Digitale Medien im Selbststudium: Neue Möglichkeiten der Selbstbestimmung oder Widerspruch zum Bildungsauftrag?
Digitale Medien bieten zahlreiche Möglichkeiten, Studierende beim Selbststudium zu unterstützen. Diese Vorteile wurden auch in der Abschlussveranstaltung zum Themenspecial diskutiert; ebenso jedoch auch kritische Fragen, etwa in Bezug auf den Datenschutz oder dazu, inwiefern digitale Medien (zu) stark lenken oder kreative Lösungen ausblenden. Nicht zuletzt ging es in der Diskussion darum, unterschiedliche Perspektiven ins Gespräch miteinander zu bringen und der notwendigen Auseinandersetzung über die Rolle digitaler Medien im Selbststudium bzw. in der Hochschulbildung Raum zu geben.
05.07.2021, 14:00 Uhr
Wie unterschiedlich die Erfahrungen und Hintergründe der Podiumsgäste sind, zeigen bereits die Statements, in denen sie ihre Positionen zusammengefasst haben.
So bilanziert André Mersch (FH Bielefeld) als langjähriger Teilprojektleiter des Projekts optes (Optimierung der Selbststudiumsphase): „Digitale Selbstlernmaterialien sind ein orts- und zeitunabhängiges Angebot zur Strukturierung der Vor- und Nachbereitung von Lehrveranstaltungen sowie der semesterbegleitenden Prüfungsvorbereitung. Eingebettet in passende didaktische Konzepte können dadurch Partizipationsbarrieren abgebaut, die Qualität der Präsenzveranstaltungen angehoben und dem ‚Bulimielernen' am Semesterende vorgebeugt werden."
Prof. Dr. Claudia de Witt (FernUniversität in Hagen) geht noch einen Schritt weiter: „Das zukünftige Selbststudium wird von Künstlicher Intelligenz und Learning Analytics geprägt sein. Die damit verbundenen Interaktionen stellen die Selbstbestimmung von Studierenden zwar auf die Probe; sie haben aber großes Potenzial, wenn wir wissen, was wir mit den intelligenten Technologien in der (Hochschul-)Bildung erreichen wollen."
Prof. Dr. Heidrun Allert (Universität Kiel) erinnert daran, dass das Selbststudium erst mit der Bologna-Reform zum Teil institutioneller Gestaltung, Beobachtung und Incentivierung wurde: „Allerdings wurde es bisher oftmals individualistisch gedacht. Gerade durch Entwicklungen im Netz werden individualistische Formen des Lernens und der Persönlichkeitsentwicklung allerdings außerhalb etablierter Institutionen besonders innovativ und selbstwirksam offeriert und genutzt. Aber wie sehen Formen aus, die demokratisches Handeln unterstützen? Die außerhalb von Hochschule als demokratische Institution gar nicht möglich werden? Die einen besonderen und geförderten Raum erfordern und in denen Visionen imaginiert und erprobt werden können?"
Auch die studentische Perspektive von Leonie Ackermann, die sich u. a. in der AG „Digitalisierung von Lehre und Studium" des Wissensschaftsrats engagiert, ist ambivalent: „Der digitale Wandel verspricht ein Segen zu sein, gerade für Studierende, die nicht zeit- und ortsgebunden lernen können. Neue Möglichkeiten der (Selbst-)Überwachung und (Selbst-)Steuerung sind die Kehrseite der Medaille. Wie können Studierende in einem Bildungssystem, das auf Leistung und Konkurrenz basiert, einen gesunden und selbstbestimmten Umgang mit digitalen Medien finden? Und wie kann sichergestellt werden, dass ihre Persönlichkeitsrechte von Hochschulen und externen Anbieter*innen geachtet werden?"