Vorlesungsaufzeichnungen

In dieser Studie am Leibniz-Institut für Wissensmedien wurde im Rahmen des Themenspecials "Lehren und Lernen mit Videos" u. a. untersucht, wie die e-teaching.org-Community das Thema "Vorlesungsaufzeichnungen" sieht. Hinsichtlich der Bewertung von Pro- und Contra-Argumenten zu Vorlesungsaufzeichnungen zeigte sich, dass vor allem die befürwortenden Argumente als stark bzw. sehr stark überzeugend eingestuft wurden. Auf dieser Seite finden Sie die Ergebnisse.

In Bezug auf den aktuellen Stand der Diskussionen schätzen sich knapp 80% der Teilnehmenden als mittelmäßig bis sehr gut informiert ein: der Aussage „Zum Thema Vorlesungs-/Veranstaltungsaufzeichnungen bin ich auf dem aktuellen Stand der Diskussionen“ stimmten etwa 28% der e-teaching.org-Nutzenden voll und ganz (bzw. überwiegend) zu und nur etwa 20% gaben als Antwort an stimmt überhaupt nicht (bzw. überwiegend nicht). Dieses Muster entspricht damit ungefähr den Befunden zu den Themen Mobiles Lernen und Open Educational Resources (OER). Für das Thema Learning Analytics hingegen gaben etwa 44% der Teilnehmenden an, überhaupt nicht (bzw. überwiegend nicht) auf dem aktuellen Stand der Diskussionen zu sein. Für das Thema MOOCs gaben etwa 55% der Teilnehmenden an, dass sie voll und ganz (bzw. überwiegend) auf dem aktuellen Stand der Diskussionen seien.

Der Aussage „Wenn dies durch geeignete Rahmenbedingungen abgesichert wäre, dann würde ich als Lehrende/r noch stärker auf Veranstaltungsaufzeichnungen und deren Bereitstellung für Studierende setzen“ stimmten knapp 12% der teilnehmenden e-teaching.org-Nutzenden überhaupt nicht (bzw. überwiegend nicht) zu. Fast 56% stimmten dieser Aussage hingegen voll und ganz (bzw. überwiegend) zu. Erwähnenswert im Vergleich zu anderen Themen ist, dass vergleichbaren Aussagen zu den Themen Learning Analytics und MOOCs von etwa 22% (Learning Analytics) bzw. 20% (MOOCs) der Teilnehmenden überhaupt nicht (bzw. überwiegend nicht) zugestimmt wurde. Für das Thema OER stimmten der vergleichbaren Aussage zur Nutzung hingegen etwa 70% voll und ganz (bzw. überwiegend) zu.

Hinsichtlich der Bewertung von Pro- und Contra-Argumenten zu Vorlesungsaufzeichnungen zeigte sich, dass vor allem die befürwortenden Argumente als stark bzw. sehr stark überzeugend eingestuft wurden, während die Gegenargumente in vergleichsweise höherem Ausmaß als nicht bzw. überhaupt nicht überzeugend bewertet wurden. So wurde (Pro-)Argument 6 beispielsweise von 66% der Teilnehmenden als stark bzw. sehr stark überzeugend eingestuft und von nur 6% als nicht bzw. überhaupt nicht überzeugend. Demgegenüber wurde (Contra-)Argument 1 von nur 19% der Teilnehmenden als stark bzw. sehr stark überzeugend eingestuft und von 38% als nicht bzw. überhaupt nicht überzeugend.

Ein detailliertes und zum Teil auch differenzierteres und kritischeres Gesamtbild zeigt sich bei Betrachtung der optionalen Freitext-Kommentare zum Thema Vorlesungsaufzeichnungen, die hier in gekürzter und zusammengefasster Form dargestellt werden. So sollten Vorlesungsaufzeichnungen einerseits „als selbstverständlicher Basis-Service zur Verfügung stehen“, was voraussetzt, dass die „Rahmenbedingungen optimiert werden“. Mit den bereitgestellten Vorlesungsaufzeichnungen gehe dann eine erhöhte „Orts- und Zeitunabhängigkeit“ einher. In Bezug auf die Lehrenden schreibt ein Teilnehmender beispielsweise: „für Forschungssemester können vorbereitend Konserven erstellt werden“. In Bezug auf Lernende wird thematisiert, dass „diejenigen, die nicht anwesend waren, nachhören“ können, dass „sich überschneidende Veranstaltungen“ mit Vorlesungsaufzeichnungen weniger problematisch seien und dass sich „Studierende die eine Prüfung wiederholen müssen“ gezielter vorbereiten könnten. Erwähnt wird außerdem das „besser gestaltbare Lerntempo“. Vorlesungsaufzeichnungen würden Lernenden überdies erlauben, diese gemeinsam „anzuschauen und zu diskutieren“. Genannt wird auch eine unterstützende Funktion bei „berufsbegleitenden Studiengängen“. Insgesamt begünstigten Vorlesungsaufzeichnungen „selbstbestimmtes Lernen“, erleichterten eine „individuelle Planung“ und ermöglichten „Transparenz nach außen und Flexibilität nach innen“. Nützlich seien Aufzeichnungen außerdem aus der Perspektive von Team-Teaching.

Allerdings seien Aufzeichnungen nur „für klassische Vorlesungen sinnvoll, aber nicht für Seminare“. Eine Gefahr sei dann allerdings immer noch der „Verlust des persönlichen Kontaktes“, der jedoch „erfahrungsgemäß aber auch nicht in den Vorlesungen stattfindet, sondern in Seminaren/Übungsgruppen mit kleiner Teilnehmerzahl“. Dass es immer auch Studierende geben werde, die aufgrund der Verfügbarkeit von Aufzeichnungen gar nicht mehr in Vorlesungen anwesend sind, bezweifelt ein Teilnehmender keineswegs, vermerkt aber auch, dass dies „nicht die Mehrheit“ der Studierenden sei.

Befragungsteilnehmende schreiben jedoch auch, dass die „reine Aufzeichnung“ bzw. die Vorgehensweise „alle Lehrveranstaltungen als Default aufzeichnen“ und „nur zum Abspulen“ bereitzustellen „nicht das Ziel“ und „kein Allheilmittel“ sein könne bzw. sogar abzulehnen sei. Vielmehr seien „Kontext des Einsatzes“ und Einbettung in ein „passendes Szenario“, „in eine Lernumgebung“ bzw. „in ein sinnvolles didaktisches Konzept“ ausschlaggebend dafür, ob Aufzeichnungen einen Mehrwert bieten könnten oder nicht. So konstatiert ein Teilnehmender: „ohne Szenarien ist der Mehrwert gering“. Genannt werden in Bezug auf die Einbettung in „didaktische Szenarien“ beispielsweise „Inverted Classroom Szenarien“ (Inverted Classroom Model, ICM). Vorlesungsaufzeichnungen könnten diesbezüglich sogar eine Voraussetzung für den Lehrenden darstellen, um „irgendwann auf innovative Präsenzformate wie das ICM umzusteigen“. Hinsichtlich befürworteter Szenarien werden auch solche „im Sinne der Barrierefreiheit“ genannt, nämlich als „Aufzeichnung Folien und Ton - ohne Video“. Vorlesungsaufzeichnungen seien außerdem nicht für jeden Lernenden gleichermaßen (un-)geeignet, da es „unterschiedliche Lerntypen“ gebe.

Insgesamt, so meint ein Befragungsteilnehmender, sollte „die Präsenzlehre im Hörsaal und Seminar weiterhin im Fokus des Studiums stehen“ und ein anderer Teilnehmender meint, dass „derartige Lehre durch Präsenzveranstaltungen“ begleitet werden müsse. Veranstaltungsaufzeichnungen sollten „nicht als alleinige Informationsquelle“ angesehen werden, sondern seien vielmehr ein „ergänzendes Medium“, welches „nur in Kombination mit anderen Formaten sinnvoll“ sei.

Wichtige Rahmenbedingungen bei Erstellung und Einsatz von Aufzeichnungen seien die „Unterstützung von der jeweiligen Bildungseinrichtung“, die Vorbereitung der Studierenden und die Lehrperson selbst, die entscheidend dafür sei, ob „die Studierenden (mit oder ohne Videos) in die Präsenzveranstaltung kommen“. Auch sei wichtig, dass „eine Beteiligung der Hörer möglich ist“. Ein Teilnehmer verweist außerdem auf die Wichtigkeit einer (mehrdimensionalen) „Qualität von Vorlesungsaufzeichnungen“ als „wichtiges Kriterium für oder wider einen Einsatz“. Auch sei die Länge der Aufzeichnungen entscheidend, denn „1,5 stündige Videos schaut sich kein Mensch wirklich an“. Statt „passives Konsumieren von 1,5 Stunden Vorlesungen“ halten einige Befragungsteilnehmende die „Fokussierung auf die Produktion von kurzen Lehrvideos für sinnvoller“, denn „Studierende unter Zeitdruck sehen wahrscheinlich weniger gerne 2-stündige Videos von Vorträgen an“. Ein Teilnehmender verweist diesbezüglich in eine andere Richtung: „What about lecture transcripts? Not as costly but still effective for the student that would like to review some of the topics in the lecture. He/she would not have to sit or search though a lengthy video for the content they are looking for“.

Hemmende Faktoren in Bezug auf den Einsatz von Vorlesungsaufzeichnungen seien einigen Teilnehmenden zufolge „Eitelkeit und Unsicherheit bei Dozierenden“, eine zu geringe Motivation der Lehrenden und dass die Videoproduktion „anspruchsvoll und auch technisch aufwendig“ sei. In Bezug auf die Zukunft von bloßen Aufzeichnungen schreibt ein Teilnehmender unter anderem: „Vorlesungsaufzeichnungen sind überholt! Hochschulen und deren Lehrende sollten Lehr-Lern-Videos produzieren, die mit interaktiven Aufgaben gekoppelt werden“.

Zur Methodik der Studie

In unserer Meinungsrubrik gab es die Möglichkeit, verschiedene Pro- und Contra-Argumente zu den Themen MOOCs, Mobiles Lernen, Learning Analytics, Open Educational Resources (OER) und Vorlesungsaufzeichnungen auf einer Pro-Contra-Skala zu betrachten, zu bewerten und Fragen zu diesen Themen zu beantworten. Hier präsentieren wir einige Ergebnisse auf der Basis von Daten zum Thema Vorlesungsaufzeichnungen, die bis zum 24. April 2016 vorlagen.

Wir sind uns bewusst, dass unsere Umfrage „alleine durch die Teilnahme meist interessierter Personen im Bereich E-Learning wohl beeinflusst sein“ könnte, wie ein Teilnehmender korrekt angemerkt hat. Unter anderem deshalb wurden beispielsweise zu den Themen Mobiles Lernen und MOOCs auch Befragungen unter Studierenden durchgeführt, deren Ergebnisse denen der e-teaching.org-Nutzenden gegenübergestellt wurden. An dieser Stelle bedanken wir uns bei allen Teilnehmenden für das Interesse und die Bereitschaft zum Mitmachen!

Zu jedem Thema werden die Antwortmuster zu (a) einer eher wissensbezogenen Frage und (b) zu einer eher meinungsbezogenen Frage grafisch veranschaulicht. Danach folgen die Ergebnisse zu den Bewertungen von jeweils sechs Argumenten (drei Pro- und drei Contra-Argumente). Die Zustimmung zu den ersten beiden exemplarisch dargestellten Fragen (Items) konnte auf einer 6-stufigen Skala angegeben werden (1 = Stimmt überhaupt nicht bis 6 = Stimmt voll und ganz). Die Bewertung der Überzeugungsstärke der Argumente erfolgte ebenfalls auf einer 6-stufigen Skala (1 = Überhaupt nicht überzeugend bis 6 = Sehr stark überzeugend). Zur besseren Veranschaulichung wurden die Kategorien 1 und 2, 3 und 4 sowie 5 und 6 in den Grafiken jeweils zusammengefasst. Die Grafiken werden jeweils nach den folgenden Anmerkungen zu den drei Themenbereichen präsentiert.

Verantwortlicher Wissenschaftler: Dr. Jens Jirschitzka (Dipl.-Psych). Bei Fragen oder Anregungen wenden Sie sich bitte an: j.jirschitzka@iwm-tuebingen.de.

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