Beyond Wor(l)ds 360°: Globales_Literarisches_Lernen
Das Praxisbeispiel beschreibt eine Lehrveranstaltung mit Workshopcharakter im Bereich der romanischen Literatur- und Kulturwissenschaft (im Lehramtsstudium). Im Fokus standen spanischsprachige Texte, die sich mit globalen politischen, gesellschaftlichen und ökologischen Krisen und Herausforderungen der Gegenwart im Sinne der Global Citizenship Education bzw. des Globalen Lernen befassen. Der Einsatz von VR-Brillen und 360°-Kameras erlaubte den Studierenden über die Textdiskussion hinaus eine künstlerische, kreative Annäherung und das immersive Eintauchen in ausgewählte Räume und Szenarien.
Eckdaten
Kann Lösungsansätze für folgende Problemstellungen der Lehre bieten:
- Hohe Komplexität der Lerninhalte
- Geringe Lernmotivation
- Passivität der Studierenden
- Geringer Transfer in die Praxis
Eignet sich für folgende Virtualisierungsgrade:
- Anreicherung
- Integration
Nutzt folgende Medieneigenschaften zur Unterstützung des Lernprozesses:
Das hier vorgestellte Praxisbeispiel wurde im Sommersemester 2024 und im Wintersemester 2024/25 in Lehrveranstaltungen mit Workshopcharakter an der Leibniz Universität Hannover umgesetzt. Im Fokus der Veranstaltungen im Bereich der romanischen Literatur- und Kulturwissenschaft standen spanischsprachige Texte, die sich mit globalen politischen, gesellschaftlichen und ökologischen Krisen und Herausforderungen der Gegenwart im Sinne der Global Citizenship Education bzw. des Globalen Lernen befassen. Im Seminar wurden Arbeitsweisen der Literatur- und Kulturwissenschaften durch didaktische Aufbereitung mit ausgewählten VR-Szenarien verzahnt. Bei den hierfür gewählten VR- und 360°-Medien handelt es sich um in AppStores und im Internet frei verfügbare Inhalte, u. a. von NGOs, welche die Studierenden während der Präsenztreffen vor Ort mit bereitstehenden VR-Brillen individuell rezipierten. Für die Lehrveranstaltungen wurde die Form eines Blockseminars gewählt, wobei sich die einzelnen Sitzungstermine an verschiedenen Themeneinheiten bzw. thematischen Schwerpunkten orientierten.
Um das besondere Immersionspotenzial von literarischen Texten, die zeitgenössische Konflikte behandeln, über eine angeregte Textdiskussionen hinaus zu erweitern und die literar-ästhetischen Kompetenzen der Studierenden zu fördern, begeben sich die Projektteilnehmenden mithilfe von digitalen VR- und 360°-Medien in Szenarien, die den in den Texten behandelten ähneln (Themenschwerpunkt zunächst Migration, später Gobales Lernen). In der virtuellen Realität erleben Lernende literarisch bearbeitete Themen und/oder Ereignisse nach und werden stärker für textuell verhandelte Themen und Problematiken sensibilisiert. Durch die Schaffung von authentischen Kommunikationssituationen und die Projektion in kultur- und länderspezifische Kontexte werden die digitalen, kommunikativen und interkulturellen Kompetenzen von Lehramtsstudierenden gefördert. Der innovative Ansatz sorgt zudem für eine hohe Motivation der Studierenden. In einer eigenen Video-Projektarbeit der Lernenden mit 360°-Kameras wurde die Auseinandersetzung mit den Texten auf kreative Weise vertieft.
Die Lernenden erstellten in Kleingruppen in kreativer Auseinandersetzung mit einem von ihnen frei gewählten und im Seminar behandelten Text einen daran anschließenden/darauf aufbauenden 360°-Kurzfilm, den sie (außerhalb der Blocksitzungen als Studienleistung) frei gestalten konnten. Die konzeptuelle Aufbereitung hat das selbstständige und selbstgesteuerte Lernen in Gruppen gefördert. Technisch unterstützt wurden die Studierenden dabei von der Seminarleitung und einer geschulten Hilfskraft im Rahmen von Tutorien und Hilfsangeboten in Form von Video-Tutorials, Instruktionen und Arbeitsblättern.
Der technische Aufwand für ein derartiges Projekt ist (für Dozierende wie auch für Studierende) nicht zu unterschätzen und muss daher insbesondere für Studierende dezidiert didaktisch mit Scaffolding-Angeboten (technischen Einführungen, Arbeitsblättern und Anleitungen, Tutorials und Tutorien) aufbereitet werden. Besonders beim erstmaligen Gebrauch von VR-Brillen muss Zeit für das Herantasten an die neue Technologie und das eigenständige Arbeiten in Gruppen unter Anleitung gegeben werden. Die Studierenden lobten in der Lehrveranstaltungsevaluation besonders den innovativen Ansatz und die kreative Arbeit in Gruppen, die zwar aufwändig war, aber viel Freude bereitet hat und für ein gutes Lernklima gesorgt hat.
Es wird gewünscht, das im Rahmen der Seminare gewonnene Know-How über den Einsatz von VR-Brillen und 360°-Kameras in geisteswissenschaftlichen Lehrveranstaltungen über fachliche Grenzen hinaus zu teilen, zu diskutieren und weiterzuentwickeln. Die von den Studierenden erstellen 360°-Videos sollen am Institut in Seminaren der Didaktik zum Einsatz kommen und dort didaktisch von den Studierenden aufbereitet werden. Die 360°-Videos wurden auf dem YouTube-Kanal des Romanischen Seminars veröffentlicht. Auf einer 360°-Homepage werden die Inhalte und Ergebnisse der Seminare für den digitalen Wissenstransfer in Kürze zugänglich gemacht.
Medieneigenschaften zur Unterstützung des Lernprozesses
Die Nutzung ausgewählter VR-Szenarien ermöglicht den Studierenden eine umfassende Interaktion mit der VR-Welt.
Die Studierenden treten synchron und asynchron mit literarischen und aktivistischen Texten und Stimmen in Austausch.
Lernende können verschiedene bereitgestellte VR-Szenarien selbst anwählen. Gleichzeitig kann in Form eines Gemeinschaftserlebnisses ein VR-Szenario individuell betreten werden. Besonders die eigene Projektarbeit der Lernenden mit 360°-Kameras und deren konzeptuelle Aufbereitung hat das selbstständige und selbstgesteuerte Lernen in Gruppen gefördert.
Lösungsansätze für Problemstellungen der Lehre
Für die folgenden Problemstellungen kann das Praxisbeispiel Lösungsansätze bieten:
- Hohe Komplexität der Lerninhalte:
In literarischen Texten verhandelte Themenkomplexe und/oder kulturspezifisches Kontextwissen können durch die intermediale und immersive Vermittlung zugänglich gemacht werden. Besonders die 360°-Erfahrung und deren hoher Immersionscharakter erzeugen emotionale Reaktionen, die Denk- und Reflexionsprozesse sowie Diskussionen über Theorie und Praxis anregen.
- Geringe Lernmotivation:
Die individuellen und gemeinschaftlichen VR-Erlebnisse fördern die Partizipation aller Beteiligten, generieren Neugier und regen den Austausch der Lerngemeinschaft über gesammelte Erfahrungen und (technische sowie fachliche) Fragen an. Die eher ungewöhnliche Verbindung von VR mit Literaturwissenschaft generierte zunächst viele Frage, was jedoch zu Offenheit und dem Gefühl einer gemeinschaftlichen Erarbeitung eines neuen Ansatzes geführt hat.
- Passivität der Studierenden:
Nicht nur das gemeinsame Betreten verschiedener VR-Szenarien, sondern besonders das Format der kreativen Projektarbeit in Gruppen hat die Partizipation der Studierenden und den Austausch inner- und außerhalb der Projektgruppen gefördert und zu angeregten Diskussionen und einem hohen Engagement der Lernenden geführt. Eigene kreative Ideen in die Praxis umzusetzen und sich als Gruppe ein eigenes Projekt zu erarbeiten, hat viele Lernende motiviert.
- Geringer Transfer in die Praxis:
Durch das eigenständige Erstellen von 360°-Videos ist ein Theorie-Praxis-Transfer gegeben. Lernende wenden - teils intuitiv, teils unter Anleitung - literar-ästhetische Kriterien an und sammeln durch die technische Bearbeitung hohe digitale Kompetenzen.
Virtualisierungsgrad
Der Virtualisierungsgrad beschreibt das Verhältnis von analogen und digitalen Elementen in einem Lehr-/Lernszenario. Das Praxisbeispiel unterstützt die folgenden Virtualisierungsgrade:
- Anreicherung
- Integration
Ressourcen
Soft- und Hardware
- Meta Quest 2
- Meta Quest 3, Pico Neo 3
- 360°-Kameras (Software Insta 360 X3)
Weitere Informationen zum Praxisbeispiel
Kontakt
Sie möchten mehr über das Praxisbeispiel erfahren? Hier können Sie Kontakt zu den Autorinnen und Autoren aufnehmen:
Dr. Jennifer Wengler
Leibniz Universität Hannover (Romanisches Seminar)
Didaktik der romanischen Sprachen
Königsworther Platz 1
30167 Hannover
wengler@romanistik.phil.uni-hannover.de
Dr. des. Natascha Rempel
Leibniz Universität Hannover (Romanisches Seminar)
Didaktik der romanischen Sprachen
Königsworther Platz 1
30167 Hannover
rempel@romanistik.phil.uni-hannover.de