Tagungsbericht - HIS Workshop „Elektronische Prüfungen“
Rahmenbedingungen und Praxiserfahrungen
Obwohl der Titel dieses Workshops mit der Absicht gewählt worden war, die vielfältigen Formen digitaler Leistungsnachweise möglichst neutral zu umschreiben, ergab sich bereits zu Beginn eine Diskussion über die Uneinheitlichkeit der in diesem Zusammenhang zurzeit noch verwendeten Begrifflichkeiten. Zudem weisen sie nicht nur auf verschiedene (neue) „Prüfungs“-Formen hin – von „Online-Klausuren“ (mit meist automatisch auswertbaren Aufgabentypen) bis zum E-Assessment (z.B. durch Portfolio-Aufgaben) –, sondern oft auch auf ein damit verbundenes unterschiedliches Verständnis von deren Funktion im Lernkontext.
Wie aktuell dieses Thema mit seinen unterschiedlichen Aspekten ist, ließ sich an der hohen Besucherzahl ablesen: Fast 130 Interessierte aus über fünfzig Hochschulen waren am 5./6.11.2008 zu der von der HIS (Hochschul Informations Systeme GmbH) ausgerichteten Tagung nach Hannover gekommen. Die meisten von ihnen hatten, wie die Pausengespräche zeigten, noch keine eigenen Erfahrungen in diesem Bereich.
Die insgesamt zwölf Beiträge aus den „Pionierhochschulen“ (Münster, Heidelberg, FU Berlin, Frankfurt, Bremen, Duisburg-Essen, Medizinische Hochschule Hannover) waren vier thematischen Schwerpunkten zugeordnet. Am ersten Tag ging es um rechtliche, didaktische und technische Überlegungen. Der ganze zweite Tag stand unter der Perspektive organisatorischer Fragen; dabei zeigte sich deutlich, wie komplex die Anforderungen bei der Umstellung von traditionellen auf elektronische Prüfungsformen im laufenden Hochschulbetrieb sind. Dies kann bei scheinbar trivialen Problemen beginnen, etwa damit, einen Termin für den Umbau eines langfristig zu Prüfungszwecken ausgebuchten Raums zu finden. Mehrere Beiträge stellten Kalkulationen vor, die die Kosten für IT-Ausstattung und Umbau sowie für den dauerhaften Betrieb (Raumbetreuung, Weiterentwicklung, Management) und den prüfungsbezogenen Aufwand (Erstellung und Durchführung, Schulung von Lehrenden usw.) umfassen. Aufgrund einer solchen Hochrechung erwies es sich für die Medizinische Hochschule Hannover als (kosten)günstiger, die gesamte Realisierung elektronischer Prüfungen im Rahmen eines Public Private Partnership an eine externe Firma abzugeben. Diese stellt die Hard- und Software (Server, mobile Tablett-PCs sowie die Prüfungssoftware), sorgt für die Durchführung der Prüfungen vor Ort und deren Auswertung, erstellt neue Prüfungsfeatures, verwaltet die Prüfungsfragendatenbank und archiviert die Prüfungsrohdaten (wobei alle Beteiligten betonten, dass der gleich zweifache Systemausfall bei der Demonstration am ersten Konferenzabend völlig untypisch gewesen sei).
Trotz solcher Schwierigkeiten und der hohen Kosten ist das Interesse an elektronischen Prüfungen außerordentlich groß; interessanterweise gerade auch bei Dozenten, die ansonsten für den Einsatz von E-Learning in der Lehre wenig Interesse zeigen. Jedoch reicht das Potenzial elektronischer Leistungsnachweise weit über eine schnellere Abwicklung von Prüfungen mit großen Studierendenzahlen hinaus, wie die inspirierenden Beiträge über die „Open-Book“-Klausuren im Fach Statistik an der FU Berlin und die medizinischen Prüfungen mit dem „virtuellen Patienten“ an der Universität Heidelberg zeigten. In beiden Fällen werden die in den Prüfungen vorkommenden E-Learning-Elemente bereits in der Lehre verwendet und schaffen so eine Verbindung zwischen Lehre und Prüfung. In beiden Fällen werden keine automatisch auswertbaren Aufgaben eingesetzt; vielmehr ermöglicht der Computereinsatz, praxisbezogene Aufgaben einzusetzen – z.B. zur Berechnung von Statistiken oder zur Diagnose – und prozedurales, anwendungsbezogenes Wissen zu überprüfen. Weitere didaktisch motivierte Formen des Leistungsnachweises, z.B. durch kollaborative Zusammenarbeit in einem Wiki – präsentierte auch Cornelia Rüdel (ETH Zürich) anhand von Praxisbeispielen vor allem aus dem anglo-amerikanischen Raum in ihrem perspektivischen Abschlussbericht.
Alle Präsentationen der Tagung können abgerufen werden unter http://www.his.de/publikation/seminar/Workshop_E-Pruefung ; wer sich an der Diskussion im Prüfungswiki der Universität Gießen beteiligen will, kann sich dazu registrieren lassen bei: michael.vogt@hrz.uni-giessen.de.