Chat

Ein Chat ist ein synchrones, internetbasiertes und textgebundenes Kommunikationsmedium. Chats ermöglichen, im direkten Austausch mit anderen Chat-Teilnehmern über das Internet in Echtzeit zu kommunizieren. Chat-Dienste sind in erster Linie als Plattformen für den ungezwungenen Online-Austausch populär, sie sind allerdings auch aus hochschuldidaktischer Perspektive interessante Kommunikationsmedien. Wir stellen Einsatzformen dar und geben Gestaltungshinweise.

Chat als Gesprächsform

Der Begriff Chat (engl. für Plauderei) zeigt an, dass diese internetspezifische Kommunikationsform dem mündlichen Gespräch zugeordnet wird, auch wenn die Chat-Teilnehmer nicht sprechen, sondern tippen. Ein Chat ist aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive keine schriftliche Kommunikationsform, sondern ein getipptes Gespräch (Storrer, 2001).

Zahlreiche Beispiele für Chats in unterschiedlichen Kontexten bietet der Dortmunder Chat-Korpus. Über diese Webseite stellt der Lehrstuhl für Linguistik der deutschen Sprache und Sprachdidaktik der TU Dortmund verschiedene Chat-Mitschnitte als Datengrundlage für sprachwissenschaftliche Untersuchungen zur Verfügung.

Chats können auch über so genannte „Messenger“ stattfinden. Messenger sind für den Austausch von Kurznachrichten ähnlich einer SMS gedacht. Nachrichten können dabei nur an Personen der eigenen Kontaktliste geschickt werden. Viele E-Mail-Anbieter, aber auch Plattformen wie Facebook bieten integrierte Messenger an. Ein weit verbreiteter Messenger für die mobile Nutzung ist WhatsApp.Die Kommunikation ist nur für die daran beteiligten Personen sichtbar.

Um im Chat zu kommunizieren, müssen sich die Chat-Teilnehmer bei einem entsprechenden Dienst anmelden. Hierbei wählen sie einen Chat-Namen, der vom System zur Identifikation der Beiträge benutzt wird. Die Abbildung zeigt einen Screenshot eines Yahoo-Chats. 

Merkmale der Chat-Kommunikation

Im Folgenden werden einige spezifische Merkmale der Chat-Kommunikation beschrieben, die sich aus der synchronen, textbasierten und virtuellen Kommunikationssituation ergeben.

Chat als synchrones Medium

Im Chat ist ein nahezu synchroner Austausch von Gesprächsbeiträgen möglich. Jeder Chatteilnehmer besitzt jederzeit die Möglichkeit, von der Rezipienten- in die Produzentenrolle zu wechseln, woraus eine dialogische Kommunikationssituation resultiert. Aus didaktischer Sicht sind diese Eigenschaften von Vorteil: Durch den Austausch in Echtzeit kann eine lebhafte Diskussion entstehen. Rückfragen oder Missverständnisse können sofort geklärt werden. So werden die Lernaktivitäten nicht unterbrochen.

Chat als textbasiertes Medium

In der Chatkommunikation findet eine Vermischung von Schriftlichkeit und Mündlichkeit statt: Ein Chat ist ein schriftliches Gespräch, bei dem die Teilnehmer ihre Beiträge über die Tastatur eingeben (Beißwenger, 2003). Die schriftliche Äußerung ist die Form, in der diskutiert oder auch geplaudert wird. Dies bietet spezifische Vor- und Nachteile:

Vorteile

  • Der Kommunikationsverlauf bleibt einsehbar, kann also mehrfach gelesen und bei Bedarf gespeichert und archiviert werden.
  • Die Verfügbarkeit des Gesprächsprotokolls bzw. des im Display des Chatprogramms erscheinenden Ausschnitts, erleichtert es, sich an mehreren Gesprächssträngen gleichzeitig zu beteiligen.
  • Aus einer Chat-Sitzung heraus kann per URL auf im Netz zugängliche Texte verwiesen werden, z.B. auf das Skript zur Lehrveranstaltung.

Nachteile

  • Der Zwang zur Textform wirkt sich leicht zeitverzögernd aus, verhindert unter Umständen spontane Äußerungen und beschränkt die kommunikativen Ausdrucksformen (Reinmann-Rothmeier, Nistor & Mandl, 2001).
  • Um schnell auf Beiträge reagieren zu können, werden Orthographie und Grammatik weniger Beachtung geschenkt, als dies normalerweise in der Schriftsprache der Fall ist. Tippfehler gehören zum Alltag und fallen nicht negativ auf. Dieser Umstand könnte gegen einen Einsatz von Chats im Kontext der Fremdsprachenausbildung sprechen. Für Chat-Neulinge unter Ihren Teilnehmern sollten Sie deutlich machen, dass die korrekte Schreib- und Ausdrucksweise einen geringeren Stellenwert hat.

Chat als virtuelles Kommunikationsmedium

Die Koordination des Gesprächsverlaufs ist in einem Chat erschwert. Dies liegt an speziellen, technologiebedingten Merkmalen und Restriktionen:

Paraverbale Kommunikationsanteile wie Blickkontakt, Prosodie, Körpersprache oder Wortmeldungen, die in Präsenzsituationen als Koordinationsmittel dienen, haben in Chatprogrammen keine Entsprechung. Vielmehr können im Chat Gesprächsbeiträge ("Postings") simultan produziert und verschickt werden. Die eigene Beitragsproduktion ist für die anderen Chat-Partner unsichtbar. Zudem werden die einzelnen Gesprächsbeiträge durch das Chatprogramm nicht in thematischer, sondern in chronologischer Reihenfolge ausgegeben. Hierbei gilt das "Mühlen-Prinzip" (Wichter, 1991): Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

Die Abbildung visualisiert die Produktion, Verschickung, Übermittlung und Darstellung von Chatbeiträgen als zeitlich nacheinander ablaufende Prozesse:

Kommunikation im Chat - Abbildung entnommen und angepasst aus Beißwenger (2003)

Aus den genannten Merkmalen des Chat ergeben sich spezifische Kommunikationsprobleme:

  • Mangelhafte Koordination von auf einander bezogenen Gesprächsbeiträge,
  • Verschränkung, Fragmentierung und Überschneidung von Äußerungen und wechselseitigen Bezugnahmen im Chat-Display,
  • gegenseitige Störung mehrerer paralleler Gesprächsstränge.

Hinzu kommt, dass die Beiträge im Chat unter Zeitdruck verfasst werden: Bei Eintreffen neuer Beiträge werden ältere Äußerungen nach oben bzw. unten verschoben. Die Reaktion auf einen Beitrag muss also erfolgen, bevor dieser aus dem Blickfeld des aktuellen Chatfensters verschwunden ist.

In chatbasierten Kommunikationssituationen ist die Koordination also insgesamt aufwändiger als in Face-to-Face Situationen. Allerdings entwickeln Nutzer Strategien, um sich an ihre Kommunikationsumgebung anzupassen. Der Zwang zur Kürze und die fehlenden gestischen und mimischen Informationen resultieren in neuen Ausdrucksformen: Zeichenkombinationen und Abkürzungen ersetzen umfangreichere Ausführungen oder körpersprachliche Signale. Emoticons oder in Sternchen eingebundene Kommentare werden eingesetzt, um Emotionen und Stimmungen, des Sprechenden zu untermalen.

Eine besondere Form des Chat sind 3-D Umgebungen und so genannte Avatar-Chats. Hier kann durch die räumliche Repräsentation die wechselseitige Ko-Orientierung im Gespräch verbessert werden. Beispiele und weitere Informationen beinhaltet die Vertiefung zu Virtuellen Rollenspielen.

Einsatzmöglichkeiten von Chat

Chats ermöglichen ein synchrones Arbeiten in Plenum und Kleingruppe und eignen sich für die Betreuung von Studierenden sowie für Diskussionen.

Bei einer Online-Sprechstunde führen Sie im Chat zumeist ein Zweiergespräch mit einem Studierenden, von dem weitere Teilnehmer ausgeschlossen sind. Sie können aber auch mit einer Gruppe von Studierenden chatten, zum Beispiel um die Projektarbeit eines Teams zu betreuen. Ein Beispiel aus unserer Referenzbeispielsammlung ist die Online Sprechstunde am Institut für Baustatik der Universität Stuttgart. Die Abbildung zeigt das Java -basierte Chattool. Eine Chatsprechstunde bietet sich immer dann an, wenn der Aufwand für ein reales Treffen (z.B. Anreise, Wartezeiten) minimiert werden soll. Metz et al. (2004) empfehlen Chatsprechstunden nur nach vorheriger Terminabsprache durchzuführen. Wird die Sprechstunde wie üblich für einen festen Zeitraum ausgeschrieben, besteht die Gefahr, dass mehrere Teilnehmende gleichzeitig auftauchen.

Eine Diskussion im Chat kann ergänzend - in vollständig virtualisierten Szenarien auch ersetzend - zur Präsenzveranstaltung durchgeführt werden. Auch die Ergänzung von Online-Veranstaltungen wie videobasierten Vorlesungen um einen Chat, ist eine Möglichkeit, die zum Beispiel in e-teaching.org-Online Veranstaltungen praktiziert wird. Die Diskussion kann gleichberechtigt zwischen allen Teilnehmern stattfinden oder durch einen Moderator gesteuert werden, der die Reihenfolge der Fragen und Antworten steuert und Fragen zur Beantwortung auswählt. Einsatzmöglichkeiten sind neben der typischen Seminardiskussion auch chatbasierte Expertengespräche.

Für eine effiziente chatbasierte Nachbildung von Lehrszenarien wie einer Seminardiskussion oder einer Sprechstunde reicht es nicht aus, lediglich die technische Infrastruktur in Form eines Chat-Systems als Kommunikationsumgebung bereitzustellen. Vielmehr muss die Nachbildung spezifischer Gesprächssituationen durch eine Kombination aus technischen und gesprächsstrategischen Hilfestellungen unterstützt werden. So können technologiebedingte Probleme der Koordination und Planung kommunikativer Züge ausgeglichen werden (Beißwenger & Storrer, 2005).

Gestaltung

Wenn Sie Chat als Kommunikationsmedium einsetzen wollen, sollten Sie folgende Fragen klären:

  • Welche traditionelle Veranstaltung wird ersetzt oder ergänzt?
  • Welche Inhalte sollen behandelt werden?
  • An welche Zielgruppe richtet sich das Kommunikationsangebot?
  • Welches Chat-Werkzeug ist geeignet, vorhanden oder bereits im Einsatz?

Bei der Gestaltung von Chatkommunikation ist zunächst zu beachten, dass es sich um ein synchrones Medium handelt. Für die Chat-Sitzung müssen daher verbindliche Zeiten festgelegt werden. Außerdem müssen alle Studierenden Zugang zur Chat-Plattform erhalten, was Anmeldeprozeduren und teilweise die Installation spezieller Software erfordert. Je nachdem, wie medienkompetent Ihre Veranstaltungsteilnehmer sind, sollten Sie damit rechnen, bei diesen Vorgängen Hilfestellungen leisten zu müssen. Die technischen und organisatorischen Hinweise können Sie auf Ihrer Homepage veröffentlichen.

Der Kommunikation via Chat wird eher ein informeller Charakter zugeschrieben (Draheim, Gaiser & Beuschel, 2001). Dem Gesprächsverlauf im Chat zu folgen erfordert Konzentration und schnelle Reaktionen seitens der Teilnehmer, insbesondere wenn mehre Personen chatten und sich an verschiedenen Gesprächssträngen gleichzeitig beteiligen. Diese Anforderungen sind bei einem informellen Austausch natürlich leichter zu erfüllen, als bei einer inhaltlich anspruchsvollen Diskussion. Chats eignen sich allerdings auch für thematische Diskussionen, wenn der Ablauf der Chat-Sitzung entsprechend strukturiert und moderiert wird. Beachten Sie dabei, dass informelle und formelle Aspekte in Kommunikationssituation nicht scharf zu trennen sind. Hilfreich kann ein Co-Moderator sein, der Fragen sammelt und weiter gibt. Zu den Aufgaben eines Co-Moderators finden Sie mehr Informationen im Kapitel zu Online-Schulungen.

Chatiquette

Es ist sinnvoll, Fortsetzungs- und Endsignale für Beiträge, sowie Zeichen zur Rederechtsbeantragung zu vereinbaren. Auch die Verwendung allgemein gebräuchlicher Abkürzungen bei der Kommunikation via Chat ist möglicherweise für einige Studierenden selbstverständlich für andere jedoch Neuland. Damit sich alle Teilnehmer untereinander verstehen und die Kommunikation koordiniert abläuft, müssen allgemein akzeptierte Spielregeln - eine veranstaltungsspezifische Chatiquette - entwickelt werden. Unter „Lurking“ wird verstanden, wenn Personen sich in einen Chat einzuloggen, mitzulesen, sich aber nicht an der Interaktion selbst zu beteiligen. Je nach Zahl der Teilnehmenden fällt das nicht weiter auf. In Kleingruppen kann es auch als problematisch empfunden werden.  

Vertiefende Informationen zur Moderation in virtuellen Kommunikationssettings bietet der Artikel E-Moderation.

Datenschutz

Wird der Chat eines Dienstes im Internet genutzt sollte ein Hinweis auf den Datenschutz erfolgen. Je nach Dienst müssen dem Anbieter bereits bei der Installation (Zugriffs-)Rechte eingeräumt werden. Zum Teil werden auch die Inhalte der Chats vom Anbieter gespeichert und zu Werbezwecken ausgewertet. Hier der Hinweis der Hochschule München zum Datenschutz im Zusammenhang mit der Studienberatung per facebook.

Technische Umsetzung

Die Wahl eines Chat-Programms ist in der Hauptsache von den für Ihren Einsatzzweck benötigten Funktionen abhängig. Eine spezielle Moderationsfunktion, bei der Sie die Auswahl und Sequenzierung der Chatbeiträge manuell steuern, kann zum Beispiel für Experteninterviews oder komplexe Gesprächssituationen mit vielen Teilnehmern nötig und sinnvoll sein. Typische Ausstattungsmerkmale eines Chatprogramms sind eine Benutzergalerie (Buddylist), die Option, alle Nutzer anzusprechen oder mit einer Person ein Zweier-Gespräch zu führen, sowie die Möglichkeit den Verlauf der Diskussion in einem Chatprotokoll festzuhalten. Achten Sie darauf, dass der Zugang zum Chat auf einen bestimmten Personenkreis (in der Regel die Teilnehmer Ihrer Veranstaltung) begrenzt werden kann. Eine hohe Verbreitung des gewählten Programms unter den Studierenden und die Kompatibilität mit anderen Systemen erhöht die Akzeptanz. Beachten Sie darüber hinaus, dass Chat-Funktionen oftmals in Lernmanagement-Systemen enthalten sind. Genauere technische Hinweise zu Chatprogrammen finden Sie in der Rubrik Medientechnik.

Beispiele:

  • Auf e-teaching.org finden Sie die Dokumentation von Chats mit verschiedenen E-Learning Expert/innen. Die Moderation übernahm dabei ein externer Dienstleister.
  • In einem Referenzbeispiel wird das Konzept chatbasierte Quizrunden als Motivationsfaktor im Rahmen des universitären Grammatikunterrichts beschrieben.
  • Einsatz von Chats u.a. für Rollenspiele in einem virtuellen Tutorium der Uni Frankfurt.
  • An der Universität Oldenburg gab es an der Bibliothek eine chatbasierte Online Auskunft, die in einem Referenzbeispiel beschrieben wird.
  • Die FH Köln betreibt eine Studienberatung per Chat mit einem Online-Buchungssystem.
  • Eine Chatberatung für Studierende über Facebook bietet die Hochschule für Angewandte Wissenschaft München an.

Weitere Informationen:

  • Umfangreiche Informationen zum Thema Chat hat die Seite mediensprache, ein Projekt an der Leibniz Universität Hannover und der RWTH Aachen zusammengestellt.
Letzte Änderung: 16.07.2015