Navigationsmetaphern

Der Einsatz von Metaphern ist bei der Gestaltung grafischer Benutzerschnittstellen weit verbreitet. Das wohl bekannteste Beispiel für Metaphern in Computer-Anwendungen ist die von Betriebssystemen verwendete Desktop -Metapher. Hier wird der Umgang mit dem System durch Analogien zwischen dem Gegenstandsbereich der Metapher und der Bedienoberfläche der Computeranwendung vereinfacht. Zum Beispiel wissen Benutzer, dass ein Papierkorb kein Ort für die Ablage ist, sondern Abfall beinhaltet.

Wie das Beispiel illustriert, sind Metaphern ein Mittel, um die Erfahrungswelt der Nutzer mit den Funktionsweisen des Programms in Deckung zu bringen und über diese Korrespondenz die Interaktion zu regulieren. Um diese Funktion zu erfüllen, muss die gewählte Metapher mit Inhalt und Gegenstand der Lernumgebung korrespondieren. Dabei können auch mehrere Metaphern kombiniert werden (Schulmeister, 2002).

Navigationsmetaphern und Hypermedia

In hypermedialen Lernumgebungen dienen Metaphern dazu, den Lernenden die Struktur des Informationsraumes zu verdeutlichen, Interaktionsmöglichkeiten zu eröffnen und zurückgelegte Navigationsschritte nachzuvollziehen. Hierzu müssen die Anwender die verwendeten Metaphern verstehen und benutzen können (Nielsen, 1996) . Beim Entwurf eines Systems sollten Sie darauf achten, geeignete Navigationsmetaphern zu verwenden, die

  • von der Zielgruppe verstanden werden,
  • zum thematischen Inhaltsbereich passen, sowie
  • Interaktions- und Navigationsmöglichkeiten der Lernumgebung abdecken.

Wenn Metaphern falsche Erwartungen an die Funktionalitäten des Systems wecken, bestimmte Funktionen durch die Metapher nicht abgedeckt werden können oder mehrere Metaphern unverbunden nebeneinander existieren, verwirren sie die Nutzer und sind der Orientierung im System eher hinderlich (Shedroff, 1999).

Ob und wie Sie Metaphern bei der Gestaltung der Navigation einsetzen, hängt also von Ihrer Gesamtkonzeption ab. Um Ihnen Anregungen zu geben, haben wir eine mit Beispielen angereicherte Sammlung von Navigationsmetaphern ( angelehnt an Schulmeister, 2002) zusammengestellt:

Bitte beachten Sie, dass in der Praxis und so auch in den aufgeführten Beispielen häufig mehrere Metaphern in Kombination eingesetzt werden.

Raum-Metaphern

Raum-Metaphern verankern Informationen in einer räumlichen Dimension. Dies geschieht durch den Einsatz von raumorientierten Anordnungsformen. Zum Beispiel kann die Navigation über den Grundriss eines Gebäudes erfolgen, ein Netzwerk oder eine Landkarte abbilden oder den Nutzer durch eine virtuelle Stadt führen.

Netzwerk - Beispiel:

beispiele

Ein Beispiel für die Nutzung einer räumlichen Struktur ist das Projekt TextArc – eine Java -basierte Anwendung, die einen Text als Netzwerk visualisiert. Das abgebildete Netzwerk kann als Index fungieren, Übereinstimmungen aufzeigen und eine optische Zusammenfassung des Textes geben. Die einzelnen Wörter sind anklickbar. Diese Form der Navigation unterstützt eine nichtlineare Rezeption von Texten. Die Abbildung stammt aus der Visualisierung des Dramas „Hamlet“.

Karten - Beispiele:

  • Mit dem Grimme Online Award 2002 wurde das Webdossier des WDR zur Stammzellendiskussion ausgezeichnet. Es beinhaltet unter anderem eine in Flash realisierte Ethiklandkarte zur Embryonendebatte, die die Hintergründe der jeweiligen Standpunkte verdeutlicht.
  • Die autobiographische Hyperfiction -Erzählung Subway Story entwickelt eine Geschichte anhand des U-Bahn-Netzes von New York. Die Navigation erfolgt entlang der verschiedenen Bahn-Linien. An Umsteige-Bahnhöfen kann der Leser Linien wechseln und so einem anderen Verlauf der Geschichte folgen.
  • Ebenfalls in New York spielt die Geschichte Mass Transit. Hier werden anhand einer Karte die Wege der sieben Protagonisten durch die Geschichte verfolgt.
  • Die Webseite der "Harry Potter"-Autorin J.K. Rowling ist als Schreibtisch gestaltet. Dies eröffnet spielerische Explorationsmöglichkeiten für die zumeist junge Zielgruppe.

Gebäude und Objekte - Beispiele:

Zeit-Metaphern

Die temporale Navigation zielt darauf ab, Informationen durch die Anordnung entlang einer Zeitlinie eine zeitliche Dimension zu verleihen. So können zum Beispiel historische Entwicklungen entlang eines Zeitstrahls dargestellt oder Lebensläufe ausgehend von biographischen Stationen erzählt werden. Auch biologische oder chemische Prozesse, zum Beispiel Entwicklungsstadien, eignen sich für eine Gliederung nach Zeitintervallen.

Beispiele:

  • Das Webspecial von Spiegel Online zum Nahost-Konflikt ordnet die Geschehnisse anhand einer Zeitleiste an. Sie benötigen zur Ansicht den Flash-Player.
  • Die Biographie von Rainer Maria Rilke auf der Seite onlinekunst.de ist in drei Abschnitte unterteilt: Kindheit, Jugend und Erwachsenenalter. Jedem Lebensabschnitt des Dichters entspricht eine einzelne Webseite. Der zeitliche Ablauf wird zudem durch Fotos verdeutlicht.
  • Auf der Seite der Arbeitsgemeinschaft Forum 1499 werden historische Informationen zur Geschichte des Schwabenkrieges entlang des zeitlichen Ablaufs dargestellt. Die Abbildung zeigt die integrierte Übersichtskarte. Die Nummern auf der Übersichtskarte entsprechen den zeitlichen (und räumlichen) Stationen.

Reise- und Abenteuermetaphern

Reise- oder Abenteuermetaphern versetzen den Nutzer in die räumlich-zeitliche Dimension über die es etwas zu lernen gilt. So können historische Persönlichkeiten über geschichtliche Ereignisse erzählen, ein Französischkurs als Reise nach Paris aufbereitet sein oder Personen, über ihre Erfahrungen und Ansichten berichten.

Beispiele:

spon

Das Webmagazin Spiegel-online hat die CDU-Spendenaffäre in einem Flash-Special umgesetzt, in dem die Navigation in der Hauptsache über die wichtigsten „Köpfe“ der Spendenaffäre erfolgt. Wird eine Person angeklickt, erscheinen Hintergrundinformationen. So entsteht ein sehr lebendiger Eindruck des Geschehens.

bbc

Ein Beispiel für eine virtuelle Abenteuer- und Zeitreise sind die Flash-basierten Multimedia-Produktionen der BBC, die in das Zeitalter der Dinosaurier einführen. Über Hyperlinks, die in die Flashfilme eingebettet sind, können die Nutzer die prähistorische Umgebung erforschen, verschiedenen Tieren begegnen und ihre Lebensweise kennen lernen. Die Abbildung zeigt einen Ausschnitt aus der Animation „Spirits of the Ice Forest“.

Buchmetaphern

Buchmetaphern werden bei Bildschirmmedien sehr häufig verwendet. Teilweise werden Metaphern aus dem Bereich des Buchdrucks mit einer linearen Abfolge von Bildschirmseiten kombiniert. Über entsprechende Icons können die Nutzer vor und zurück „blättern“ und teilweise auch größere Sprünge machen, zum Beispiel an den Anfang oder das Ende des Textes. Diese Form der Navigation entspricht ansatzweise der Lektüresituation im Print.Entlehnungen aus der Gutenberg-Galaxis finden sich aber auch in vernetzten oder hierarchisch strukturierten Hypertexten. So ist in der Beschreibung und Navigation häufig die Rede von Inhaltsverzeichnissen, Kapiteln und Seiten.

Beispiel:

zeitung

Ein Beispiel für die Übertragung der Lesesituation aus dem Printbereich in das Bildschirm-Medium Internet sind E-Paper Ausgaben von Online Zeitungen. In einer E-Paper Ausgabe kann man wie in der gedruckten Version blättern. Das abgebildete Beispiel stammt aus der Internetpräsenz der Süddeutschen Zeitung. Zur Nutzung diese Services ist eine (kostenlose) Registrierung nötig.

Funktionsmetaphern

Funktionsmetaphern beziehen sich auf virtuelle Gegenstände und Instrumente. Die Funktion von Alltagsgegenständen wie Taschenrechner, Telefon, Notizbuch oder Radio werden in der Online Umgebung nachgeahmt. Um die Bedienung zu erleichtern, orientiert sich die Benutzeroberfläche an den Elementen und Funktionsweisen der physischen Objekte.

Ähnlich verhält es sich mit virtuellen Instrumente wie z.B. Hebel, Kompass, Weltkugel oder Würfel. Durch Anklicken oder Bewegen per drag & drop wird eine Funktion ausgelöst, die aus der Erfahrungswelt des Nutzers entnommen und auf selbige übertragbar ist.

Beispiele:

player

Viele Multimediaplayer simulieren aus dem analogen Medium bekannte Oberflächen. Die Abbildung zeigt den MP3-Player Winamp als Beispiel.

player

Im abgebildeten Beispiel eines virtuellen Labors werden Funktionsweisen von Geräten und Hilfsmitteln nachgeahmt und so typische Abläufe eingeübt und der experimentelle Aufbau visualisiert.

Letzte Änderung: 31.03.2016