Konferenzbericht Campus Innovation 2010
Bereits zum 8. Mal fand die vom Multimedia Kontor ausgerichtete Campus Innovation dieses Jahr in Hamburg statt. Zum dritten Mal zusammen mit dem Konferenztag Studium und Lehre der Universität Hamburg. Fast 600 Teilnehmer/-innen hatten sich angemeldet. Erstmals beteiligten sich als Sponsoren auch die E-Learning-Initiativen anderer Bundesländer wie der niedersächsische E-Learning Academic Network (ELAN) e.V., der mit neuem, modernerem Corporate Design auftrat, die virtuelle hochschule bayern (vhb), das telemedia technologie kompetenz-center (httc) aus Hessen, das Centre for e-Learning Technology (CeLTech) (Saarland), die oncampus GmbH aus Schleswig-Holstein und das Zentrum für Multimedia in der Lehre (ZMML) der Universität Bremen.
Eröffnet wurde die Konferenz mit einer Keynote von Prof. Dr, Detlef Müller-Böling, der ankündigte, 10 Jahre nach seiner Veröffentlichung „Die entfesselte Hochschule“, Resümee ziehen zu wollen. Allerdings trugen weniger der Vortrag als die Rahmenbedingungen dazu bei, dass sich der Beginn der Tagung spannend, ja kurze Momente gar „entfesselt“ darstellten – durch den lautstarken Auftritt einer studentischen Protestgruppe. Konferenzleiter Dr. Marc Göcks sowie die Vertreter der Hamburger Hochschulleitung reagierten souverän und besonnen. Umso unverständlicher, dass sich einige der Protestierenden nicht beruhigen wollten und sich damit selbst diskreditierten. Was die Keynote betraf, muss man allerdings festhalten, dass Müller-Böhlings - seit langer Zeit erster ohne Folien gehaltener Vortrag – sich in Anekdoten und Anmerkungen aus seiner langen Tätigkeit für den Bereich (Medien-)Bildung verlor. Die Brücke zu aktuellen Themen und Fragen schaffte erst der zweiter Redner, Prof. Dr. Klaus Tochtermann (ZBW Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft / Universität Kiel) mit dem Thema Science 2.0. Wissenschaft im Web 2.0 zeichne sich demnach durch offenen Diskurs, Partizipation, steigende Kollaboration sowie interne Kommunikation innerhalb der Scientific Community aus. Als weitere zentrale Schlagworte nannte Tochtermann „Hyperciticality“ und „Open Review“, also offene Reviewverfahren. Die Realität im Blick, versäumte es Tochtermann nicht, auf mögliche Probleme aufmerksam zu machen, wie zum Beispiel die Frage, ob junge Wissenschaftler es wirklich wagen beim Open Review „Silberrücken“ ihres Fachbereichs zu kritisieren.
Das Konferenzprogramm gliederte sich in die drei Tracks eLearning, Studium und Lehre (also den Berichten aus der Hamburger Hochschulpraxis) und eCampus.
Im ersten Track berichtete Prof. Dr. Vornberger (Uni Osnabrück) von den interessanten Tools des Zentrums Virtuos und deren durchaus überzeugendem Einsatz (nicht nur) in seiner Lehre. Er stellte anhand von Praxisbeispielen das Tool media2mult vor, ein Wiki-Werkzeug, in das vielfältige Formate integriert und aus dem wiederum PDF Dateien generiert werden können; den VirtPresenter, ein Präsentationstool für Vorlesungsaufzeichnungen, das u.a. zeigt, welche Ausschnitte am häufigsten aufgerufen werden und somit Studierenden einen Hinweis gibt, welche Ausschnitte wirklich wichtig sind. Er stellte außerdem vor, wie die Integration der Aufzeichnungen in iTunes sowie in Facebook umgesetzt wurde. Facebook fügt der Folienpräsentation noch den Service hinzu, dass die Studierenden sehen können, wer aus der Community gleichzeitig die Präsentation anschaut. Theoretisch kann dann gleich Kontakt geknüpft werden. Ein ebenso interessantes Tool ist das von Virtuos bereit gestellte Classroomquiz, das sich die Studierenden auf ihrem Mobiltelefon installieren können und mit Hilfe dessen sie über Bluetooth über Lehrveranstaltungen abstimmen können. Vornbergers interessante Feststellung zum zusätzlichen Angebot von Vorlesungsaufzeichnungen: Gute Studierende werden besser und die Schlechten schlechter. Während nämlich gute Studierende die Aufzeichnungen zusätzlich zur Vorlesung nutzen, um den Stoff oder zumindest einzelne Teile zu wiederholen, verzichteten schlechte Studierende aus Bequemlichkeit darauf die Vorlesung zu besuchen und schieben auch den virtuellen Besuch bis kurz vor die Prüfung auf. Zentrale Themen im Bereich E-Learning scheinen dem Track zufolge Schnittstellen zwischen Lernmanagementsystemen sowie Facebook und anderen Social Networks, 3D-Welten und Augmented Reality sowie Mobile Learning Lösungen u.a. mit Smartphones zu sein.
Im Track E-Learning zum Thema Content Sharing (Donnerstag Nachmittag) kam wenig Neues auf die Agenda. Es wurde festgestellt, dass die vorhandenen Content-Sharing Infrastrukturen immer noch dezentral betrieben werden (Dr. Klaus Wannemacher, HIS GmbH), dass Content Sharing zwar von Studierenden ausgiebig praktiziert wird (Dr. Christoph Rensing, httc), der Austausch zwischen Lehrenden aber immer noch die Ausnahme darstellt. Annett Zobel stellte die Initiative sowie die Plattform edu-sharing vor. Die Umgebung, die den Content Austausch so einfach machen soll, dass er endlich funktioniert, wirkt auf den ersten Blick sperrig und wenig überzeugend. Vielfältige Kooperationen sind angekündigt – es bleibt spannend, was daraus wird. Überzeugend waren eher die praktischen Beispiele der hochschulübergreifenden Kooperation aus Hessen (Dr. Rensing) und Nordrhein-Westfalen (Dr. Jörg Stratmann & Barbara Getto), wo Lehrveranstaltungen hochschulbergreifend angeboten und besucht werden können. Dabei wies insbesondere Barbara Getto auch auf die Herausforderungen und Probleme bei hochschulübergreifenden Angeboten hin, wie die curriculare Integration und die Anrechnung von Leistungen. Der Ruhr Campus Online fuhr dabei gut damit, erst einmal mit möglichen Abnehmern der Module zu Verhandeln bevor Angebote gesammelt werden.
Zum Abschluss der ersten Veranstaltungstages wurde – wenn auch ohne viel Glanz und Gloria – der Gewinner des diesjährigen Podcampus-Wettbewerbs gekürt: ein studentischer Beitrag des Magazins alma* des UniTV Freiburg über die Dostojewski-Übersetzerin Svetlana Geier, der auch das Tagungspublikum fesselte. Die Absicht der Veranstaltungsmacher, mit der Abschlusskeynote am ersten Veranstaltungstag von Dr. Dieter Dohmen (FiBS Forschungsinstitut für Sozial- und Bildungsökonomie) zu Diskussionen anzuregen, gelang. Dohmens Konzept zur Hochschulfinanzierung sieht vor – staatliche Finanzierung scheint gänzlich unmöglich – Studiengebühren erst nach Abschluss des Studiums zu erheben, in Abhängigkeit von Einkommen und Studienabschluss, und die Rückzahlung des Kredits mittels eines privatrechtlichen Vertrages direkt zwischen Hochschule und Studierenden abzuwickeln.
Der zweite Tag startete mit dem Thema Datenschutz, dem auch mittags noch ein Track gewidmet wurde. Der Bundesbeauftragte Peter Schar machte in seinem Vortrag deutlich, worauf beim Umgang mit Daten im Lehr- und Forschungskontext geachtet werden muss. Auch wenn der Vortrag keinen Medienbezug aufwies, war es dennoch eine interessante und profunde Zusammenfassung der Datenlage. Wer etwas zum Datenschutz im Bereich E-Learning hören wollte, der wurde mit dem Vortrag von Dr. Janine Horn (ELAN e.V.) gut bedient. Horn stellte thematisch gegliedert dar, worauf es beim Datenschutz z.B. in Lernplattformen, Wikis, Foren usw. ankommt. Nicht nur kurzweilig sondern auch sehr interessant war auch der vorausgehende Vortrag der Bibliotheksdirektorin der Uni Hamburg Prof. Dr. Gabriele Berger zum Thema Datenschutz-Policy und Möglichkeiten der Kooperation zwischen Hochschulen. Ebenso lohnte sich am Freitag der Besuch des Tracks zum Thema Life Long Learning. Dr. Jochen Robes (Weiterbildungsblog / HQ Interaktive Mediensysteme GmbH) präsentierte – zum Teil mit einem berechtigten Schmunzeln - seine Fundstücke zum Thema Open Learning, also (auf den ersten Blick) freie Lernangebote im Internet.
Den krönenden Abschluss der Konferenz bildete der Vortrag des Hamburger Urgesteins Prof. Rolf Schulmeister, der erste Ergebnisse aus seinem aktuell laufenden Forschungsprojekt ZEITLast vorstellte. In diesem Projekt halten BA- und MA-Studierende verschiedener Hochschulen und Fachbereiche täglich in einem Fragebogen die fürs Studium verbrachte Zeit fest. Interessantes Ergebnis: Die meisten haben das Gefühl viel mehr Zeit für das Studium aufgewendet zu haben, als der Bogen ergibt. Laut Schulmeister liegt diese Fehleinschätzung unter anderem an „Leerzeiten“ zwischen Veranstaltungen, die rein privat (in Facebook?) verbracht werden. Als Lösungsansatz wird versucht, im Projekt mit einer Anleitung zum Selbststudium sowie besser gegliederten Stundenplänen bessere Ergebnisse zu erzielen. Es sei noch resümierend festzuhalten, dass abgesehen von Schulmeisters Abschlusskeynote– zumindest in den von mir besuchten Tracks - keine Forschungsergebnisse vorgestellt wurden; vielmehr handelte es sich um Darstellungen der aktuellen Tätigkeitsbereiche der ReferentInnen – die jedoch einen guten Überblick über den Stand des E-Learning an deutschen Hochschulen vermittelten.
Dank dem Team von Lecture2Go der Universität Hamburg besteht auch nachträglich noch die Möglichkeit, alle Veranstaltungen zu besuchen. Die Aufzeichnungen der Vorträge wurden auf podcampus.de veröffentlicht.
Letzte Änderung: 08.04.2015