessions oder Workshops stattfinden können. Solche Softwarelösungen sind besonders geeignet, um komplexe, projektbasierte Aufgaben zu organisieren und die Kommunikation zwischen den Gruppenmitgliedern zu erleichtern.

Gezielte Auswahl und Gestaltung des Lehr-Lernsettings

Um der Diversität der Studierenden gerecht zu werden, ist es wichtig zu berücksichtigen, wie die verschiedenen Lehr-Lernsettings die Studierenden unterschiedlich involvieren. Ein höheres Involviertsein der Lernenden (Englisch: Student Engagement) führt zu intensiverem Lernen miteinander und zu insgesamt größeren Lernerfolgen (z. B. Kuh, 2009). Die Verantwortung, dieses Engagement zu fördern, liegt bei der Lehrperson. Dies erfolgt durch die gezielte Auswahl des Lehr-Lernsettings und entsprechendes Lehrverhalten. Empirische Studien zeigen beispielsweise, dass offener Unterricht mit wenig Vorgaben und Feedback vor allem Lernende mit guten Lernvoraussetzungen begünstigt. Studierende mit weniger Vorwissen, geringerer Lernmotivation, niedriger Methodenkompetenz oder Sprachkompetenz benötigen hingegen eine stärkere Strukturierung durch die Lehrperson. Dies bedeutet, dass dasselbe Lehr-Lernsetting unterschiedliche Effekte auf verschiedene Lerngruppen haben kann und durch das Lehr-Lernverhalten gezielt gesteuert werden sollte (Helmke, 2012). Ein zentraler Grundsatz im Diversity Management lautet: „Diversity is an inside job“. Der Umgang mit Vielfalt bezieht sich dabei nicht auf die anderen, sondern auf das eigene Selbst – auf die eigenen Einstellungen, Überzeugungen und Erwartungen gegenüber anderen (Gardenswartz & Rowe, 1994). Die Vielfalt der eigenen Rollen und Perspektiven bildet die Grundlage für eine diversitätsdidaktische Planung und Gestaltung von Lehr-Lernprozessen. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Perspektive auf die eigene Lehre sind die individuellen Überzeugungen, also die Vorstellungen darüber, was Lernende von Lehrenden lernen sollten und wie Lernprozesse gestaltet werden. Das Bewusstwerden der eigenen Perspektiven und der grundlegenden Haltung dazu, welche Lerninhalte für die Studierenden wichtig sind, bildet den ersten Schritt in die eigene diversitätsdidaktische Lehrpraxis.

Weitere Informationen

  • Die Plattform KomDim verfolgt das Ziel, Diversity-Aktivitäten an Hochschulen zu vernetzen, um so die Hochschulen bei der Entwicklung eigener Diversitätsprofile zu unterstützen. Das Angebot des Zentrums für Kompetenzentwicklung für Diversity Management in Studium und Lehre bietet neben zahlreichen Informationen zum Thema Diversity im Hochschulbereich auch ein eigenes Glossar sowie eine sorgfältig zusammengestellte Sammlung von digitalen Ressourcen zum Thema Vielfalt an Hochschulen an. Entwickelt wurde die Plattform in einem Verbundprojekt der Universität Duisburg-Essen und der Technischen Hochschule Köln.
  • Mit der Webseite Toolbox Gender und Diversity in der Lehre bietet die Freie Universität Berlin Informationen, Anregungen und Materialien zu gender- und diversitätsbewusster Lehre an. Darunter finden sich auch interaktive und informative Quizze, mit denen Nutzende ihr Wissen über Gender und Diversity testen und erweitern können. 
  • Die „Didaktische Handreichung zu Diversität und Internationalisierung an Hochschulen“ (2020) (PDF) ist ein Ergebnis des EU-Projekts „SOLVINC – Solving conflicts with international students“, das im ERASMUS+ Programm der Europäischen Union kofinanziert wurde (2018-2020), und beinhaltet Übungen und praktische Anleitungen für unterschiedliche Zielgruppen. Es kann als didaktische Ressource verwendet werden, um sich bei einer diversitätsorientierten Gestaltung von Kursen, Seminaren oder Lehrveranstaltungen inspirieren zu lassen. 
Letzte Änderung: 05.12.2024