MiReBooks – MixedReality Handbooks for Mining Education

Im Projekt „MiReBooks“ werden klassische Lehrmaterialien (z. B. Lehrbücher oder 2D-Videos) im Fach „Bergbau“ mit Virtual und Augmented Reality (Mixed Reality oder MR) kombiniert und in der Lehre eingesetzt. Die Studierenden nutzen dabei entweder eine bestimmte Smartphone-App oder eine VR-Brille, um mit den MR-basierten Materialien zu interagieren. Dieses Praxisbeispiel beschreibt die Umsetzung einer virtuellen Exkursion mithilfe von 360°-Videos.

Eckdaten

Kann Lösungsansätze für folgende Problemstellungen der Lehre bieten:

  • Hohe Komplexität der Lerninhalte
  • Geringe Lernmotivation
  • Heterogenes Vorwissen
  • Geringer Transfer in die Praxis

Eignet sich für folgende Virtualisierungsgrade:

  • Anreicherung
  • Integration

Nutzt folgende Medieneigenschaften zur Unterstützung des Lernprozesses:

Interaktivität: 4 (trifft eher zu)
Adaptivität: 1 (trifft überhaupt nicht zu)
Synchronizität: 5 (trifft vollkommen zu)
Selbststeuerung: 3 (trifft zu)

Zentrale Herausforderung von geo- und rohstoffwissenschaftlichen Studiengängen ist, dass Studierende bislang viele komplexe Inhalte mit hohen Anforderungen an räumliches Vorstellungsvermögen nur auf Basis von 2D-Lehrmedien erlernen konnten. Zudem sind für den Kompetenzerwerb realistische Einblicke in echte Bergwerke essentiell. Exkursionen hierfür sind aber teuer, zeitaufwändig und können den Studierenden nur in begrenztem Umfang angeboten werden.

Im Rahmen des Projekts „MiReBooks“ wurde ein umfassendes, Mixed Reality-basiertes System entwickelt, in dem Studierende gemeinsam mittels VR-Brillen auf eine virtuelle Exkursion (360°-Videos) gehen können. Der oder die Lehrende führt die Studierenden Schritt für Schritt gemeinsam durch die virtuelle Erfahrung und kann relevante Punkte mit einem Pointer in VR derart hervorheben, dass die Studierenden diese direkt in VR sehen. Gleichermaßen können auch Studierende mit einem Pointer auf Dinge aufmerksam machen, sodass die Nutzung von VR zu einer interaktiven Erfahrung wird, die sowohl in Präsenz, als auch über Fernlehre durchgeführt werden kann, sofern man den Studierenden VR-Brillen bereitstellt.

Ein zentrales Ergebnis ist, dass die Studierenden die MR-Erfahrung als positiv und gewinnbringend für die Erhöhung der Lehrqualität beurteilen. Eine weitere wichtige Erkenntnis ist, dass die Lehrperson sehr klar festlegen und kommunizieren muss, welches Medium wann und warum zur Wissensvermittlung eingesetzt wird. Zeigt man ein 3D-Modell und diskutiert verschiedene Bewegungsabläufe oder zeigt man z. B. das 360°-Video von der laufenden Maschine vor Ort? Die Beantwortung dieser Fragen sollte immer mit konkreten Lernzielen verknüpft sein.

Gleichzeitig ist zum aktuellen Zeitpunkt die kognitive Beanspruchung der Lehrenden während der Nutzung der Systeme sehr hoch. Es ist hilfreich, wenn ein paar Aufgaben (technischer Testlauf, Überblick, wer wo hinschaut, technische Schwierigkeiten bei einzelnen Personen) von anderen Personen übernommen werden.

Medieneigenschaften zur Unterstützung des Lernprozesses

Interaktivität: 4 (trifft eher zu)

Die Studierenden können gemeinsam mit dem oder der Dozierenden eine 360°-Erfahrung erleben und Dinge hervorheben und einzeichnen. Gleichsam können sie Schritt für Schritt durch verschiedene 360°-Szenen navigieren.

Synchronizität: 5 (trifft vollkommen zu)

Das Projekt ermöglicht explizit das gemeinsame, simultane erleben von 360°-Videos. Der oder die Dozierende kann live in VR Annotationen erstellen, die die Studierenden unmittelbar sehen können. Auch die Studierenden können durch ihren Pointer auf sich aufmerksam machen, sodass man eine gemeinsame 360°-Erfahrung hat, in der die Studierenden mit den Lehrenden kommunizieren und in dem Prozess die Kompetenzen erwerben.

Selbststeuerung: 3 (trifft zu)

Selbstgesteuertes Lernen trifft nur bedingt auf das Praxisbeispiel zu. Die Studierenden können frei durch einzelne 360°-Videoerfahrungen navigieren und individuell Schwerpunkte setzen. Allerdings ist die vollständige Selbststeuerung nicht dienlich der Lernziele der Vorlesung gewesen, da das Erinnern, Orientieren und Verstehen der neuen Umgebungen im Vordergrund stand.

Lösungsansätze für Problemstellungen der Lehre

Für die folgenden Problemstellungen kann das Praxisbeispiel Lösungsansätze bieten:

  • Hohe Komplexität der Lerninhalte:
    In den Geo- und Rohstoffwissenschaften gibt es zum Teil hohe Anforderungen an das räumliche Vorstellungsvermögen, insbesondere zu der räumlichen Ausdehnung von geologischen Lagerstätten oder Streckensystemen und Abbauverfahren in einem Bergwerk. Anhand der VR-, AR- und 360-Videoinhalte ist es möglich die Dreidimensionalität dieser Strukturen besser in die Lehrveranstaltungen und Lernprozesse zu integrieren, sodass der Erwerb dieser komplexen Lerninhalte vereinfacht wird.
  • Geringe Lernmotivation:
    Durch die Verwendung von 360°-Inhalten erleben die Studierenden eine immersive Lernerfahrung und können in reale Bergwerke eintauchen, was sich positiv auf die Motivation und Begeisterung der Studierenden für ihr Fach auswirkt. Oftmals entsteht die Lernmotivation und Begeisterung für das Fach des Rohstoffingenieurswesens erst im Verlauf von echten Praktika oder Exkursionen. Diese werden von den Studierenden in jüngeren Semestern jedoch nur sehr eingeschränkt durchgeführt. Durch die 360°-Videos kann nun auch früh ohne aufwändige Exkursionen die Lernmotivation für das Fach gesteigert werden.
  • Heterogenes Vorwissen:
    Studierende mit Vorwissen zu VR werden ggf. weniger technische Unterstützung beim Einstieg in die Virtuelle Exkursion benötigen. Jedoch ist die Usability der VR Brillen mittlerweile durch Inside Out Tracking so intuitiv geworden, dass dies gut durch Studierende zu Hause selbst durchgeführt werden kann. Generell hat eine virtuelle Exkursion einen höheren Mehrwert für Studierende, die noch nie vor Ort (in der aufgenommenen 360°-Szene) waren. Studierende, die die Orte bereits selbst gesehen haben, werden verschiedene Erfahrungseindrücke vermissen. Dennoch ist es möglich mit dem ein und demselben 360°-Video verschiedenste „Vorwissenslevel“ zu adressieren. Das hängt in diesem Fall davon ab, wie sehr der oder die Dozierende in die Details der dargestellten Inhalte eindringen will.
  • Geringer Transfer in die Praxis:
    Praxisnahe Eindrücke und Erfahrungen sind von enormer Bedeutsamkeit im Rohstoffingenieurswesen, weil insbesondere der Aufbau eines Bergwerkes, sowie die bergbaulichen Prozesse und Abläufe für fachfremde Menschen oder Studierende der frühen Semester gänzlich unbekannt sind. Der Praxistransfer erfolgt üblicherweise im Rahmen von Praktika oder von Exkursionen in Rohstoffgewinnungsbetrieben. Insbesondere bei Exkursionen sind die Lehrstühle jedoch in Bezug auf die vorhandenen Ressourcen eingeschränkt. So können manche relevanten Prozesse und Variationen im Bergbau oftmals nur an sehr abgelegenen Bergwerken im Ausland besichtigt werden, und Exkursionen zu diesen Orten sind aufgrund von Kosten und Zeitaufwendungen nur sehr eingeschränkt möglich. Die virtuellen 360°-Exkursionen ermöglichen es, diese Erfahrungen in den Hörsaal/den Lernraum zu transportieren, ohne das eine aufwändige Exkursion notwendig ist. Der Vorteil gegenüber klassischen 2D-Videos ist dabei, dass bei 360°-Videos ein hoher Immersionsgrad erreicht wird, wodurch die Studierenden ein Verständnis für die Dimensionen, und sonstigen Sinneseindrücke (Lärm, Dunkelheit, etc.) erwerben können. Diese „weichen“ Kompetenzen sind insbesondere für das Rohstoffingenieurwesen äußerst relevant und können anderweitig nur in echten Betrieben erworben werden.

Virtualisierungsgrad

Der Virtualisierungsgrad beschreibt das Verhältnis von analogen und digitalen Elementen in einem Lehr-/Lernszenario. Das Praxisbeispiel unterstützt die folgenden Virtualisierungsgrade:

  • Anreicherung
  • Integration

Ressourcen

Soft- und Hardware

  • 360°-Brillen, Smartphones (AR-Modelle)

Weitere Informationen zum Praxisbeispiel

Kontakt

Sie möchten mehr über das Praxisbeispiel erfahren? Hier können Sie Kontakt zu den Autorinnen und Autoren aufnehmen:

Johannes Sieger
RWTH Aachen University
Institute of Mineral Resources Engineering
Nachhaltige Rohstoffgewinnung
Wüllnerstraße 2
52062 Aachen
Mail: sieger@mre.rwth-aachen.de

Univ.-Prof. Dr. Bernd Lottermoser
RWTH Aachen University
Institute of Mineral Resources Engineering
Nachhaltige Rohstoffgewinnung
Wüllnerstraße 2
52062 Aachen
Mail: lottermoser@mre.rwth-aachen.de
URL zur Person: https://mre.rwth-aachen.de/institut/menschen/bernd-lottermoser/

Dr. Ing. Anas Abdelrazeq
RWTH Aachen University
Chair of Production Metrology and Quality Management & Institute for Information Management in Mechanical Engineering
Digitale Transformation der Arbeitswelt
Dennewartstr. 27
52068 Aachen
Mail: anas.abdelrazeq@ima.rwth-aachen.de
URL zur Person: https://cybernetics-lab.de/mitarbeiterInnen/anas-abdelrazeq

Lea Daling
RWTH Aachen University
Chair of Production Metrology and Quality Management & Institute for Information Management in Mechanical Engineering
Digitale Transformation der Arbeitswelt
Dennewartstr. 27
52068 Aachen
Mail: lea.daling@ima.rwth-aachen.de
URL zur Person: https://cybernetics-lab.de/mitarbeiterInnen/lea-daling